Wer sein Kfz in eine Werkstatt bringt und dann die dort zur Abrechnung gebrachten Reparaturkosten nicht bezahlt, weil er meint, dass er entweder gar keinen Auftrag erteilt hat oder aber jedenfalls die Kosten zu hoch sind, der wird regelmäßig zunächst damit konfrontiert werden, dass die Werkstatt das Kfz nicht herausgibt, sondern das sog. Werkunternehmerpfandrecht nach § 647 BGB ausübt. Wer meint, dass es damit sein Bewenden hätte, weil er vorübergehend auch auf das Kfz verzichten kann, der kann eine böse Überraschung erleben. So erging es einem Münsinger, der mit seiner BMW-Vertragswerkstatt um 376,42 € gestritten hat und am Ende vom Amtsgericht München mit Urteil vom 29.06.2021 (173 C 13154/20 (2)) zur Zahlung von 3.526,42 € verurteilt wurde. Dies deshalb, weil es die Richterin für akzeptabel fand, dass die Werkstatt zusätzlich zu den Reparaturkosten Standgebühren in Höhe von 3.150 € berechnet hat.
Rückrufaktion wird für Autofahrer zum finanziellen Fiasko
Der Beklagte hatte sein Kfz der Marke BMW, 525 D im Rahmen einer Rückrufaktion im November 2019 zu einer BMW-Vertragswerkstatt verbracht. Bei dieser Gelegenheit monierte er, dass bei dem Fahrzeug auch ein Konstruktionsmangel an der Lenksäulenverriegelung vorläge, der dazu führte, dass sich das Fahrzeug seit Monaten nicht mehr starten ließe. Da auch der ADAC und der BMW Mobil Service das Fahrzeug nicht starten konnten, musste es gekrant in die Werkstatt verbracht werden.
Dort konnte zwar der vom Beklagten vermutete Konstruktionsmangel einerseits nicht bestätigt, andererseits das Fahrzeug aber auch nicht wieder funktionsfähig gemacht werden. Nachdem der Beklagte sich weigerte Kosten in Höhe von 376,42 €, die die Werkstatt für ihre Tätigkeit haben wollte, zu bezahlen, verweigerte diese die Herausgabe des Kfz unter Verweis auf ihr entstandenes Werkunternehmerpfandrecht, und trat schließlich ihre Forderung an ein Inkassounternehmen, die First Debit GmbH mit Sitz in Hamm, ab.
Diese machte dann zusätzlich zu den Reparaturkosten, wobei in Streit stand, ob überhaupt ein Reparaturauftrag erteilt wurde, auch noch Standgebühren in Höhe von 3.150 € gelten. Dies entspricht einem Tagessatz von 25 €. Die Amtsrichterin fand dies o. k. und hat zur Begründung ausgeführt:
„Die Standkosten sind mit 25 € pro Tag zwar ziemlich hoch, aber aus Sicht des Gerichts gerade noch angemessen. Bei der Betrachtung der Angemessenheit darf man die Standkosten nicht mit einer Parkgarage vergleichen. Die Zedentin verfügt nur über eine begrenzte Kapazität, Autos abzustellen. Sie ist darauf angewiesen, dass die Fahrzeuge nach der Reparatur zeitnah abgeholt werden. Daher stellen die recht hohen Stand Kosten ein gewisses Druckmittel dar, dass die Kundenfahrzeuge nicht zu lange auf dem Gelände verbleiben …“
Dass die geltend gemachten Standkosten dabei um ca. 100 % den Wert des Fahrzeugs überstiegen haben, war für das Gericht ohne Belang.
Anmerkung:
Auch, wenn das Urteil des Amtsgerichts (der Beklagte war nicht anwaltlich vertreten) in mehrfacher Hinsicht unrichtig ist, verdeutlicht die Problematik um die Standkosten, dass dann, wenn Streit um eine Kfz-Reparatur besteht, es grundsätzlich problematisch ist, das Fahrzeug in der Werkstatt zu belassen. Diese Kostenfalle kann regelmäßig dadurch umgangen werden, dass die Rechnung zunächst unter Vorbehalt gezahlt und dann auf Rückforderung geklagt wird. Der Nachteil an dieser Lösung besteht darin, dass dann hier der Kunde als Kläger auftreten und damit die Gerichtskosten vorschießen muss. Allerdings würde hierdurch die Gefahr beseitigt werden, so wie im vorliegenden Fall mit horrenden Standkosten, geschröpft zu werden.
Für gewöhnlich werden Standkosten in Höhe von 8-10 € am Tag in der Rechtsprechung als angemessen angesehen und zwar begrenzt auf den Wert des Kfz. Hinzu kommt, dass bei einem Werkvertrag, den hier das Gericht angenommen hat, um überhaupt ein Werkunternehmerpfandrecht entstehen zu lassen, der Vergütungsanspruch an einen vertraglichen Erfolgseintritt sowie eine Abnahme geknüpft ist. Beides ist aber nicht der Fall, so dass mangels Werkunternehmerpfandrecht schon bereits die Verweigerung der Herausgabe des Kfz rechtlich fehlerhaft war.
Der Fall verdeutlicht, dass auch dann, wenn vor dem Amtsgericht kein Anwaltszwang besteht, es grundsätzlich keine gute Idee ist, sich selbst zu vertreten. Dies jedenfalls dann, wenn die Gegenseite anwaltlich vertreten ist. Im Zivilprozess gilt der Beibringungsgrundsatz. Dies bedeutet, dass das Gericht nicht von Amts wegen ermittelt, sondern nur über das entscheidet, was die Parteien vortragen. Juristische Laien sind aber oft gar nicht in der Lage zu erkennen, was überhaupt vorgetragen werden muss, um Ansprüche richtig zu begründen oder zu Fall zu bringen. Eine Korrektur in der Berufung, für die dann auf jeden Fall Anwaltszwang besteht, ist dann aber oft nicht oder nur eingeschränkt möglich, weil die Berufungsinstanz keine 2. vollwertige Tatsacheninstanz mehr ist. Wurde also in der 1. Instanz nicht richtig oder nicht vollständig vorgetragen, dann kann dies meist in der 2. Instanz nicht mehr ohne weiteres korrigiert werden. Von daher sollte kein Rechtsstreit ohne anwaltliche Unterstützung geführt werden.