Anna S. (Name geändert) sitzt verzweifelt vor ihrem Laptop in einem Café im Münchner Univiertel. Die 23-jährige Medizinstudentin hat gerade eine Zusage für ihr klinisches Semester an der Ludwig-Maximilians-Universität München erhalten. Doch was eigentlich ein Grund zur Freude sein sollte, entwickelt sich zum Alptraum. Seit Wochen durchforstet sie Immobilienportale auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung in Uninähe. Das letzte Angebot: Ein möbliertes 20-Quadratmeter-Apartment in Schwabing für eine Kaltmiete von 840 Euro (42 Euro/m²) – warm sollen es 1.100 Euro sein. „Das ist für mich einfach finanziell nicht darstellbar“, sagt Anna verzweifelt.
Die Rechtslage zur Mietpreisbremse
Die Mietpreisbremse, geregelt in §§ 556d ff. BGB, soll eigentlich vor überhöhten Mieten schützen. In München darf die Miete bei Neuvermietung maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Nach dem aktuellen Mietspiegel München 2023 liegt die durchschnittliche Nettokaltmiete für eine Wohnung dieser Größe und Lage bei etwa 20-22 Euro pro Quadratmeter. Eine Miete von 42 Euro/m² überschreitet diese Grenze deutlich.
Die Möblierungs-Lücke
Doch findige Vermieter haben eine lukrative Gesetzeslücke entdeckt: die Möblierung. Das Gesetz erlaubt einen Möblierungszuschlag, der allerdings „angemessen“ sein muss. In der Rechtsprechung hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass sich der Zuschlag an der Abschreibung der Möbel orientieren muss. Die Realität sieht anders aus: Vermieter nutzen die Möblierung häufig als Vorwand, um die Mietpreisbremse zu umgehen.
Wann liegt Mietwucher vor?
§ 291 StGB definiert Mietwucher als Straftatbestand. Demnach macht sich strafbar, wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit oder den Leichtsinn eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich für die Vermietung von Räumen Vermögensvorteile versprechen lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28.01.2004 – VIII ZR 190/03) liegt ein auffälliges Missverhältnis vor, wenn die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 50% übersteigt. Im Fall von Anna würde dies zutreffen – die verlangte Miete liegt etwa 100% über dem Mietspiegel.
Rechtliche Handlungsmöglichkeiten
Betroffene Mieter haben mehrere Optionen:
1. Zivilrechtlicher Weg:
– Berufung auf die Mietpreisbremse nach § 556d BGB
– Rückforderung zu viel gezahlter Miete
– Feststellungsklage zur Unwirksamkeit der Mietpreisvereinbarung
2. Strafrechtlicher Weg:
– Strafanzeige wegen Mietwuchers nach § 291 StGB
– Ordnungswidrigkeitenanzeige nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz
Nachdem Rechtsstreitigkeiten erneut Geld kosten, die Mühlen der Justiz langsam mahlen und am Ende für Rechtsuchende der Grundsatz gilt, dass man vor Gericht und auf hoher See in Gottes Hand ist, schrecken Betroffene oft davor zurück, die Angelegenheit einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Anna muss weitersuchen. Es wird sich aber bestimmt jemand finden, der mit Unterstützung der Eltern das „Wohnklo“ mieten wird.
Fazit
Der Fall von Anna S., der nicht erfunden ist, sondern real ist, ist kein Einzelfall – er steht exemplarisch für eine besorgniserregende Entwicklung am Münchner Wohnungsmarkt. Die aktuelle Rechtslage bietet zwar theoretisch Schutz vor überhöhten Mieten, wird aber durch Schlupflöcher wie den Möblierungszuschlag ausgehöhlt. Studierende sind besonders betroffen, da sie oft unter Zeitdruck stehen und keine Alternative haben. Das wird von manchen Vermietern gnadenlos ausgenutzt. Teilweise werden bereits in München Zimmer in Wohngemeinschaften oberhalb der 1.000 € Grenze angeboten. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, bedarf es dringend einer Reform der gesetzlichen Regelungen zum Möblierungszuschlag sowie einer konsequenteren Durchsetzung bestehender Vorschriften gegen Mietwucher. Bis dahin bleibt Betroffenen nur der Weg, sich rechtlich zu wehren – idealerweise mit anwaltlicher Unterstützung. Last but not least, darf aber nicht nur auf die Vermieter geschimpft werden, sondern es sollte stets bedacht werden, dass der Staat an hohen Mieten prächtig mitverdient. Gerade dann, wenn Vermieter sich im Spitzensteuersatz befinden, kassiert fast die Hälfte der (überhöhten) Miete der Fiskus.