Onlinehändler haben es schwer. Wesentlich schwerer als der stationäre Handel. Der Gesetzgeber hat eine Vielzahl von Gesetzen zum Schutze des Verbrauchers erlassen, die auch noch fortlaufend geändert werden. Zudem gibt es zu einzelnen Rechtsfragen oft keine einheitliche Rechtsprechung, so dass derjenige, der nicht stets auf alle Gesetzes- und Rechtsprechungsänderungen reagiert, Gefahr läuft von einem Mitbewerber kostenpflichtig abgemahnt zu werden.
Viel schwerer wiegt aber, dass oft Online-Käufer nicht mit normalen Kunden im stationären Handel vergleichbar sind. Nicht nur, dass aus Spaß Unmengen an Waren bestellt und (teilweise verdreckt und beschädigt) wieder zurückgeschickt werden, sondern gerade die Bewertungssysteme, die Handelsplattformen, wie beispielsweise eBay, zur Verfügung stellen, werden von Kunden auch missbraucht, um Verkäufer regelrecht zu erpressen. Ist die gesetzliche Widerrufsfrist abgelaufen und weigert sich der Verkäufer deshalb die Ware zurücknehmen, kommt es nicht selten vor, dass der Käufer damit droht im Gegenzug den Verkäufer negativ zu bewerten. Besonders dreiste Zeitgenossen verlangen nach Vertragsschluss auch noch einen ordentlichen Preisabschlag und drohen damit, wenn ihnen dieser nicht gewährt wird, mit einer Negativbewertung zu reagieren. Auch Mitbewerber setzen teilweise Scheinkäufer ein, die Shops negativ bewerten, um diese nachhaltig zu schädigen. Deshalb hat jeder Onlinehändler ein Interesse daran seinen Shop vor ungerechtfertigten negativen Bewertungen dauerhaft freizuhalten.
Auch, wenn sich ein Anspruch auf Zustimmung zur Entfernung einer ungerechtfertigten negativen Bewertung dem Grunde nach rechtlich unproblematisch aus einer Nebenpflicht aus dem Vertragsverhältnis oder aber eine unerlaubten Handlung konstruieren lässt, scheitert eine Durchsetzung dann doch oft im Praktischen. Dies deshalb, weil sich gerissene Käufer meist auf die Meinungsfreiheit berufen und die mit der Angelegenheit befassten Gerichte von der Spezialmaterie des Äußerungsrechts oft über keine oder nur wenig praktische Erfahrung verfügen, so dass Gerichtsentscheidungen oft wenig juristische Substanz haben und eher „aus dem Bauch heraus“ getroffen werden.
Durch ein von unserer Kanzlei gestern vor dem Oberlandesgericht München für einen Onlinehändler erstrittenes Urteil, hat sich zumindest teilweise die Situation für den Onlinehandel verbessert. Weil es sich, soweit ersichtlich, um das erste Urteil eines Obergerichts zu dieser Frage handelt, hat das Urteil für großes mediales Interesse bei Presse, Funk und Fernsehen gesorgt.
Der Käufer hatte am 25.03.2013 in einem eBay Shop 2 Stück eines Schnellverschlusses, wie er auf Booten verwendet wird, zum Preis von insgesamt 32,70 € gekauft und im Anschluss daran den Verkäufer negativ bewertet und zur Begründung seiner Bewertung ausgeführt:
„Die Gewinde mussten wegen Schwergängigkeit nachgeschnitten werden.“
Er hatte vor Abgabe der Bewertung keinen Kontakt zum Verkäufer gesucht, also weder von seinem gesetzlich eingeräumten Widerrufsrecht Gebrauch gemacht noch wegen (angeblicher) Mangelhaftigkeit Nachlieferung verlangt, sondern stattdessen die gelieferte Ware behalten und als vertragsgemäß akzeptiert, den Verkäufer aber dennoch negativ bewertet.
Der Verkäufer sah deshalb in der Bewertung einen ungerechtfertigten Eingriff in seinen Geschäftsbetrieb und verlangte vom Käufer die Zustimmung zur Entfernung. Als dieser nicht einlenken wollte und auch ein anwaltliches Aufforderungsschreiben ignoriert hat, landete der Rechtsstreit schließlich vor Gericht.
Während das Landgericht München II als Vorinstanz noch dem Käufer Recht gab und meinte, bei der negativen Bewertung würde sich lediglich um die Meinung des Käufers handeln und der Verkäufer habe nicht den Nachweis geführt, dass die Äußerung unwahr sei, so dass sich der Käufer auf die Meinungsfreiheit berufen könne, hat nunmehr das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 28.10.2014 (18 U 1022/14 Pre) das Urteil aufgehoben und den Käufer dazu verurteilt, die Zustimmung zur Entfernung der (ungerechtfertigten) negativen Bewertung zu erteilen.
Der Senat vertrat dabei (zu Recht) die Auffassung, dass es sich bei der Bewertung des Käufers um kein Werturteil, sondern um eine Tatsachenbehauptung handelt, für deren Wahrheitsgehalt er beweispflichtig sei. Der Bewertungskommentar, verbunden mit der negativen Bewertung, werde nämlich vom Durchschnittsleser so verstanden, dass die Schwergängigkeit einen erheblichen Mangel der Kaufsache darstelle. Da er selbst aber eine solche Mangelhaftigkeit gar nicht behaupte, sei von der Unwahrheit der aufgestellten Behauptung auszugehen.
Anmerkung:
Das Urteil, das auf großes Medieninteresse gestoßen ist, hat nicht nur die Rechte von Onlinehändlern gestärkt, sondern Auswirkungen für den gesamten Onlinehandel. Ansonsten wären nämlich Verkäufer in Fällen wie diesem schutzlos negativen Bewertungen ausgeliefert gewesen. Wenn nämlich der Käufer einerseits nicht von den ihm gesetzlich eingeräumten Rechten den Kaufvertrag zu widerrufen oder aber Nachlieferung zu verlangen Gebrauch macht, sondern, so wie hier, die Ware behält und trotzdem den Verkäufer negativ bewertet, dann würde es dem Verkäufer unmöglich gemacht werden, sich erfolgreich zur Wehr zu setzen. Ohne in Besitz der gelieferten Ware zu sein, ist es ihm unmöglich zu verifizieren, ob tatsächlich mit der gelieferten Ware etwas nicht in Ordnung ist, wie es von Käufer behauptet wird oder der Bewertung sachfremde Motive zugrunde liegen. Eine Revision zum Bundesgerichtshof hat das Oberlandesgericht München nicht zugelassen.
Urteilsgründe liegen bislang nicht vor. Wir werden an dieser Stelle nochmals berichten, wenn diese ergangen sind.
Übrigens: Dass der Käufer den Rechtsstreit verloren hat, liegt entweder daran, dass er von Anfang an unwahr vorgetragen hat, also die Gewinde gar nicht nachgeschnitten worden sind oder aber seine Anwälte den Prozess schlecht geführt haben. Klägerseits wurde nämlich zur Frage, dass die Gewinde, wie es der Käufer behauptet hatte, nachgeschnitten werden mussten, kein Beweis angeboten. Wäre ein solches Beweisangebot erfolgt, dann hätte das Gericht zu dieser Frage Beweis erheben müssen. Hätte die Beweisaufnahme dann den Vortrag des Klägers bestätigt, dann hätte er auch den Rechtsstreit gewonnen.