Schwerbehinderte Menschen genießen im Arbeitsrecht besonderen Schutz. So können beispielsweise Kündigungen nur nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamts wirksam ausgesprochen werden. Im öffentlichen Dienst werden schwerbehinderte Menschen regelmäßig bei gleicher Eignung bevorzugt. Insbesondere bei der Übernahme ins Beamtenverhältnis gelten für schwerbehinderte Menschen weniger strenge gesundheitliche Anforderungen an die Eignung als bei gesunden Bewerbern.
Als schwerbehindert gilt man dann, wenn der Grad der Behinderung mehr als 50 % beträgt. Es gibt aber eine weitere Personengruppe, die einen gesetzlich geregelten Anspruch darauf hat, mit schwer behinderten Menschen gleichgestellt zu werden. Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50 % aber wenigstens 30 % sollen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder erhalten können, § 2 Abs. 3 SGB IX.
Was aber ist, wenn jemand zu dieser Personengruppe zählt und schon einen Arbeitsplatz hat, aber eine Gleichstellung benötigt, um eine besser dotierte Position zu erlangen? Diese Frage hat nun das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 06.08.2014 (B 11 AL 5/14 R) entschieden und auch in derartigen Fällen eine Gleichstellungsanspruch bejaht.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin war seit 2002 als Justizfachangestellte im mittleren Dienst in Vollzeit beschäftigt. Bei ihr wurde ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt. Im Juli 2009 bewarb sie sich für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin im gehobenen Dienst. Die Finanzbehörde stellte nach dem Gespräch eine Einstellung in Aussicht, lehnte diese aber nach ärztlicher Untersuchung ab, weil die Klägerin nicht die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis erforderliche gesundheitliche Eignung besitze.
Zur Begründung ihres Antrags auf Gleichstellung bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit vom September 2010 führte die Klägerin aus, sie benötige die Gleichstellung, um die Stelle als Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde erlangen zu können. Die Beklagte lehnte den Antrag ab.
Eine Gleichstellung sei nicht möglich, da die Klägerin einen sicheren Arbeitsplatz habe und die Gleichstellung nicht den beruflichen Aufstieg fördern solle. Widerspruch und die Klage sind erfolglos geblieben.
Auf die Berufung hat das LSG die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Dies sei erforderlich, damit sie den angestrebten Arbeitsplatz erlangen könne.
Das Bundessozialgericht hat das Urteil bestätigt und die Revision der Bundesagentur für Arbeit zurückgewiesen. Diese bleibt also zur Gleichstellung verpflichtet. Die Klägerin bedarf der Gleichstellung, um den konkret angestrebten neuen Arbeitsplatz erlangen zu können. Sie besitzt auch die gesundheitliche Eignung für diese Tätigkeit, da sie schon bisher eine Bürotätigkeit in Vollzeit verrichtet hat.
Auch der Ursachenzusammenhang zwischen ihrer Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung besteht. Dieser ist anzunehmen, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung den von ihm angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen kann.
Das ist hier der Fall, weil die Klägerin die spezifischen gesundheitlichen Anforderungen für eine Einstellung in das Beamtenverhältnis ohne Gleichstellung nicht erfüllt. Nach Gleichstellung dürfte sie den gewünschten Arbeitsplatz erlangen können, weil für schwerbehinderte und gleichgestellte Personen weniger strenge gesundheitliche Einstellungsanforderungen gelten.