Die Adventszeit ist für viele kleine Unternehmerinnen und Unternehmer eine der wichtigsten Phasen des Jahres. So auch für Frau Müller (Name geändert), die in einem kleinen Handarbeitsladen liebevoll gefertigte Weihnachtsdekorationen verkauft. Um ihre Waren einem breiteren Publikum zu präsentieren, begann sie im November, Instagram zu nutzen. Ohne böse Absicht untermalte sie eines ihrer Videos mit dem bekannten Lied „Wonderful Dream (Holidays Are Coming)“ von Melanie Thornton – ein Weihnachtsklassiker, der vielen aus der Coca-Cola-Werbung bekannt ist. Wenige Wochen später erhielt Frau Müller ein Abmahnschreiben der Kanzlei IPPC LAW, vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Sebastian, mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung abzugeben und über 3.000 Euro zu zahlen.
Die Abmahner gaben an, im Auftrag von Marc Klammek aka „Mitchell Lennox“ aka „Marc Lennard“ und Florian Richter aka „Julien Nairolf“ aka „Judge Flow“ zu handeln, die die Urheberrechte an dem Lied besitzen sollen. Frau Müller war geschockt – sie hatte lediglich 109 Follower, das Video wurde nur 130-mal angesehen, und der Gesamtzeitraum der öffentlichen Zugänglichmachung betrug nicht einmal vier Wochen. Doch rechtlich gesehen war die Lage klar: Sie hatte das Lied ohne Lizenz genutzt und damit möglicherweise gegen das Urheberrechtsgesetz (UrhG) verstoßen.
Rechtslage: Urheberrechtsverletzungen durch Nutzung von Musik bei Instagram
Die Nutzung geschützter Musikwerke auf Social-Media-Plattformen wie Instagram fällt grundsätzlich unter den Schutz des Urheberrechts. Nach § 15 UrhG haben Urheber das ausschließliche Recht, ihre Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wird ein Musikstück ohne entsprechende Lizenz verwendet, handelt es sich um eine Urheberrechtsverletzung nach § 19a UrhG.
Instagram hat zwar mit der GEMA, die in Deutschland die Rechte vieler Komponisten und Textdichter vertritt, Lizenzvereinbarungen getroffen. Diese gelten jedoch nur für private Nutzer. Sobald ein Account für gewerbliche Zwecke genutzt wird, sind zusätzliche Lizenzen erforderlich. Dies betrifft insbesondere Inhalte, die direkt oder indirekt der Verkaufsförderung dienen, wie bei Frau Müllers Video.
Lizenzanalogie: Der Schadensersatz bei Urheberrechtsverletzungen wird häufig nach der Lizenzanalogie berechnet. Dabei wird ermittelt, was der Rechteinhaber für die Nutzung verlangt hätte, wenn eine Lizenz vorab eingeholt worden wäre. Für kleine Accounts wie den von Frau Müller mit minimaler Reichweite können die marktüblichen Kosten jedoch erheblich niedriger liegen, als von der abmahnenden Kanzlei geltend gemacht.
Die Abmahnung: Inhalt und Anforderungen
Eine typische Abmahnung umfasst mehrere Punkte:
- Unterlassungsanspruch: Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, um zukünftige Verstöße zu verhindern (§ 97 Abs. 1 UrhG).
- Schadensersatz: Berechnung nach Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 UrhG).
- Aufwendungsersatz: Ersatz der Anwalts- und Ermittlungskosten (§ 97a Abs. 3 UrhG).
- Fristen: Eine knapp bemessene Frist, um die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben und die finanziellen Ansprüche zu begleichen.
In Frau Müllers Fall forderte die Kanzlei IPPC LAW neben der Unterlassungserklärung eine Zahlung von 1.500 Euro Schadensersatz und 1.489 Euro Anwaltskosten, basierend auf einem Streitwert von 16.500 Euro. Zusätzlich wurden Ermittlungskosten von 148,75 Euro geltend gemacht.
Zweifel an der Abmahnung: Aktivlegitimation und Verhältnismäßigkeit
Nicht jede Abmahnung ist automatisch berechtigt. Insbesondere sollten Empfänger prüfen lassen, ob die Abmahner tatsächlich die Rechte am Werk besitzen (Aktivlegitimation). Im Fall von „Wonderful Dream“ ergibt sich aus öffentlich zugänglichen Quellen, dass das Lied von einer Vielzahl an Personen geschrieben und produziert wurde. Ohne Nachweis der Rechteübertragung bleibt unklar, ob Marc Klammek und Florian Richter tatsächlich alleinige Rechteinhaber sind.
Darüber hinaus spielt die Verhältnismäßigkeit eine Rolle. Bei geringen Reichweiten und kurzer Nutzungsdauer, wie im Fall von Frau Müller, könnte ein Streitwert von 16.500 Euro überhöht sein. Gerichte berücksichtigen hier die konkrete Nutzung und das Ausmaß der Verletzung.
Was sollten Betroffene tun?
- Ruhe bewahren: Nicht voreilig die beigefügte Unterlassungserklärung unterzeichnen oder die geforderte Summe zahlen.
- Prüfen lassen: Ein Rechtsanwalt sollte die Abmahnung auf Berechtigung, Verhältnismäßigkeit und Aktivlegitimation prüfen.
- Modifizierte Unterlassungserklärung: Falls eine Unterlassungserklärung erforderlich ist, sollte diese angepasst werden, um die Interessen des Abgemahnten besser zu schützen.
- Verhandlung: Häufig lässt sich die geforderte Summe durch eine Verhandlung mit der Kanzlei reduzieren.
Fazit
Der Fall von Frau Müller zeigt, wie schnell Unwissenheit im Bereich des Urheberrechts zu kostspieligen Konsequenzen führen kann. Die rechtlichen Anforderungen bei der Nutzung von Musik auf Plattformen wie Instagram sind komplex und bedürfen sorgfältiger Prüfung. Wer Social Media gewerblich nutzt, sollte sich im Vorfeld über die Lizenzbedingungen informieren oder auf gemeinfreie Werke zurückgreifen.
Abmahnungen wie die von IPPC LAW sind oft berechtigt, doch nicht jede Forderung ist angemessen. Eine fundierte rechtliche Prüfung und eine gut vorbereitete Verteidigung können dazu beitragen, die Ansprüche auf ein realistisches Maß zu reduzieren. Gerade in Fällen wie dem von Frau Müller, bei dem die Nutzung geringfügig war, erscheinen hohe Schadensforderungen oft unverhältnismäßig.
Wenn Sie selbst eine Abmahnung erhalten haben, stehen wir Ihnen als erfahrene Rechtsanwälte für Urheberrecht gern zur Seite. Gemeinsam klären wir Ihre Rechte und finden eine Lösung, die Ihre Interessen bestmöglich schützt.