Da mittlerweile Kinder einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung/Kindertagespflege haben, besteht für die Träger der Jugendhilfe eine Amtspflicht jedem anspruchsberechtigten Kind einen angemessenen Platz nachzuweisen. Wird diese Amtspflicht verletzt, dann kann es teuer werden. In einem vom OLG Frankfurt am Main mit Urteil vom 28.05.2021 (13 U 436/19) zu entschiedenen Rechtsstreit hat ein solches Versäumnis dem beklagten Landkreis rund 23.000 € an Schadenersatz gekostet. Dies war der Verdienstausfall, den die Mutter des Kindes erlitten hatte und für den nunmehr der Landkreis einstehen muss.
Trotz Anmeldung unmittelbar nach der Geburt kein zumutbarer Betreuungsplatzes nachgewiesen
Die Klägerin hatte für ihren einjährigen Sohn unmittelbar nach dessen Geburt Bedarf für eine Betreuungsplatzes bei der Gemeinde angemeldet. Im Rahmen der Anmeldung hat sie alle vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen und Kindertagespflegen angekreuzt. Gleichwohl war ihr kein geeigneter Betreuungsplatzes angeboten worden. Ein Betreuungsplatzes, bei dem die einfache Fahrzeit 30 Minuten je Strecke ohne Berücksichtigung der üblichen Verkehrsbelastungen bei üblichen Bring- und Abholzeit betragen hätte und sie für die Fahrt zu ihrem Arbeitsplatz je Strecke bis zu 56 Minuten unterwegs gewesen wäre, wurde von ihr als unzumutbar abgelehnt. Da sie mangels vorhandener Betreuungsmöglichkeiten nicht oder nur eingeschränkt arbeiten konnte, verlangte sie deshalb vom zuständigen Landkreis Schadenersatz.
Amtspflichtverletzung durch Träger der Jugendhilfe
Die Richter kamen zum Ergebnis, dass der Landkreis als zuständiger Träger der Jugendhilfe hier gegen seine Pflicht verstoßen hat dem Sohn der Klägerin ab dessen Vollendung des 1. Lebensjahres einen Platz in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege nachzuweisen. Die Klägerin hat ihren Sohn, so die Richter, nicht nur rechtzeitig, nämlich unmittelbar nach der Geburt, angemeldet, sondern durch ankreuzen aller vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen und Kindertagespflegen auch deutlich gemacht, dass sie einen umfassenden Betreuungsbedarf geltend mache. Dass sie den Bedarf gegenüber der Gemeinde gemeldet hatte, nicht aber gegenüber dem Landkreis, schadet nicht, denn die Gemeinde ist zur Weiterleitung der Bedarfsmeldungen an den Landkreis verpflichtet. Die Klägerin habe deshalb nicht den Bedarf auch unmittelbar gegenüber dem Landkreis anmelden müssen.
Die Beklagte hat auch eine Amtspflicht verletzt, denn sie hat der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum keinen zumutbaren Betreuungsplatzes für deren Sohn nachgewiesen. Ein Platz müsse, so die Richter, dem konkreten Bedarf des Kindes und seiner Eltern in zeitlicher und räumlicher Hinsicht entsprechen. Der Nachweis erfordere dabei ein aktives Handeln im Sinne eines Vermittelns oder Verschaffens. Der bloße Verweis darauf, dass freie Plätze vorhanden gewesen seien, genüge nicht.
Soweit die Beklagte darauf verweist, sie habe der Klägerin einen Platz in Offenbach nachgewiesen, ist auch dies nicht geeignet die Beklagte zu entlasten, weil dieser Platz angesichts der räumlichen Entfernung nicht zumutbar gewesen sei. Bereits ohne Berücksichtigung der erheblichen Verkehrsbelastung dieser Strecke zu den üblichen Bring- und Abholzeit habe die einfache Fahrt jeweils 30 Minuten betragen. Bis zu ihrem Arbeitsplatz hätte die Klägerin dann je 56 Minuten unterwegs sein müssen. Die Richter haben dabei klargestellt, dass bei der Prüfung der Zumutbarkeit nicht nur die individuelle Bedürfnisse des Kindes, sondern auch die der Eltern sein.
Anmerkung:
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, denn der beklagte Landkreis hat Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH (III ZR 91/21) eingelegt.