Die Verwendung moderner Begriffe wie „Digital Native“, „Teambuddy“ oder „dynamisches Team“ ist aus Stellenanzeigen nicht mehr wegzudenken. Sie sollen ein junges, technologieaffines Unternehmensbild vermitteln und Bewerberinnen und Bewerber für moderne Arbeitsumfelder begeistern. Doch Vorsicht: Der Begriff „Digital Native“ kann rechtlich problematisch sein – insbesondere im Lichte des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg (Urteil vom 07.11.2024 – 17 Sa 2/24) zeigt, dass diese Formulierung eine mittelbare Altersdiskriminierung darstellen kann und bestätigte damit das vorausgegangene Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 18.01.2024 (8 CaA 191/23).
Nachfolgend analysieren wir die rechtlichen Grundlagen, die Entscheidung des Gerichts sowie die praktischen Auswirkungen für Arbeitgeber.
I. Rechtlicher Hintergrund: Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt gemäß § 1 AGG unter anderem vor Benachteiligungen wegen des Alters. § 7 Abs. 1 AGG verbietet jede Benachteiligung aus einem in § 1 genannten Grund bei der Stellenausschreibung, Anbahnung und Durchführung eines Arbeitsverhältnisses. Nach § 11 AGG sind Arbeitgeber verpflichtet, Stellenausschreibungen so zu gestalten, dass keine Diskriminierung erfolgt – weder unmittelbar noch mittelbar.
Wird eine Bewerbung abgelehnt und lässt die Stellenausschreibung eine Diskriminierung vermuten, kehrt sich nach § 22 AGG die Beweislast um: Der Arbeitgeber muss dann darlegen und beweisen, dass das Alter nicht ausschlaggebend für die Entscheidung war.
II. Der Fall: „Digital Native“ in der Stellenanzeige
Ein Sportartikelhändler hatte in einer Stellenanzeige formuliert:
„Als Digital Native fühlst Du dich in der Welt der Social Media, der datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen zu Hause.“
Zusätzlich war die Rede von einem „Teambuddy“ für ein „dynamisches Team“. Ein 1972 geborener Diplom-Wirtschaftsjurist mit Führungserfahrung bewarb sich auf die Stelle mit einer Gehaltsvorstellung von 90.000 Euro. Seine Bewerbung wurde abgelehnt.
Der Bewerber klagte auf Entschädigung wegen altersbedingter Diskriminierung. Er argumentierte, dass der Begriff „Digital Native“ eine bestimmte Generation – nämlich Personen, die nach 1980 geboren wurden – anspreche und er aufgrund seines Geburtsjahres von der Bewerbung faktisch ausgeschlossen sei.
III. Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg
Das LAG bestätigte im Ergebnis das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn und sprach dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 7.500 Euro zu.
1. Begriff „Digital Native“ als generationale Zuschreibung
Die 17. Kammer stützte sich auf die Begriffsprägung durch Marc Prensky (2001), der „Digital Natives“ als mit digitalen Technologien aufgewachsene Generation definiert. Auch der Duden und Wikipedia stellen auf diesen generationellen Aspekt ab. Damit verwende der Begriff keine rein fachliche oder technologische Beschreibung, sondern eine altersbezogene.
2. AGG-Vermutung der Diskriminierung
Da der Begriff „Digital Native“ objektiv geeignet ist, eine Alterspräferenz zu signalisieren, greift die Vermutungswirkung des § 22 AGG. Der Arbeitgeber hätte beweisen müssen, dass die Ablehnung des Bewerbers nicht auf dessen Alter beruhte.
3. Gegenbeweis scheitert
Der Arbeitgeber führte an, der Bewerber sei überqualifiziert und habe keine ausreichende Sportaffinität. Beides überzeugte das Gericht nicht. Es fehlte an einem standardisierten Auswahlverfahren, aus dem hervorging, dass die Ablehnung allein aus sachlichen Gründen erfolgt sei.
4. Kein Rechtsmissbrauch
Auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs wurde verworfen. Die Bewerbung des Klägers sei nicht offensichtlich darauf angelegt gewesen, lediglich Entschädigungsansprüche zu generieren. Seine Gehaltsvorstellung sei marktüblich und nicht überzogen gewesen.
IV. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg verdeutlicht, wie sorgfältig Formulierungen in Stellenausschreibungen gewählt werden müssen. Besonders problematisch sind Begriffe, die implizit eine Altersgruppe bevorzugen oder ausschließen könnten. Dazu zählen unter anderem:
- „Digital Native“
- „junges, dynamisches Team“
- „Berufseinsteiger“ ohne nähere Erläuterung
- „maximal drei Jahre Berufserfahrung“
Wird eine solche Sprache verwendet, müssen Arbeitgeber entweder:
- zusätzliche Klarstellungen vornehmen (z. B. „unabhängig vom Alter“), oder
- nachweisbar objektive Kriterien für die Auswahlentscheidung dokumentieren.
V. Fazit: Moderne Sprache mit rechtlicher Vorsicht
Die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ist ein wichtiges Signal an Arbeitgeber und Personalabteilungen: Moderne, locker formulierte Stellenausschreibungen dürfen nicht zu einer mittelbaren Diskriminierung führen. Der Begriff „Digital Native“ ist nicht nur ein Modewort, sondern kann eine altersbezogene Zugangshürde darstellen, die rechtlich sanktioniert wird.
Das AGG verlangt eine diskriminierungsfreie Bewerberauswahl – schon bei der Formulierung der Ausschreibung. Arbeitgeber tun gut daran, ihre Stellenausschreibungen regelmäßig juristisch überprüfen zu lassen, um Risiken nach § 15 AGG (Entschädigung und Schadensersatz) zu vermeiden.
Über die Sinnhaftigkeit der grundsätzlich gut gemeinte Regelungen lässt sich, jedenfalls aus Sicht eines Arbeitgebers, vortrefflich streiten, denn, wer das Unternehmerrisiko trägt, der sollte grundsätzlich auch darüber entscheiden können, welche Mitarbeiter er benötigt, um sein Unternehmen erfolgreich zu führen. Sucht beispielsweise eine Rechtsanwaltskanzlei nach einem Berufsanfänger, dann geht es regelmäßig darum, einen neuen Mitarbeiter nach den Bedürfnissen der Kanzlei auf den Anwaltsberuf vorzubereiten und so auszubilden, dass er am Ende eine wertvolle Stütze wird und vielleicht am Ende irgendwann als Partner in die Kanzlei einsteigt. Für jemanden, der bereits am Ende seiner Berufslaufbahn steht, ist ein solches Stellenprofile nicht geeignet. Am Ende führen die Regelungen des AGG und die dazu immer wieder ergehende Rechtsprechung dazu, dass sowohl Arbeitgeber als auch Bewerber ihre Zeit verschwenden müssen, wenn Kandidaten, um nicht in den Verdacht einer Diskriminierung zu kommen, eingeladen werden müssen, auch wenn sie von vornherein dem Anforderungsprofil nicht entsprechen.