Am 07.01.2019 haben wir darüber berichtet, dass nach zwei aktuellen Entscheidungen des EuGH bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG nur dann verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig auf den Verfall hingewiesen und ihm die Möglichkeit eingeräumt hat, den Urlaub in Natur zu nehmen.
Das LAG Köln hat nun in seinem Urteil vom 09.04.2019 (4 Sa 242/18) unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH ein anderslautendes Urteil des Arbeitsgerichts Köln aufgehoben und einen Arbeitgeber nach beendetem Arbeitsverhältnis zur Abgeltung von Urlaub für die Jahre 2014 – 2016 verurteilt, weil dieser den Arbeitnehmer nicht im vorgenannten Sinne über den Verfall des Urlaubs für das Kalenderjahr, aber auch die vorangegangenen Jahre, belehrt hatte.
Arbeitszeitverkürzung gegen Urlaubsverrechnung vereinbart
Im entschiedenen Rechtsstreit war der Kläger bei der Beklagten, einer Apotheke, mehrere Jahre als Bote beschäftigt. Im Arbeitsvertrag fand sich eine Regelung, dass eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich vereinbart ist, der Kläger aber auf eigenen Wunsch gegen Verrechnung von Urlaub nur 27,5 Stunden/Woche zu arbeiten brauche.
Der Kläger hat dann auch stets nur die vereinbarten 27,5 Stunden wöchentlich gearbeitet, während er für 30 Stunden/Woche bezahlt worden ist. Darüber hinausgehenden Urlaub hat er während dem bestehenden Arbeitsverhältnis nicht verlangt. Nachdem das Arbeitsverhältnis Anfang 2017 sein Ende gefunden hat, verlangte er von seinem Arbeitgeber für die Jahre 2014 – 2016 Ausgleich für nicht gewährten Urlaub.
Der Arbeitgeber hat sich damit verteidigt, dass dem Arbeitnehmer schon deshalb kein Urlaub mehr zustünde, weil aufgrund der Verrechnungsabrede der Urlaub in Natur gewährt worden sei; jedenfalls seien aber die Urlaubsansprüche jeweils zum Jahresende verfallen, weil der Arbeitnehmer keinen über die Verrechnung hinausgehenden Urlaub beansprucht habe.
LAG verurteilt Arbeitgeber zu Urlaubsabgeltung
Während die Klage vor dem Arbeitsgericht noch erfolglos blieb, haben die Richter am LAG den Arbeitgeber zur Zahlung von Urlaubsabgeltung verurteilt. Das Gericht hat dies damit begründet, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers regelmäßig nur dann am Ende des Kalenderjahres erlöschen würde, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt habe. Diese Belehrungspflicht beziehe sich nicht nur auf das laufende Kalenderjahr, sondern – so die Richter – auch auf den Urlaub aus den vorangegangenen Jahren.
Urlaubsanspruch nicht durch Verrechnungsabrede erfüllt
Nach Auffassung des Gerichts sind die Urlaubsansprüche des Klägers nicht durch die geringere geleistete Arbeitszeit, wie dies vertraglich vereinbart war, erfüllt worden, denn eine bloße wöchentliche Arbeitszeitverkürzung stelle keinen Erholungsurlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetz dar.
Urlaubsanspruch mangels Belehrung auch nicht verfallen
Weiter haben die Richter ausgeführt, dass die Urlaubsansprüche auch nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen sind, denn unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben verfalle der Urlaub eines Arbeitnehmers regelmäßig nur dann, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor konkret aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen und den klar rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub andernfalls mit Ablauf des Urlaubsjahrs oder des Übertragungszeitraums löschen werde. Nach Auffassung der Richter bezieht sich dabei die Obliegenheit des Arbeitgebers nicht nur auf das laufende Kalenderjahr, sondern nach deren Verständnis der Vorgaben des EuGH auch auf die vorangegangenen Jahre.
Anmerkung:
Die Rechtsprechung ist bisher ein Einzelfall, könnte aber für Arbeitgeber, sollte sie sich durchsetzen, gravierende Folgen haben. Dem Arbeitgeber wird hier nämlich nicht nur die Pflicht aufgebürdet, künftig penibel die Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer im Auge zu behalten, um der nach den Vorgaben des EuGH geltenden Belehrungspflicht zu entsprechen, und die erfolgte Belehrung, damit dies im Falle eines Rechtsstreits auch bewiesen werden kann, entsprechend zu dokumentieren, sondern auf Arbeitgeber könnten auch erhebliche Nachforderungen der Arbeitnehmer nachkommen. Denkt man die Entscheidung nämlich konsequent zu Ende, dann könnten Arbeitnehmer nachträglich nicht genommenen Urlaubstage aus vergangenen Jahren, die bislang verfallen waren, einfordern. Insoweit bliebe abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit solchen Forderungen für die Vergangenheit, in der die Belehrungspflichten jedenfalls nach nationalem deutschen Recht nicht bestanden haben, umgehen wird.
Einziger Wermutstropfen ist, dass die Verschärfung grundsätzlich nur für den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz gilt, nicht aber für Mehrurlaub, der von Arbeitgebern arbeitsvertraglich individuell zusätzlich gewährt wird.