Wer den Stromversorger wechselt, der ist nach einem Urteil des Amtsgerichts München vom 14.07.2017 (264 C 3597/17) selbst dann von Nachforderungen nicht sicher, wenn der Stromversorger eine Schlussrechnung ohne Vorbehalt erstellt hat und die Nachforderung erst nach mehr als 2 Jahren stellt.
Stromversorger verlangt mehr als 2 Jahre nach Vertragsbeendigung kräftige Nachzahlung
Im entschiedenen Rechtsstreit hatte der Beklagte das Vertragsverhältnis mit seinem Stromversorger zum 30.11.2013 gekündigt. Am 07.01.2014 erhielt er eine Schlussrechnung ohne Vorbehalt. Nach Abzug geleisteter Abschlagszahlungen wurde eine fällige Schlusszahlung in Höhe von 12,85 € ausgewiesen. Als Verbrauch für die Zeit zwischen dem 28.10.2012 und dem 30.06.2013 waren 849 kWh zu einem Preis von 217,72 € angegeben. Der Saldo wurde vom Beklagten ausgeglichen.
Er staunte nicht schlecht, als er von diesem Stromversorger am 08.03.2016 ein als „Berechnungskorrektur“ bezeichnetes Schreiben erhielt, in dem für den vorgenannten Zeitraum ein Verbrauch von 3695 kWh zu einem Nettopreis von 947,55 € ausgewiesen war. Der Beklagte hatte seinerzeit den der Abrechnung zugrunde gelegten Zählerstand selbst abgelesen und übermittelt. Der Stromversorger verlangte abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen eine Nachzahlung von 868 ,50 € brutto. Da der Beklagte der Meinung war, aufgrund der ohne Vorbehalt enthalten Schlussrechnung nichts mehr zu Schulden landete der Rechtsstreit schließlich vor Gericht.
Amtsgericht München entscheidet zugunsten des Stromversorgers
Das Amtsgericht München hat den Kunden dann zu seiner Überraschung verurteilt.
Begründet hat der Richter dies damit, dass es sich bei die ursprünglich zu niedrige Rechnung um keine Willenserklärung, sondern lediglich um eine „Wissenserklärung ohne rechtsgeschäftlichen Erklärungswert“ handeln würde. Sie könne deshalb nicht so ausgelegt werden, dass für den betreffenden Abrechnungszeitraum eine endgültige Abrechnung erstellt werden sollte, die auch dann gelten solle, wenn sich nachträglich herausstellen würde, dass die Abrechnung fehlerhaft war.
Soweit der Kunde meinte, dass der Gedanke der Verwirkung, § 242 BGB, dem klageweise geltend gemachten Anspruch entgegenstehen würde, fand auch dies bei Gericht kein Gehör. Nach Auffassung des Richters lagen zwischen der ursprünglichen Schlussrechnung einerseits und der Korrekturrechnung anderseits lediglich 2 Jahre und 2 Monate, so dass die 3-jährige Verjährungsfrist noch nicht verstrichen sei. Innerhalb dieser Frist müsse aber jeder Schuldner damit rechnen, noch in Anspruch genommen zu werden.
Diese Argumentation ist erstaunlich, weil das Gericht damit zum Ausdruck bringt, dass Verwirkung keine praktische Relevanz haben kann. Will das Gericht nämlich Verwirkung nur dann annehmen, wenn Forderungen bereits verjährt sind, dann würde der Gedanke der Verwirkung bedeutungslos. Der Fall zeigt daher einmal mehr, dass in der Sache unproblematisch und rechtlich nicht zu beanstanden auch ein anderes Ergebnis hätte getroffen werden können. Wie heißt es so schön: vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand…