Das Internet bringt bekanntlich bei manchen Menschen ungeahnte Seiten ans Tageslicht. Im realen Leben eher schüchtern legen sie ihre Hemmungen ab und werden zu Draufgängern oder Provokateuren. Manche Menschen vergessen auch einfach nur ihre Kinderstube. Dies gilt nicht nur für Verhalten im Online-Chat, sondern gerade Onlinehändler sind oft der Willkür ihrer Käufer, die jegliche Umgangsformen vermissen lassen, ausgesetzt. Im nachfolgend geschilderten Fall hat unsere Kanzlei erfolgreich einen Onlinehändler gegen einen solchen Käufer vertreten und diesem aufgezeigt, dass unredliches und unüberlegtes Verhalten bares Geld kosten kann.
Ausgangspunkt für den Disput war, dass der Käufer auf eBay gekaufte Ware nach einer Woche noch nicht bezahlt hatte und deswegen seitens des Verkäufers an die Zahlung erinnert worden ist. Aber anstatt zu bezahlen, hat er sofort angefangen recht unflätig den Verkäufer zu beschimpfen und wahrheitswidrig behauptet, er habe schon bezahlt. Anschließend hat er den Verkäufer negativ bewertet mit der Behauptung, er habe bereits bezahlt und der Verkäufer würde doppelte Bezahlung verlangen. Später hat er dann gegenüber dem Verkäufer zwar eingeräumt, dass er noch nicht bezahlt habe. Seine unzutreffende negative Bewertung wollte er aber trotzdem nicht entfernen. Anstatt sich zu entschuldigen und die ungerechtfertigte negative Bewertung zurückzunehmen, hat sich der rabiate Käufer nun daran gestört, dass der Verkäufer zwischenzeitlich seinerseits die negative Bewertung damit kommentiert hatte, dass der Käufer die Ware noch nicht bezahlt habe und nun seinerseits mit Klage gedroht.
Das Landgericht München II hat in seinem von unserer Kanzlei erstrittenen Urteil vom 29. Januar 2013 (8 O 4328/12) den rabiaten Käufer verurteilt seine Zustimmung zur Entfernung der negativen Bewertung zu erteilen und dazu ausgeführt:
„I. … Die Klägerin hat den Beklagten mit e- mail vom 28.05.12 um 19:47 Uhr an die Zahlung erinnert, da bei ihr bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Zahlung eingegangen war. Hierauf antwortete der Beklagte mit e-mail vom gleichen Tag um 20:43 Uhr wie folgt:“.. Was soll der Quatsch? Habe über Ihre- und leider nicht über ebay-Verkaufsabwicklung per Paypal bezahlt..“ 10 Minuten später um 20:53 Uhr schrieb er eine weitere e-mail an die Klagepartei:“… Ich fordere Sie auf, meine bereits längstens bezahlte Ware am Dienstag, d.h. morgen, zum Versand zu geben. Sollte die Ware nicht am Donnerstag eintreffen, werde ich bei meinem … Ersatz kaufen, evtl Mehrkosten werde ich gegen Sie geltend machen…“ Mit weiterer e-mail vom gleichen Tag um 21:08 Uhr teilte der Beklagte mit:“… Leider hat die Bezahlung über Ihre Abwicklung wohl doch nicht geklappt, da mein Paypalkonto nicht belastet wurde. Insofern fordere Sie insoweit auf, die Bezahlabwicklung über ebay als Gesamtkauf, d.h. mit einmal Versandkosten mir in Rechnung zu stellen….“ Bereits zuvor um 20:47 Uhr hat der Beklagte den Kläger hinsichtlich des gekauften Produkts … wie folgt negativ bewertet: „Längst mit Paypal bezahlt, reklamiert nochmals die Bezahlung, nie wieder“.
Mit e-mail vom gleichen Tag um 21:26 Uhr hat der Kläger dem Beklagten mitgeteilt, dass er die Ebaykaufabwicklung nicht beeinflussen könne und ihm erklärt, wie er den Kauf über Paypal beschleunigen könne. In der Folgezeit erhielt der Kläger seitens der Firma Paypal die Mitteilung, dass von Seiten des Beklagten um 22:44 Uhr der Zahlungseingang stattgefunden hat.
II. Die Klage ist begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zustimmung zur Rücknahme der durch den Beklagten gegenüber dem Auktionshaus eBay abgegebenen Bewertung gemäß §§ 823 I , 1004 BGB analog bzw. § §280, 241 Abs.2 BGB.
1. Durch seine Behauptungen hat der Beklagte das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin, welches als “ sonstiges Recht“ von § 823 I BGB geschützt wird, verletzt. Er hat auch in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen.
