Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig, hat er bekanntlich einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Was aber ist, wenn die Arbeitsunfähigkeit dadurch eingetreten ist, weil der Arbeitnehmer einen Wutanfall erlitten und sich dabei selbst verletzt hat? Mit dieser Frage hatte sich das Hessische Landesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 23.07.2013 (4 Sa 617/13) befasst und im Ergebnis dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung zugesprochen.
Der als Warenauffüller in einem Baumarkt beschäftigte Arbeitnehmer hatte nach einer dienstlichen Weisung einen Wutanfall erlitten und dabei mehrfach mit der Faust auf ein in der Nähe aufgestelltes Verkaufsschild aus Hohlkammerschaumstoff geschlagen. Dieses war auf einer Holzstrebe montiert, die der Kläger mehrfach traf. Dabei brach er sich die Hand. Er war vom 9.08. bis 19.09.2012 arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber verweigerte die Lohnfortzahlung mit der Begründung, dass die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet sei.
Das Landesarbeitsgericht gab jedoch dem Arbeitnehmer Recht, denn der Verschuldensbegriff im Entgeltfortzahlungsrecht entspreche nicht dem allgemeinen, zivilrechtlichen Verschuldensbegriff, der auch mittlere und leichte Fahrlässigkeit umfasst, so die Richter. Er erfordere vielmehr einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen. Dieses setze ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus.
Ein solches Verschulden des Klägers liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor, denn es sei nicht ersichtlich, dass der AN seine Verletzung bewusst herbeiführen wollte.
Nach der Auffassung der Richter lag nur mittlere Fahrlässigkeit vor. Der Kläger hätte bei verständiger Betrachtung allerdings damit rechnen müssen, dass er durch die Schläge auf das Schild eine Verletzung riskiert. Gegen eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers spreche jedoch, dass er sich offensichtlich in einem heftigen Wut- und Erregungszustand befand und sich dementsprechend kurzzeitig nicht unter Kontrolle hatte. Das sei nicht zu billigen, aber menschlich gleichwohl nachvollziehbar, da niemand in der Lage sei, sich jederzeit vollständig im Griff zu haben. Der Kläger habe aus Wut und Erregung die erforderliche Kontrolle über sein Handeln verloren. Dies sei sicher leichtfertig gewesen, aber nicht derart schuldhaft, dass von besonderer Leichtfertigkeit oder grober Fahrlässigkeit die Rede sein könne.