Hat der Erblasser unklare oder sich widersprechende Regelungen im Testament getroffen oder aber ist unklar, ob ein Testament wirksam ist und deswegen gesetzliche Erbfolge eingreift, dann entsteht regelmäßig beim Nachlassgericht ein Rechtsstreit unter dem Erbprätendenten, um die Erbenstellung. Dies jedenfalls dann, wenn mehrere Personen widersprechende Anträge auf Erlass eines Erbscheins stellen und jeder dabei behauptet er sei Erbe des Verstorbenen geworden.
Wie in jedem gerichtlichen Verfahren ist auch das Nachlassgericht bemüht zwischen den Beteiligten eine einvernehmliche, also vergleichsweise Regelung zu finden. Aber selbst, wenn die Beteiligten grundsätzlich vergleichsbereit sind, um langwierige und mühsame Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, taucht bei derartigen Streitigkeiten oft als im gerichtlichen Vergleich nicht letztverbindlich lösbarer Unsicherheitsfaktor die Frage auf, welche steuerlichen Auswirkungen eine vergleichsweise vereinbarte Zahlung an einen ausscheidenden Erbprätendenten hat. Deshalb war es bislang in derartigen Fällen wichtig die Auswirkungen einer zu treffenden Vereinbarung in allen Details zu durchdenken, um hier keine unliebsamen Überraschungen zu erleben.
Wir selbst haben erst unlängst beim Amtsgericht Wolfratshausen einen solchen Rechtsstreit begleitet, bei dem unklar war, ob aufgrund testamentarische Erbfolge die ehemalige Lebensgefährtin des unter Betreuung stehenden Erblassers, geerbt hat oder aber dessen Schwester aufgrund gesetzlicher Erbfolge Erbin worden ist. Im Ergebnis hatten sich dann die beiden älteren Damen, die als Erbinnen in Betracht kommen, darauf verständigt, dass der Nachlass hälftig verteilt werden soll. Da aber bei derartige Vereinbarungen der Erblasserwille nicht umgangen werden darf, konnte nicht einfach vereinbart werden, dass beide den Erblasser zu jeweils 1/2 beerbt haben, sondern im Rahmen einer umfassenden Vereinbarung wurde geregelt, dass die Schwester Alleinerbin ist, während der ehemaligen Lebensgefährtin aufgrund von Vermächtnissen die Hälfte des Nachlasswertes zusteht.
Eben für den Fall, dass dies seitens des Finanzamts nicht anerkannt wird und die Schwester den gesamten Nachlasswert zu versteuern hat, ist weiter vereinbart worden, dass ein entsprechender Geldbetrag so lange auf einem Anderkonto hinterlegt wird, bis ein rechtskräftiger Erbschaftssteuerbescheid, der den Steuerfall abschließt, vorliegt und damit klar ist, mit welcher Steuerlast die Erbin zu rechnen hat.
Diese Unsicherheit ist nun mit Urteil des BFH vom 15.06.2016 (II R 44/16) dadurch beseitigt worden, indem dieser letztverbindlich entschieden hat, dass Abfindungszahlungen, die der Erbe an den weichen Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig sind.
Widersprechende Testamente führen zu Unsicherheit über die Erbenstellung
In dem nun entschiedenen Rechtsstreit hatte zunächst die Erblasserin 2007 ein Ehepaar in einem notariellen Testament zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. 2010 hat sie dann ein weiteres handschriftliches Testament errichtet und nun ihren Finanzberater (ein Schelm, wer Arges dabei denkt) zu ihrem Alleinerben eingesetzt.
Kaum, dass der Erbfall eingetreten war, beantragte dieser auch schon beim zuständigen Nachlassgericht einen Alleinerbschein. Da auch die Eheleute einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragten, der sie zu jeweils ½ als Erben ausweist, kam es zum Streit über die Erbenstellung vor dem Nachlassgericht.
Dieser endete mit einem Vergleich. Danach nahm der Finanzberater seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zurück, verpflichtete sich, keine Einwendungen gegen den Erbscheinantrag der Eheleute zu erheben und alles Erforderliche zu tun, damit die Eheleute ihre alleinige Miterbenstellung erlangen. Die Eheleute wiederum verpflichtet sich dazu an diesem 160.000 € zu bezahlen.