2. Der Eingriff war auch widerrechtlich. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeits- rechts ist die Rechtswidrigkeit i.R. einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessen- und Güterabwägung zu prüfen (Spau in Palandt Rz 85 zu § 823 BGB). Grundsätzlich besteht ein Widerrufs- anspruch dann , wenn die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung feststeht, da an der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung niemand ein berechtigtes Interesse haben kann (vgl Palandt aaO Rz 101a).
3. Bei der Behauptung des Beklagten am 28.05., die Klägerin habe ihn zur Bezahlung ange- mahnt, obgleich er längst mit Paypal bezahlt habe, handelt es sich um eine unwahre Tatsachen- behauptung. Die freundlich und sachlich gehaltene Zahlungserinnerung der Klägerin datiert vom 28.05., 19: 47 Uhr. Selbst nach dem jetzigen Vortrag des Beklagten, wonach er die Ware bereits um 20:33 Uhr bezahlt habe, ist dieser Vortrag unwahr. Die Klägerin hat zu einem Zeitpunkt angemahnt, als die Ware unstreitig, auch nach dem wechselnden und in Anbetracht der mail des Beklagten vom 28.05., 21:08 Uhr, nicht nachvollziehbaren Vortrag des Beklagten, noch nicht bezahlt war.
4. Bei der weiteren Behauptung des Beklagten „nie wieder“, handelt es sich zwar um eine Wertung, die aber ausschließlich auf der zuvor angeführten unzutreffenden Tatsachenbehauptung beruht, die daher eklatant gegen das in § 6 der eBay-AGB enthaltenen Sachlichkeitsgebot verstößt und damit nicht schutzwürdig ist.
5. Entgegen der Auffassung des Beklagten kann er sich nicht auf den Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit gem. § 242 BGB berufen. Zwar hat der Verkäufer nach Anlage B13 grund- sätzlich die Möglichkeit, die Überarbeitung einer Bewertung zu beantragen. Dies führt allerdings lediglich zu einer Weiterleitung seines Antrags durch ebay an den Käufer mit Frist zur Stellungnahme. Der Käufer kann dann nur selbst die Bewertung überarbeiten; weder ebay noch der Ver- käufer können ausweislich der Anlage B 13 von sich aus eine Bewertung des Käufers ändern. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass er auf einen entsprechenden Überarbeitungsantrag des Klägers hin bereit gewesen wäre, seine Bewertung zu ändern. Davon ist angesichts des vor- gerichtlichen Schriftwechsels (insbesondere der unbeantworteten e-mail vom 28.05.12) und des vor dem Amtsgericht Nürtingen durch den Beklagten geführten Prozesses nicht auszuge- hen.
6. Der Anspruch der Klägerin ist auch durchsetzbar. Dem Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB dergestalt zu, dass die Klägerin ihm anbieten muss, ihre Antwort auf sei- ne Bewertung zu löschen bzw zu dieser Löschung ihre Zustimmung zu erteilen. Fraglich ist bereits, ob der Beklagte einen Löschungsanspruch bezüglich der Anwort, dass der “ Artikel wie die anderen 3 noch nicht bezahlt und über ebay angemahnt“ sei, da zwischenzeit- lich eine Bezahlung stattgefunden hat und die Tatsachenbehauptung zwischenzeitlich unwahr geworden ist, hat. Zum Zeitpunkt der Bewertung durch den Beklagten war die Behauptung jeden– Seite 8 falls zutreffend. Die Klägerin kann auch ihre berechtigten Interessen wahrnehmen und auf unrichtige Tatsachenbehauptungen mit einem zutreffenden Kommentar reagieren. Außerdem ist diesr Kommentar ausweislich der Anlage B 8 nur unter der Rubrik“ vom Beklagten für andere Mitglieder angegebene Bewertungen“ sichtbar. Selbst wenn man einen Löschungsanspruch des Beklagten bejahen sollte, so wäre es dem Be- klagten jedenfalls gem. § 242 BGB vorliegend verwehrt, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Löschung der Antwort durch die Klageseite zu berufen, da er die Ursache für die Antwort der Klägerin gesetzt hat und nicht nachvollziehbar ist, dass bei einer Löschung seiner unwahren Tatsachenbehauptung die Antwort der Klägerin allein im System stehen bliebe. Es ist davon aus- zugehen dass diese bei einer Löschung der Bewertung mitgelöscht wird, so dass vor diesem Hintergrund das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten ins Leere geht und dessen Ausübung hier rechtsmissbräuchlich ist.
7. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280,286 BGB in der geltend gemachten Höhe von EUR 459,40 (1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von EUR 20). Zum Zeitpunkt der Ein-schaltung des Klägervertreters befand sich der Beklagte im Verzug.“
Hinweis:
Das vom Käufer angestrengte Verfahren auf Unterlassung der Gegenbewertung blieb dagegen erfolglos. Das Amtsgericht Nürtingen (42 C 1182/12) hat die Klage mit Urteil vom als unbegründet zurückgewiesen.