Am 7. Februar haben wir an dieser Stelle von einer besonders dreisten Steuerberaterkanzlei aus dem Oberland berichtet, die ihr Honorar dadurch aufbessert, dass sie die Auslagenpauschale, die an sich dem Ersatz von Telefon- und Portokosten dient, durch einen Trick dazu benutzt, um zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Bei der Erstellung einer Einkommensteuererklärung kommen so beispielsweise statt der üblichen 20 € schnell 100 € und mehr zustande. Das Amtsgericht Wolfratshausen hat nun mit Urteil vom 26.07.2017 (8 C 1136/16) dieser unseriöse Praxis nicht etwa einen Riegel vorgeschoben, sondern – völlig unverständlich – diese abgesegnet.
In Geretsried ansässige Steuerberatungsgesellschaft bessert ihr Honorar mit einer Potenzierung der Auslagenpauschale auf
Steuerberater haben – ebenso wie Rechtsanwälte – neben ihrem Honoraranspruch einen Anspruch darauf, dass ihnen mit der Mandatsbearbeitung entstandene Auslagen ersetzt werden. Werden die Auslagen nicht konkret erfasst, dann sieht das Gesetz dafür eine Pauschale vor, die regelmäßig 20 € beträgt. Für Steuerberater ist dies in § 16 StBVV so geregelt.
Eine in Geretsried ansässiger Steuerberater, der als GmbH firmiert, zockt seine Klienten damit ab, dass er bei der Erstellung von Einkommensteuererklärungen diese Pauschale pro Einkommensteuererklärung nicht nur einmal, sondern mehrfach, und zwar pro Einkunftsart, zum Ansatz bringt. Macht er also beispielsweise eine Steuererklärung für Eheleute, die beide über ein Erwerbseinkommen verfügen, beide Einkünfte aus Kapitalvermögen haben und vielleicht noch über Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verfügen, weil sie eine Wohnung vermieten, dann verlangt er neben seinem Honorar eine Auslagenpauschale von nicht 20 €, sondern 100 € und zwar je 20 € für die Einkünfte aus Erwerbseinkommen, je 20 € für die Einkünfte aus Kapitalvermögen und wiederum 20 € für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Reibt sich sein Klient nach Erhalt der Rechnung verwundert die Augen, weil dies absolut unüblich ist, dann legt er ein Schreiben der Steuerberaterkammer vor, in dem ausgeführt wird, dass dies rechtens sein soll. Wer sich immer noch nicht davon überzeugen lässt, weil Aufwendungsersatz bereits denklogisch bedeutet, dass auch Aufwendungen, beispielsweise Porto oder Telefonkosten, entstanden sein müssen oder jedenfalls entstehen können, was aber nur im Zusammenhang mit der Erstellung der Steuererklärung, nicht jedoch mit der Aufnahme einzelner Positionen, die sich allesamt aus vorgelegten Aufstellungen, Zahlen oder Belegen, wie beispielsweise der Lohnsteuerbescheinigung, ergeben, den zieht er vor Gericht.
Amtsgericht Wolfratshausen billigt unkritisch diese Abrechnungspraxis
Wer nun meint, das Gericht hätte der Abzocke einen Riegel vorgeschoben, der irrt, denn das Amtsgericht Wolfratshausen hat in seinem vorgenannten Urteil die wundersame Mehrung der Auslagenpauschale gebilligt.
Mit unserer Argumentation hat sich die Richterin dabei leider nicht auseinandergesetzt, sondern sich die Sache dahingehend einfach gemacht, dass sie lediglich auf das auch im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Schreiben der Steuerberaterkammer verwiesen hat. Danach sei der Schlüssel für den mehrfachen Anfall der Auslagenpauschale nach § 16 StBVV die Regelung des § 27 StBVV. In dieser Vorschrift ist geregelt, dass der Steuerberater für die Ermittlung des Überschusses aus unterschiedlichen Einkunftsarten jeweils separate Gebühren abrechnen kann. Deshalb soll es ihm auch gestattet sein, so das Gericht, bei der Erstellung einer Einkommensteuererklärung für jede dort aufgeführten Einkunftsart, neben seinem Honorar auch zusätzlich jeweils eine gesonderte Auslagenpauschale zu berechnen.
Dass ein Anwalt, der beispielsweise drei rückständige Mieten für seinen Mandanten geltend macht oder drei offene Rechnungen einklagt nicht dreimal eine Auslagenpauschale, sondern nur einmal eine Auslagenpauschale verlangen kann und das anwaltliche Gebührenrecht und das Gebührenrecht der Steuerberater insoweit identisch sind, hat das Gericht dabei ebenso wenig interessiert, wie der Umstand, dass bereits zuvor das OLG Düsseldorf entschieden hat, dass jede Steuererklärung eine selbständige Angelegenheit ist, woraus folgt, dass bei jeder Steuererklärung die Auslagenpauschale nur einmal anfällt. Die Richterin hat das Urteil vielmehr damit beiseite geschoben, dass sich aus dem Tenor der Entscheidung nicht ergeben habe, dass jede Steuererklärung auch bei mehreren Einkunftsarten nur eine selbständige Angelegenheit ist. Das das OLG auf die Steuererklärung und nicht auf die Anzahl der in dieser erklärten Einkunftsarten abgestellt hat, ist der Richterin entgangen. Das Gericht ist dabei sogar so weit gegangen, dass es unreflektiert dem Steuerberater auch eine Auslagenpauschale für eine Einkunftsart zugesprochen hat, bei der er selbst eingeräumt hatte, dass er nicht einmal den Überschuss aus Einkünften ermittelt, sondern lediglich die Zahl aus der Steuererklärung im Vorjahr übernommen hatte.
Eine solche Argumentation ist weltfremd, denn eine Vielzahl von Steuererklärungen enthält, zumal bei Ehegatten, mehr als eine Einkunftsart. Der Fall verdeutlicht aber auch, dass mangelnde praktische Erfahrung mit einer Angelegenheit eine Entscheidung durchaus beeinflussen kann. Hätte nämlich die Richterin bereits selbst die eine oder andere Steuererklärung mithilfe eines Steuerberaters erstellen lassen, dann hätte sie aus eigener Kenntnis gewusst, was eine Einkommensteuererklärung ist, was die Ermittlung von einzelnen Einkunftsarten ist und dass dabei denklogisch regelmäßig keine Auslagen anfallen, wenn beispielsweise der Steuerberater aus der Lohnsteuerbescheinigung des Arbeitgebers das Einkommen übernimmt, davon den Arbeitnehmerpauschbetrag abzieht und die Differenz in die Steuererklärung einträgt oder so wie hier einfach Zahlen aus der Erklärung des Vorjahres unreflektiert übernimmt.
Wenn Sie also sicherstellen wollen, dass Sie nicht auch bei Ihrem Steuerberater in die „Auslagenpauschalenfalle“ tappen, dann sollten Sie der guten Ordnung halber bei Auftragserteilung klarstellen, dass bei Erstellung einer Einkommensteuererklärung mit mehreren Einkunftsarten die Auslagenpauschale nur einmal berechnet wird.
Der hier erfolgreiche Steuerberater mag sich über seine so zusätzlich erlangten 80 € freuen. Ob die Freude lange anhält ist allerdings zweifelhaft, denn wer so als Dienstleister mit seinen Mandanten umspringt, wird dauerhaft im hart umkämpften Steuerberatermarkt kaum überlebensfähig sein.