(Anmerkung des Verfassers: Hier haben sich die Parteien offensichtlich deutlich weniger Gedanken darüber gemacht, wie das Finanzamt eine solche Regelung auffassen wird, als dies in dem von unserer Kanzlei betreuten oben geführten Rechtsstreit der Fall war).
Es wurde dann der Erbschein zugunsten der Eheleute erteilt.
Finanzamt erkennt Abfindungszahlungen an ausscheidenden Erbprätendenten nicht an, das Finanzgericht dagegen schon
Die Ernüchterung kam dann allerdings beim Erbschaftssteuerbescheid. Das Finanzamt hat nämlich die Zahlung an den zuvor abgefundenen Finanzberater nicht als Nachlassverbindlichkeit anerkannt und blieb auch im Einspruchsverfahren bei seiner Auffassung, dass die Zahlung nicht als Abzugsposten zu berücksichtigen sei.
Finanzamt erhebt Revision zum BFH und unterliegt
Wenig beeindruckt durch die Entscheidung des Finanzgerichts erhob das Finanzamt Revision zum BFH und unterlag auch dort. Aus den Entscheidungsgründen:
„Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeiten u.a. die Kosten abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff der Erwerbskosten ist ebenso wie der Begriff der Nachlassregelungskosten grundsätzlich weit auszulegen. Für eine unterschiedliche Behandlung von Nachlassregelungskosten und Erwerbserlangungskosten sind keine sachlichen Gründe erkennbar. Ein unmittelbarer Zusammenhang der Kosten mit dem Erwerb liegt vor, wenn sie – im Sinne einer synallagmatischen Verknüpfung – dafür aufgewendet werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. In zeitlicher Hinsicht können die Kosten vor dem Erbfall entstanden sein, müssen es aber nicht. Ausreichend ist ein Entstehen nach dem Erbfall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt.
Der BFH hat bereits entschieden, dass eine Abfindungszahlung des Vorerben an den Nacherben für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu den Verbindlichkeiten gehört, die bei der Ermittlung des Vermögensanfalls aufgrund des Eintritts der Vorerbfolge abzuziehen sind. Zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten gehören daher auch Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden Erbprätendenten, die der Erbe entrichtet, damit seine (Allein-)Erbenstellung in einem anhängigen Verfahren nicht mehr bestritten wird. Dem Abzug einer Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten als Erwerbskosten steht nicht entgegen, dass der Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB kraft Gesetzes eintritt. Die Abfindung, die zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung geleistet wird, dient dem Zahlenden unmittelbar dazu, die Erbenstellung endgültig und damit zugleich den Erwerb als Erbe zu erlangen. Ist unklar oder bestritten, wer Erbe ist, weil der Erblasser zum Beispiel mehrere Testamente mit widersprechenden Erbeinsetzungen zugunsten verschiedener Personen errichtet hat, muss erst geklärt werden, welche Person Erbe und damit Gesamtrechtsnachfolger wird. Kosten, die dem letztlich bestimmten Erben infolge eines Rechtsstreits um die Erbenstellung entstehen, hängen deshalb regelmäßig unmittelbar mit der Erlangung des Erwerbs zusammen. Denn ohne die Erbenstellung ist auch ein Erwerb nach § 1922 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
Nach diesen Gründen ist die von der Klägerin an den Finanzberater geleistete Abfindungszahlung als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG abzugsfähig. Die gezahlten Kosten wurden für den steuerpflichtigen Erwerb der Klägerin aufgewendet und mindern daher die Bereicherung.“
Bei Abschluss von gerichtlichen Vergleichen im Nachlassverfahren müssen stets die steuerlichen Auswirkungen mit bedacht werden
Der Fall zeigt, dass Vorsicht besser ist als Nachsicht. Rechtsbehelfe gegen Steuerbescheide haben nämlich keine aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass die Steuerforderung sofort zur Zahlung fällig ist und nötigenfalls auch vollstreckt werden kann. Deshalb ist es in Fällen, in denen es denkbar erscheint, dass das Finanzamt eine Zahlung nicht als Nachlassverbindlichkeit anerkennt, sinnvoll, so wie in dem von uns zuvor geschilderten Fall, zur Absicherung des Erben einen der Steuerlast sprechen Geldbetrag so lange zu hinterlegen, bis das Erbschaftsteuerverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.