Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Dass dieses Sprichwort manchmal auch vor Gericht gilt, musste nunmehr in zwei von unserer Kanzlei erstritten Urteilen (AG Wolfratshausen, Urteile vom 28. April 2010 – 6 C 261/10 u. 6 C 263/10) ein geschwätziger Professor erfahren. Dieser hatte sich in einem laufenden Betreuungsverfahren ungefragt schriftlich zu Wort gemeldet und im Rahmen mehrerer „Stellungnahmen“ über die jüngere Tochter der Betroffenen und deren Ehemann wahrheitswidrig u.a. eine mehrfache Bedrohung der Mutter, die bei dieser eine reaktive depressive Stimmung ausgelöst haben sollen, behauptet.
Der Professor, ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der nicht etwa ein langjähriger Arzt der Betroffenen, sondern lediglich ein Bekannter ihrer ältesten Tochter ist, hatte sich im Rahmen eines Betreuungsverfahrens mit mehreren schriftlichen „Stellungnahmen“ an das Betreuungsgericht gewandt und dabei der Betroffenen „volle Rechts- und Geschäftsfähigkeit“ bescheinigt und die sofortige Beendigung des Betreuungsverfahrens zugunsten einer kurz vor Anregung des Betreuungsverfahrens erteilten Vorsorgevollmacht zugunsten der älteren Tochter, verlangt. Zur Stützung seiner Forderung hat er sich allerdings weniger mit dem Krankheitsbild der Betroffenen auseinandergesetzt, sondern stattdessen wahrheitswidrige und diffamierende Aussagen, über die jüngere Tochter der Betroffenen und deren Ehemann, verbreitet. Als er von diesen im Rahmen eines sog. Ehrschutzverfahrens gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde berief er sich bei Gericht darauf, dass er als „Sachverständiger“ privilegiert sei und im übrigen nur das wiedergegeben habe, was ihm die Betroffene selbst erzählt habe, er also schon aus diesem Grund nicht zur Vderantworung gezogen werden könne. Nachdem zunächst bereits der vom Gericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Amtsarzt deutliche Worte für den geschwätzigen Professor fand („Kritisch zu würdigen sind die Stellungnahmen des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Professor …, der in wiederholten Schreiben der Probandin volle Rechts- und Geschäftstüchtigkeit attestiert, ohne die notwendigen psychopathologischen Kriterien zu diskutieren oder zu erfassen …“ fand nunmehr auch das Gericht deutliche Worte.
Nach dessen Auffassung finden nämlich die von der Rechtsprechung erarbeiteten Regeln über den Schutz von Äußerungen im Zusammenhang mit förmlichen gerichtlichen Verfahren in diesem Fall keine Anwendung, weil der Professor als am Betreuungsverfahren nicht beteiligte Person keine Feststellungen im Sinne seiner Äußerungen in diesem Verfahren erreichen könnte.
Sein Verhalten wird auch nicht, so das Gericht, durch sein (seitens des Gerichts gar nicht veranlasstes) Auftreten als „Sachverständiger“ gerechtfertigt, zumal seine unsubstantiierte Darstellung mangels Nachvollziehbarkeit der behaupteten Bedrohungsszenarien bei Anlegung prozessrechtlicher Maßstäbe ersichtlich nicht geeignet ist, zu einer sachgerechten gerichtlichen Entscheidung beizutragen. Da dem Professor offensichtlich klar war, dass im Betreuungsverfahren gerade die – von ihm bejahte – „Geschäftstüchtigkeit“ der Patientin zur Diskussion stand, hätte sich eine kritische Auseinandersetzung, insbesondere mit der Möglichkeit angeboten, dass die von der Patientin geschilderten Bedrohungsszenarien auf Wahnideen oder einer psychischen Fehlverarbeitung tatsächlicher Geschehnisse beruhten. Da dieser ersichtlich bedeutsamer Aspekt nicht einmal ansatzweise in das „Gutachten“ eingeflossen ist, muss sich dieser so behandeln lassen, als hätte er sich die Schilderung der Patientin zu Eigen gemacht. Er kann sich, so das Gericht, auch nicht auf ein Drittäußerungsprivileg berufen. Der diffuse Charakter der verfahrensgegenständlichen Darstellung, mit deren Wirkung der Verfügungsbeklagte als erfahrener Arzt und Sachverständiger zumindest rechnen musste, machte diese nicht etwa zu dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG unterliegenden Meinungsäußerung, da bei Bewertung der Zielrichtung der Ausführung (nach entsprechender Konkretisierung) gegebenenfalls beweisfähige, tatsächliche Ereignisse im Vordergrund stehen, die den Leser seinerseits zu einem negativen Werturteil über das Verhalten der Verfügungsklägerin und ihres Ehemanns veranlassen sollen. Eine Konkretisierung der Darstellung hinsichtlich der behaupteten „Bedrohungen“ hätte bei seriöser Vorgehensweise des Verfügungsbeklagten umso näher gelegen, als dieser die Durchführung einer „ausgiebigen Anamnese“ behauptet, bei deren Erhebung die Patientin von den Bedrohungen erzählt habe. Diese Äußerungen verletzen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin, weil sie geeignet sind, diese in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und nicht durch berechtigte Interessen des Verfügungsbeklagten gedeckt erscheinen, so dass das Gericht den geschwätzigen Professor zu Unterlassung verurteilt hat.