In Bausachen werden regelmäßig für zeitabschnittsweise erbrachte Leistungen Abschlagsrechnungen erstellt, die vom Auftraggeber zu bezahlen sind. Kommt der Auftraggeber dabei mit einer Zahlung in Verzug, so ist der Auftragnehmer nicht nur berechtigt die Leistung vorübergehend einzustellen, sondern der Auftraggeber schuldet dann auch den Ersatz des Verzögerungsschadens (OLG Köln, Urteil vom 07.06.2016 – 22 U 45/12).
Geklagt hatte ein Unternehmer im Zusammenhang mit einem VOB/B-Vertrag, der nachdem eine Abschlagsrechnung nicht bezahlt worden war kurzerhand wegen Zahlungsverzug die Leistung eingestellt und später dann erfolgreich den Verzögerungsschaden geltend gemacht hat.
Aus den Urteilsgründen:
„I.) Die Klägerin kann gemäß §§ 280 Abs. 2, 3, 286 BGB Zahlung von brutto 32,876,38 Euro verlangen, weil die Beklagte sie durch weitgehende Nichtbegleichung der Abschlagsrechnung vom 03.06.2008 (Anlage K 11, AH 1) zur zeitweiligen berechtigten Einstellung der Arbeit veranlasst hat, wodurch ihr (der Klägerin) Mehrkosten entstanden sind.
1. Die Beklagte befand sich in Verzug mit der Begleichung der dritten Abschlagsrechnung vom 03.06.2008. Diese wurde von der Beklagten in verschiedentlicher Hinsicht gekürzt, allerdings zu einem sehr hohen Anteil gerade wegen der darin enthaltenen Position 1.8.20 Verbau (s.o.) und des Nachtrages N 1 Rammverbau (Pos. 3.1.1.50, s.o.). Insbesondere hinsichtlich der Position 1.8.20 war der Einbehalt der Beklagten unberechtigt (s.o.). Nachdem die Klägerin sie mit Schreiben vom 09.07.2008 unter Fristsetzung auf den 18.07.2008 zur Zahlung aufgefordert hatte, befand sich die Beklagte von daher mit einem Großteil des Rechnungsbetrages in Verzug.
2. Dem Grunde nach schuldet die Beklagte damit den Ersatz von Verzögerungsschaden, §§ 280 Abs. 2, 3, 286 BGB. Das Verschulden der Stadt wird nicht etwa dadurch widerlegt, dass sie die Zahlungen nicht schlicht grundlos, sondern im Hinblick auf ihre Rechtsansicht zur Position 1.8.20 verweigert hat. Denn insoweit geht ein Rechtsirrtum zu ihren Lasten.
a. Die Klägerin war in dieser Situation zur Arbeitseinstellung berechtigt. Grundsätzlich sieht § 16 Nr. 5 S. 4 VOB/B das Recht des Auftragnehmers vor, die Arbeiten bis zur Zahlung einzustellen. Soweit das Landgericht mit Blick auf das Gebot von Treu und Glauben der Klägerin das Recht zur Arbeitseinstellung in vorliegender Sache abgesprochen hat, schließt sich der Senat dem nicht an. Insbesondere stand der Arbeitseinstellung nicht das Gebot von Treu und Glauben entgegen. Wohl sind die Vertragsparteien eines VOB/B-Vertrages während der Vertragsdurchführung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Kooperation verpflichtet. Aus dem Kooperationsverhältnis ergeben sich auch Obliegenheiten und Pflichten zur Mitwirkung und gegenseitigen Information (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 VII ZR 393/98 -, BGHZ 143, 89-95, Urteil vom 23. Mai 1996 – VII ZR 245/94, BGHZ 133, 44, 47). Die Kooperationspflichten sollen unter anderem gewährleisten, dass in Fällen, in denen nach der Vorstellung einer oder beider Parteien die vertraglich vorgesehene Vertragsdurchführung oder der Inhalt des Vertrages an die geänderten tatsächlichen Umstände angepasst werden muss, entstandene Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte nach Möglichkeit einvernehmlich beigelegt werden.
Die vom Landgericht zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg ist indessen nicht einschlägig, denn sie betrifft keinen Fall der Arbeitseinstellung nach § 16 Nr. 5 VOB/B, sondern eine auf § 18 Nr. 4 VOB/B gestützte, die allerdings nicht den Sonderfall des Zahlungsverzuges des Auftraggebers betrifft.
In einem weiteren, vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall vom 10.11.2005 (Baurecht 2006,531 ff.) hat das Gericht darauf abgestellt, dass es noch keine Behinderung der Ausführung der Werkleistung darstelle, wenn eine geforderte Nachtragsvereinbarung noch nicht zustande gekommen ist. In einem solchen Fall kann, anders als bei einer bereits fälligen Abschlagsrechnung, die auf bereits ursprünglich beauftragte Leistungen gestützt ist, noch kein reiner Zahlungsverzug vorliegen, sondern allenfalls aus Sicht des Auftragnehmers eine fehlende Mitwirkung allgemeiner Art. Vorliegend geht es jedoch nicht um eine Anpassung des Vertrages an geänderte Verhältnisse und damit aus Sicht der Klägerin darum, eine ihr günstige Änderung des Vertrages überhaupt erst zu erreichen. Die Parteien streiten vielmehr über die Auslegung des bereits ursprünglich geschlossenen Vertrages, jedenfalls soweit die Position 1.8.20 betroffen ist, die den größten Anteil der Kürzung ausmacht (vgl. insoweit auch die KL. Bl. 212 d.A.). Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass sie – anders als in den zitierten OLG-Entscheidungen – die fraglichen Leistungen bereits erbracht hatte und es nicht um Vergütung für noch zu erbringende Leistungen ging (Bl. 88, 213, 337 d.A.). Darüber hinaus hat die Klägerin auf ausdrückliche Aufforderung der Beklagten, sich zunächst einmal zum Zwecke gütliche Einigung zusammenzusetzen, entsprechende Termine wahrgenommen, es konnte allerdings keine Einigung erzielt werden (vergleiche im einzelnen Bl. 15 f.). Die Klägerin ist insoweit im Streitfall ihren Kooperationspflichten in hinreichender Weise nachgekommen.
Das Argument, das Verbot des § 18 Nr. 4 VOB/B liefe leer, wenn man im Falle von Streitfällen gemäß § 16 Nr. 5 VOB/B die Arbeit einstellte, ist in dieser Pauschalität nicht zutreffend: Mit § 18 Nr. 4 VOB/B soll sichergestellt werden, dass Meinungsverschiedenheiten der Vertragsparteien über Vertragsinhalt und Bauausführung das Bauvorhaben selbst nicht gefährden, sondern einer internen oder gerichtlichen Auseinandersetzung vorbehalten bleiben. Die Regelung hat aber lediglich klarstellende Funktion; mit ihr sollen dem Auftragnehmer zustehende Leistungsverweigerungsrechte nach der VOB/B oder nach gesetzlichen Vorschriften nicht abgeschnitten werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1996 – VII ZR 233/94 BGHZ 131, 392 ff.; Joussen in: Ingenstau/Korbion, VOB/B § 18 Abs. 5 Rdn. 1). Wenn aber § 16 Nr. 5 Abs. 5 VOB/B ausdrücklich gestattet, die Arbeit einzustellen, so kann nicht aus § 18 Nr. 4 VOB/B gefolgert werden, dass diese Befugnis dann nicht gilt, wenn der Verzug des Auftraggebers seinen Grund in einem Streitfall hat. Hier trägt vielmehr der Auftragnehmer das Risiko, dass der Verzug auch tatsächlich vorliegt.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass dem Auftragnehmer ein allzu hartes Druckmittel an die Hand gegeben wird, wenn man ihm zubilligte, selbst bei öffentlichen Auftraggebern die Arbeit einzustellen, wenn diese bei Streit über die Berechtigung einer Abschlagsforderung deren Ausgleich verweigern, obwohl kein Insolvenzrisiko bestehe. Denn wenn auch möglicherweise nicht die Insolvenz des Auftraggebers zu besorgen ist, so kann es umgekehrt aus Sicht des Auftragnehmers ebenso essentiell sein, die Vergütung beizeiten zu erhalten und nicht (zeitlich gesehen) in erheblichem Maße in Vorleistung zu treten. Der Auftragnehmer geht im Übrigen seinerseits ein ganz erhebliches Risiko ein. Ist er nämlich sachlich zur Arbeitseinstellung entgegen seiner Einschätzung nicht berechtigt, kann der Auftraggeber nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B dem Auftragnehmer den Auftrag entziehen, die Vollendung auf Kosten des Auftragnehmers vornehmen und darüber hinaus Schadensersatz verlangen. Die Einstellung der Arbeit ist damit sicherlich kein Übel, das die Unternehmerseite der öffentlichen Hand leichthin und gefahrlos zufügen kann. Vielmehr gehen beide Seiten ein hohes Risiko ein, dass ihr Verhaften erhebliche Ersatzpflichten nach sich ziehen kann. Dann aber ist auch nicht ersichtlich, dass gerade dem Auftragnehmer im Streitfall nach Treu und Glauben die Arbeitseinstellung trotz versuchter Einigung über die Zahlungen verweigert werden müsste.
b. Der Nachtrag ist der Höhe nach fast vollständig, nämlich in Höhe von brutto 32.876,38 Euro berechtigt. Ersatzfähig ist grundsätzlich der Schaden, der durch die Einstellung der Arbeiten entstanden ist. Die Klägerin behauptet insoweit (Anlage K 18) Kosten der Baustellenräumung und erneuten -einrichtung in Höhe von netto 7.503,82 Euro, zusätzliche Vorhaltekosten für Baugrubenverbau in Höhe von netto 13.783,87 Euro, Mehrkosten für das Betreiben und Vorhalten der Wasserhaltung in der Baugrube in Höhe von netto 6.135,58 Euro, Verkehrssicherung in Höhe von netto 181,28 Euro und Verkehssicherung der Baugrube in Höhe von netto 203,94 Euro, mithin insgesamt in Höhe von brutto 33.092,10 Euro.“
Anmerkung:
Wer in derartigen Fällen nicht Gefahr laufen will, dass nicht nur die Baustelle stillsteht, sondern hinterher auch noch Schadenersatz gezahlt wird muss, der sollte bei Meinung Verschiedenheiten über die berechtigte Höhe eine Abschlagsrechnung diese besser unter Vorbehalt der Rückforderung bezahlen und einen Rechtsstreit nach hinten in die Schlussrechnung verlagern. Dabei muss allerdings stets im Auge behalten werden, dass noch ausreichend weitere Zahlungsansprüche des Auftragnehmers im Raum stehen. Ansonsten läuft nämlich der zahlende Auftraggeber Gefahr, am Ende zwar recht, aber im Ergebnis doch kein Geld zurückzubekommen, wenn nämlich der Auftragnehmer nicht liquide oder schlimmstenfalls zwischenzeitlich sogar insolvent geworden ist.