Bereits am 20.11.2018 haben wir an dieser Stelle über ein von unserer Kanzlei vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg für einen Arbeitgeber erstrittenen Urteil berichtet, in dem die Richter die Klage eines sog. AGG-Hoppers, also einer Person, die sich nur zum Schein auf eine rechtsfehlerhaft formulierte Stellenanzeige bewirbt, um dann Entschädigung- oder Schadenersatzansprüche wegen angeblicher Diskriminierung nach dem AGG geltend zu machen, wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen hatten
Nachdem unsere Kanzlei bereits mehrfach mit dem Kläger, einem gelernten Bankkaufmann, befasst war und wir immer wieder von Kollegen angerufen werden, die sich nach dem Stand des Verfahrens erkundigen, weil sie in ähnliche Rechtsstreitigkeiten verwickelt sind, veröffentlichen wir hier nun ergänzend die Urteilsgründe aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (7 Sa 621/18) vom 18.01.2019.
Wir hatten ja bereits das Ausgangsverfahren vor dem Arbeitsgericht Berlin gewonnen. Das LAG Berlin-Brandenburg hat die gegen das Urteil gerichtete Berufung des Klägers abgewiesen und dies wie folgt begründet:
„2.2 Die Klage gegenüber beiden Beklagten ist aber auch deshalb unbegründet, weil ihr er Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegensteht.
2.2.1 Sowohl ein Entschädigungsverlangen eines/einer erfolglosen Bewerbers/Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG als auch sein/ihr Verlangen nach Ersatz des materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG können dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist dann anzunehmen, wenn ein/eine Kläger/in sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm/ihr darum gegangen ist, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf die Schädigung und/oder Schadenersatz geltend zu machen (vgl. BAG vom 26.01.2017 – 8 AZR 848/13 – juris; BAG vom 11.08.2016-8 AZR 406/14 – AP Nr. 22 zu § 15 AGG m.w.N.).
Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17.03.2016 – 8 AZR 677/14 – Rnr. 44). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidriges Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich eine günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor (vgl. BAG vom 11.08.2016 – 8 AZR 406/14 – Rz. 49 m.w.N.).
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den -rechtshindernden – Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. BAG 11.08.2016 – 8 AZR 406/14 – Rz. 50). Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. EuGH 28.07.2016 – C-423/15 – [Kratzer] Rnr. 35 ff.).
2.2.2 Bei Beachtung und in Anwendung dieser Grundsätze kam die erkennende Kammer zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Position eines Bewerbers treuwidrig im oben genannten Sinne herbeigeführt hat. Die Beklagte ist ihrer Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs nachgekommen.
2.2.2.1 Schon dem Bewerbungsschreiben des Klägers lassen sich objektive Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben. Die Bewerbung des Klägers ist nämlich gar nicht auf die ausgeschriebene Stelle zugeschnitten. Die Beklagte zu 2 suchte jemanden für ihren Modeladen am Tegernsee. Weder hat der Kläger Verkaufserfahrungen im Einzelhandel, noch in der Modebranche. Dies bringt er auch in seinem Bewerbungsschreiben deutlich zum Ausdruck, in dem er darauf verweist, er bewerbe sich bei der Beklagten, weil er eine kaufmännische Berufsausbildung als Bankkaufmann mit ca. insgesamt sechs Jahren Berufserfahrungen habe, eine technische Umschulung zum IT-Systemtechniker mit 5,5 Jahren Berufserfahrung in der IT-Security und seit 2005 als Betriebsinnendienstmitarbeiter in klassischen Callcentern im In- und Outbound gearbeitet habe. Was dies mit der ausgeschriebenen Stelle zu tun haben sollte, erschloss sich der Kammer nicht. Dabei handelte es sich aus Sicht der Kammer auch nicht allein um eine schlampig formulierte Bewerbung, die für sich genommen nicht den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben würde. Vielmehr ist die Bewerbung des Klägers ins Blaue hinein ohne erkennbaren Bezug zu der ausgeschriebenen Stelle verfasst und abgesandt worden.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass sich aus der Stellenanzeige nicht konkret ergeben habe, für welche Tätigkeit die Beklagte eine Bewerberin suche, hätte der Kläger bei seiner Internetrecherche, die ihn zu der Adresse der Beklagten geführt hat, feststellen können, dass die Beklagten im Bereich der Modebranche tätig sind und es verschiedene Verkaufsstellen gibt, zum anderen hätte es in dieser Situation nahegelegen, sich – wenn der Kläger denn die Stelle wirklich hätte haben wollen – zunächst nach dem Inhalt der ausgeschriebenen Stelle zu erkundigen, um dann die eigene Bewerbung zur Erhöhung der Erfolgsaussichten auf diese Stelle zuzuschneiden.
2.2.2.2 Darüber hinaus hat der Kläger nach seiner Bewerbung eine Zusage oder Absage erst gar nicht abgewartet, sondern binnen einer Frist von gerade einmal drei Wochen Klage auf Entschädigung erhoben. Damit hat der Kläger aber gezeigt, dass es ihm nicht etwa um die Stelle ging, sondern darum, den Entschädigungsanspruch zu erhalten. Auch hat er gezeigt, dass er selbst davon ausgegangen ist, das Anforderungsprofil nicht zu erfüllen.
Entgegen der Auffassung des Klägers konnte die unterbliebene Reaktion der Beklagten auch nicht etwa als bloßes Nichtstun bzw. als Ablehnung der Bewerbung aufgefasst werden. Dazu war die Frist zwischen der Bewerbung am 24.02.2017, einem Freitag und der Klageerhebung am 20.03.2017, einem Montag, auch unter Berücksichtigung der zu besetzenden Stelle deutlich zu kurz. Denn bei dieser kurzen Zeit konnte nicht unterstellt werden, die Beklagten hätten überhaupt schon abschließend eine Entscheidung zu seiner Bewerbung getroffen. Vielmehr wird hier deutlich, dass es dem Kläger nicht um die Stelle als solches gegangen ist, sondern darum, seinen Entschädigungsanspruch möglichst schnell durchzusetzen.
Soweit der Kläger seine frühe Klageerhebung mit der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG begründet, ist dies schon deshalb nicht überzeugend, da bei einer Bewerbung der Fristbeginn erst mit dem Zugang der Ablehnung beginnt. Von Rechtsunkenntnis kann hier nicht ausgegangen werden, da der Kläger die Ausschlussfrist kennt und auch sonst im Bereich der Entschädigungsklagen nicht unerfahren ist.
Soweit der Kläger behauptet, er habe vergeblich versucht, die Beklagte telefonisch zu erreichen und dann befürchtet, diese sei bzw. werde insolvent, spricht auch dies dafür, dass der Kläger nur den Bewerberstatus erlangen wollte, um Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Denn wäre es dem Kläger zunächst einmal tatsächlich um die Stelle gegangen, hätte dieser Gedanke nicht zu einer übereilten Klage geführt. Die Notwendigkeit der Eile ergibt sich hier daraus, dass es dem Kläger eben gerade um den Schadenersatzanspruch als solches ging.
2.2.3. Aus diesen objektiven Umständen folgte aus Sicht der Kammer auch die Absicht des Klägers, sich den Bewerberstatus willkürlich zu schaffen. Mithin stand dem Anspruch des Klägers der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Die Klage war abzuweisen.“
Nachdem der Kläger zuletzt auch in München unterlegen war, steht derzeit sein vormals lukratives Geschäftsmodell unter keinem guten Stern…