Am 11.06.2015 hat der BGH (I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14) in drei Revisionsverfahren die Rechtsposition der Abmahnindustrie gestärkt und die Revisionen von drei Anschlussinhabern, die bereits zuvor vom OLG Köln zur Zahlung von Schadenersatz und Übernahme der Abmahnkosten verurteilt worden waren, zurückgewiesen. Dies deshalb, weil in allen 3 Fällen eine Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers bejaht worden ist. In allen Verfahren hatten die Abgemahnten sich zunächst damit zu verteidigen versucht, dass sie die Richtigkeit der Ermittlung der IP-Adresse bestritten haben.
Im Verfahren I ZR 75/14 hatte der Anschlussinhaber noch behauptet, er habe sich mit seiner Familie zur Tatzeit im Urlaub befunden und vor dem Urlaubsantritt seien sowohl Router und Computer vom Stromnetz getrennt worden. Im Rahmen einer Beweisaufnahme war zunächst ein Mitarbeiter des Softwareunternehmens, das die IP-Adresse ermittelt hatte, als Zeuge vernommen worden, so dass nach dessen Aussage die Richtigkeit der Ermittlungen für das Gericht außer Zweifel stand. Den Familienmitgliedern, die hinsichtlich der behaupteten Abwesenheit als Zeugen vernommen worden waren, hatte das Gericht nicht geglaubt und deshalb den Anschlussinhaber als Verantwortlichen verurteilt.
Im Verfahren I ZR 19/14 hatte neben dem Anschlussinhaber die im Haushalt lebende Ehefrau Zugang zu dem PC, jedoch, wie die Beweisaufnahme ergeben hatte, keine Administratorenrechte, so dass sie nicht in der Lage gewesen ist, entsprechende Software auf dem Rechner aufzuspielen. Der im Haushalt lebende Sohn verfügte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht über das Zugangspasswort zum PC. Auch bei dieser Konstellation sah das Gericht die Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers und hat diesen zur Zahlung von Schadenersatz und Übernahme der Abmahngebühren verurteilt.
Im Verfahren I ZR 7/14 wurde der Internetanschluss neben dem Anschlussinhaber noch von dem 16-jährigen Sohn und der 14-jährigen Tochter genutzt, die im Rahmen der polizeilichen Vernehmung als Beschuldigte eingeräumt hatte, die Musikdateien heruntergeladen zu haben. Obwohl der dort beklagte Anschlussinhaber behauptet hatte, seine Tochter über die Rechtswidrigkeit der Teilnahme an Musiktauschbörsen belehrt zu haben, hat das Oberlandesgericht eine Verletzung der Aufsichtspflicht nach § 832 Abs. 1 S. 1 BGB angenommen und den Anschlussinhaber als Verantwortlichen ebenfalls verurteilt.
Diese Feststellungen des Oberlandesgerichts hielten einer revisionsrechtlichen Überprüfung durch den BGH stand. Dieser hat zunächst klargestellt, dass die theoretische Möglichkeit, dass bei der Ermittlung der IP-Adresse durch ein Softwareunternehmen bzw. den Internet-Provider auch Fehler vorkommen können nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse sprechen, wenn im Einzelfall – so wie hier – keine konkreten Fehler dargelegt werden.
In dem Verfahren I ZR 75/14 sah sich der BGH an das Ergebnis der Beweisaufnahme, wonach eine Vernehmung der Familienmitglieder des Anschlussinhabers über die Behauptung diese hätten sich zur Tatzeit im Urlaub befunden und zuvor seien sämtliche technischen Geräte vom Stromnetz getrennt worden, nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben hatte, dass dies auch tatsächlich der Fall gewesen sei. Da der beklagte Anschlussinhaber beweisfällig geblieben ist, insbesondere nicht dargelegt hat, dass andere Personen zum Tatzeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter mögliche Rechtsverletzungen in Betracht kämen greift die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers. Deshalb war seine Verurteilung nach Auffassung der BGH Richter als Verantwortlicher nicht zu beanstanden.
Im Verfahren I ZR 7/14 hat der BGH zunächst klargestellt, dass Eltern grundsätzlich ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten genügen. Insbesondere keine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12). Das Berufungsgericht, das nicht nur das polizeiliche Geständnis der Tochter verwertet, sondern diese zusätzlich nach Belehrung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vernommen hat, hat im Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt habe. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem „ordentlichen Verhalten“ aufgestellt haben mag, reicht insoweit nicht aus.
Der BGH hat im Rahmen der Entscheidungen weiter bestätigt, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn im Wege der Lizenzanalogie für jeden Titel ein Betrag von 200 € bei der Schadensberechnung zum Ansatz gebracht wird.
Fazit:
Die Fälle zeigen, dass es gerade in derartigen Fällen nicht genügt blindlings zu leugnen und zu bestreiten, sondern dass im Rahmen der sog. sekundären Darlegungs- und Beweislast vielmehr gerade aufgezeigt werden muss, dass die Möglichkeit besteht, dass ein anderer als der Anschlussinhaber auch der Täter gewesen sein kann. Die Behauptung, die Familie sei im Urlaub gewesen und die Geräte seien vom Stromnetz getrennt worden, ist dabei geradezu dümmlich, weil dann nämlich mit der sicheren Ermittlung der IP-Adresse gerade feststeht, dass die als Zeugen vernommenen Familienmitglieder die Unwahrheit sagen, und deshalb nicht glaubhaft sind, so dass der Anschlussinhaber verantwortlich ist. Im schlimmsten Fall führt dies dazu, dass daneben nunmehr auch noch wegen Falschaussage ein Strafverfahren gegen die Familienmitglieder eingeleitet wird.
In dem Verfahren, in dem die Ehefrau keinen uneingeschränkten und der Sohn gar keinen Zugang zum heimischen PC hatte, war auch dieser Vortrag als Verteidigungsstrategie gänzlich ungeeignet. Lag es dann doch auf der Hand, dass der dortige Beklagte als Anschlussinhaber verantwortlich sein muss.
In dem Verfahren, in dem schließlich die 14-jährige Tochter die Täterschaft eingeräumt hatte, war dies wiederum falsch. Losgelöst davon, dass bei einer Beschuldigtenvernehmung vor der Polizei ohnehin grundsätzlich nie ohne anwaltlichen Rat eine Aussage getroffen werden sollte, und eine solche aufgrund des bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts auch hätte gänzlich unterbleiben können, hätte auch auf jeden Fall eine derartige Aussage unter Bezugnahme auf das Zeugnisverweigerungsrecht im Gerichtsverfahren vermieden werden müssen. Hätte nämlich die bloße Möglichkeit bestanden, dass die Kinder als mögliche Täter in Betracht kommen, dann hätte der Anschlussinhaber nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast nicht verurteilt werden können, weil dann das klagende Unternehmen beweisfällig geblieben wäre.
Die Fälle machen deutlich, dass gerade in diesem Spezialbereich nur derjenige sich erfolgreich zur Wehr setzen kann, der auch genaue Kenntnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung hat und daraus die richtigen Schlüsse zieht. In der Gesamtschau sind alle drei Entscheidungen, die der Abmahnindustrie neuen Auftrieb geben werden, das Ergebnis von anwaltlicher Schlechtberatung.