Wird ein Mitbewerber wegen eines Rechtsverstoßes abgemahnt, so kann der Abmahnende nach den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag die Erstattung der ihm für die Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten verlangen. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und ist völlig unstreitig. Was aber ist, wenn die Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist und der Abgemahnte nun seinerseits einen Rechtsanwalt einschalten musste, um die Abmahnung als unberechtigt zurückzuweisen?
In solchen Fällen reicht es nicht aus, dass der Abmahnende eine Erklärung abgibt, dass er aus der (unberechtigten) Abmahnung keinerlei Rechte mehr hergeleitet, sondern seinem „Abmahnopfer“ steht nun seinerseits ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten zu. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Abmahnung so offensichtlich unberechtigt war, dass der Abgemahnte damit rechnen konnte, dass der Abmahnende durch ein Anwaltsschreiben zur Rücknahme seiner Abmahnung bewogen werden kann.
Diese Erfahrung musste auch ein Internethändler machen, der einen Konkurrenten zu Unrecht wegen eines behaupteten Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung abgemahnt hatte. Er ist nicht nur auf den Kosten seines eigenen Rechtsanwalts sitzen geblieben, sondern musste zudem die Kosten seines Konkurrenten übernehmen. Das Amtsgericht Wolfratshausen hat in einem von unserer Kanzlei erstritten Urteil vom 9. August 2012 seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
„Die Klagepartei hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Abwehrkosten in Höhe von 651,80 €. Die Abmahnung der Beklagtenpartei vom 13.09.2010 war unberechtigt. Die Kosten für die Abwehr dieser unberechtigten Abmahnung hat die Klagepartei daher gemäß § 678 BGB zu ersetzen. Im Einzelnen: Der in unlauterer Weise von einem Mitbewerber abgemahnte, kann nicht nur Unterlassung oder Beseitigung verlangen, ihm kann auch ein Schadensersatzanspruch zustehen, der sich auch auf die Kosten eines Anwalts erstrecken kann, wenn dessen Beiziehung erforderlich war (Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 30. Aufl. 2012,§ 4 Rn. 10.168). Ein Anspruch auf Erstattung der Abwehrkosten gemäß § 678 BGB ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Eine Abmahnung stellt eine Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) dar (vgl. Köhler/Bornkamm-Köhler, UWG, 30. Aufl. 2012, § 12 Rn. 1.73 sowie § 4 Rn. 10.168). Wenn demnach ein berechtigt Abmahnender den Ersatz seiner Aufwendungen nach §§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB beanspruchen kann, ist es folgerichtig, zugunsten des unberechtigt Abgemahnten die Regelung des § 678 BGB anzuwenden (OLG München, Beschluss vom 08.01.2008 29 W 2738/07, ll.2.a. m.w.N.). Dabei ist zu beachten, dass § 678 BGB eine Anspruchsgrundlage für den Abgemahnten als Geschäftsherrn darstellt, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abwehr der unberechtigten Abmahnung ihrerseits eine Geschäftsführung ohne Auftrag durch den Abgemahnten für den Abmahnenden darstellt (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.01.2008 29 W 2738/07, l\.2.a.). Die Abmahnung vom 13.09.2010 war unberechtigt:…“
Hier der vollständige Text des Urteils als PDF-Datei.
Hinweis:
Für den Fall, dass die Abmahnung nicht offensichtlich zu Unrecht erfolgt ist, weil beispielsweise sich dies nicht bereits aus Gesetz ergibt, sondern unterschiedliche Rechtsprechung besteht, empfiehlt es sich gegen eine zu Unrecht erfolgte Abmahnung gleich mit einer sog. negativen Feststellungsklage vorzugehen. In derartigen Fällen erkennt die Rechtsprechung nämlich für eine außergerichtliche Abwehr der Abmahnung keinen Kostenerstattungsanspruch an. Erstattungsfähig sind dann aber wiederum die Verfahrenskosten, wenn das Gericht feststellt, dass nach seiner Auffassung die Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist.