Einstellungsbetrug ist ein Albtraum für jeden Arbeitgeber. Davon spricht man, wenn ein Bewerber im Rahmen seiner Bewerbung vorgibt über Kenntnisse und Fähigkeiten zu verfügen, die er in Wahrheit gar nicht besitzt. In derartigen Fällen zieht der Arbeitgeber regelmäßig die Reißleine durch eine zeitnahe Probezeitkündigung. Dass er dann allerdings selbst vor Gericht landet, weil ihm der Arbeitnehmer untersagen lassen möchte, von Einstellungsbetrug zu sprechen, ist eher selten.
Mit Urteil vom 27.12.2017 hat das Amtsgericht Wolfratshausen (1 C 309/17) zugunsten eines von unserer Kanzlei vertretenen Geschäftsführers entschieden, dem nachvertraglich der gekündigte Arbeitnehmer einen Maulkorb verpassen und untersagen lassen wollte, dass er die Täuschung bei der Einstellung als Einstellungsbetrug qualifiziert.
Neu eingestellter Arbeitsvorbereiter kann nicht kalkulieren
Gesucht war ein Mitarbeiter für die Arbeitsvorbereitung. Zu dessen Aufgaben zählt es bei einem mittelständischen Maschinenbauer Angebote für Fertigungsaufträge zu kalkulieren. Hierzu gehört insbesondere das Kalkulieren der Fertigungszeiten anhand von Zeichnungen, z.B. hinsichtlich der Fräs- und Schweißarbeiten. Hinsichtlich der Fräzeiten ist beispielsweise wiederum zu kalkulieren, welches Werkzeug bzw. welche Maschine zum Einsatz kommen soll und welche Fertigungsgeschwindigkeit und Fertigungsdauer sich hieraus ergibt. Auch weitere Arbeitsschritte wie Drehen müssen zeitmäßig kalkuliert und in die Gesamtkalkulation eingestellt werden. Diese Zeiten sind nicht in betriebsinternen Listen aufgeführt; vielmehr ist die Berechnung dieser Zeiten gerade Grundaufgabe der Arbeitsvorbereitung.
Im Rahmen der Bewerbung, die über einen eingeschalteten Personalvermittler, erfolgt war, gab der Bewerber an, über umfangreiche Berufserfahrung in der Arbeitsvorbereitung zu verfügen. Dies nicht nur mündlich gegenüber dem Personalvermittler und dem späteren Arbeitgeber, sondern auch in seiner schriftlichen Bewerbung im Lebenslauf sowie im vorgelegten Unterlagen.
Bereits im ersten Monat der Probezeit stellte sich heraus, dass der neue Arbeitnehmer über die behaupteten Fähigkeiten nicht verfügt. Nicht nur der bisherige Arbeitsvorbereiter, der den neuen Kollegen während der Einarbeitung unterstützen sollte, stellt frappierende Mängel fest, sondern auch Projektleiter äußern sich dazu, dass die von der neuen Arbeitsvorbereitung erstellten Kalkulationen völlig unbrauchbar sind.
Der Arbeitgeber zieht daraufhin die Reißleine und kündigt während der Probezeit.
Arbeitgeber hält gekündigtem Arbeitnehmer Einstellungsbetrug vor
Der gekündigte Arbeitnehmer meldete sich sofort arbeitsunfähig krank und erscheint nicht mehr in Betrieb. In der sich daran anschließenden E-Mail Korrespondenz, mit der der gekündigte Arbeitnehmer Arbeitsbescheinigung und Arbeitszeugnis fordert, wird diesem anheimgestellt, diese im Betrieb abzuholen und bei der Gelegenheit auch gleich über die nutzlos an den Personalvermittler gezahlte Vermittlungsprovision zu sprechen. Der Geschäftsführer führt dabei aus:
„Sie haben einen Einstellungsbetrug begangen. Unter Vortäuschung von Fähigkeiten, welche essentiell wichtig für die ausgeschriebene Stelle sind, haben Sie sowohl mich als auch H. … von .. getäuscht.“
Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin, dass der Geschäftsführer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt und sich verpflichtet zu unterlassen weiterhin zu behaupten, dass er Einstellungsbetrug begangen habe. Da die Erklärung nicht abgegeben wird landet der Rechtsstreit schließlich vor Gericht.
Amtsgericht Wolfratshausen weist die Klage ab
Das Amtsgericht Wolfratshausen vermochte den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht zu erkennen und hat die Klage abgewiesen.
Nach Überzeugung des Gerichts hatte der Kläger Einstellungsbetrug begangen
Das Gericht hat die Klageabweisung zunächst darauf gestützt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers schon nicht verletzt worden ist, weil die Behauptung nach der erfolgten Beweisaufnahme der Wahrheit entsprach. Es hat dazu ausgeführt:
„…
b) Zur Überzeugung des Gerichts hat der Kläger behauptet, umfangreiche Berufserfahrung in der Arbeitsvorbereitung zu haben. Dies hat insbesondere der Zeuge … bestätigt, der angab, dass der Kläger ihm einen Lebenslauf und Zertifikate mit entsprechenden Angaben vorgelegt habe und dass diese Qualifikationen im persönlichen Bewerbungsgespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten, bei dem der Zeuge … anwesend war, erneut abgefragt und vom Kläger bestätigt worden seien.
c) Das Gericht ist davon überzeugt, dass diese klägerische Behauptung unwahr gewesen ist und der Kläger tatsächlich keine Berufserfahrung in der Arbeitsvorbereitung hatte.
Der Kläger hat zum Nachweis seiner Kenntnisse und Berufserfahrung in der Arbeitsvorbereitung einzig ein insoweit nicht aussagekräftiges Prüfungszeugnis über die Meisterprüfung im Mechanikerhandwerk, Anlage K 6, vorgelegt. Der Beklagte hat dagegen angegeben, dass der Beklagte die zugesicherte Berufserfahrung in der Arbeitsvorbereitung nicht hatte. Diese Angaben des Beklagten wurden zum einen durch die Aussage des Zeugen … bestätigt. Denn der Zeuge … gab schlüssig und glaubhaft an, dass selbst er als Projektleiter außerhalb der Arbeitsvorbereitung die Unbrauchbarkeit der vom Kläger erstellten Kalkulationen festgestellt habe. Zum anderen wurden diese Angaben auch durch den Zeugen Manfred … bestätigt. Der Zeuge … hat glaubhaft angegeben, dass der Kläger nicht kalkulieren und nicht einschätzen konnte, welche Zeiten anzusetzen sind. Sehr deutlich hat der Zeuge … die vom Kläger kalkulierten Ergebnisse dergestalt bewertet, dass „das so nicht ging“, da der Kläger bis zu das Doppelte der tatsächlich erforderlichen Fertigungszeiten kalkulierte und weder Schweiß- noch Drehzeiten noch andere Arbeitsvorgänge, die zum Maschinenbau dazugehören, einschätzen konnte. Überzeugend hat der Zeuge … dargelegt, dass er nicht den Eindruck hatte, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung einer gewissen Einlernzeit die geforderten Fähigkeiten haben würde, sondern der Kläger „keine Erfahrung mitbringe“.
Amtsgericht Wolfratshausen verneint auch Gefahr einer weiteren Beeinträchtigung
Nach Auffassung des Amtsgerichtes Wolfratshausen war im vorliegenden Fall auch keine Wiederholungsgefahr zu besorgen. Es hat dazu ausgeführt:
„Darüber hinaus ist das Gericht auch nicht von der gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen überzeugt. Der Beklagte kann sich gegenüber potentiellen zukünftigen Arbeitgebern des Klägers auch ohne die Wie-derholung des Vorwurfs einer Täuschung über Tatsachen durch den Kläger, mithin allein über die (fehlenden) fachlichen Qualifikationen des Klägers erklären. Hinsichtlich der Behauptung eines Einstellungsbetrugs besteht daher keine erkennbare Wiederholungsgefahr gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.“
Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht wäre aber auch gerechtfertigt
Abgerundet hat das Amtsgericht Wolfratshausen sein Urteil dann damit, dass ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers jedenfalls gerechtfertigt wäre, weil im Wege der praktischen Konkordanz die durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit des Beklagten das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers überwiegen würde. Das Gericht hat dazu ausgeführt:
„Auf Seite des Klägers würde das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG streiten. Dieses wäre aber nur geringfügig berührt. Der Beklagte hat die streitgegenständliche Behauptung nicht öffentlich in Gegenwart Dritter, sondern in einer ausschließlich an den Kläger adressierten E-Mail getätigt. Es besteht daher kein Anlass zu besorgen, dass der Kläger in Zukunft diese Behauptung verbreiten wird, ohne explizit von einem anderen Arbeitgeber in der Bran-he auf die Fähigkeiten des Klägers angesprochen zu werden. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers wäre daher lediglich in diesem einen Szenario betroffen. Ferner ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte gegenüber potentiellen zukünftigen Arbeitgebern des Klägers gerade genausogut ausschließlich über die (fehlenden) fachlichen Qualifikationen des Klägers erklären kann, ohne den Vorwurf einer Täuschung über Tatsachen zu wiederholen.
Die in Betracht kommende Beeinträchtigung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts wäre daher als geringfügig zu bewerten.
Demgegenüber würde auf Beklagtenseite die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG streiten. Be-deutsam ist insoweit der Kontext der Aussage. Denn die Beklagtenseite machte gegenüber dem
Kläger gerade eine zivilrechtliche Forderung, nämlich den Ersatz nutzlos an die Personalvermittlung … Gezahlter Vermittlungsprovision geltend. Der Vorwurf eines Einstellungs-betrugs erfolgte daher nicht zur Herabwürdigung des Klägers, sondern zur Geltendmachung eigener zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche aufgrund vorvertraglicher Pflichtverletzungen. Dies verleiht der Meinungsfreiheit des Beklagten zusätzliches Gewicht. Selbst einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einmal unterstellt würde dieser demnach in einer Abwägung von der Meinungsfreiheit des Beklagten überwogen werden.“
Der Fall verdeutlicht, dass gerade das Äußerungsrecht eine rechtlich komplexe und komplizierte Materie ist, die Spezialkenntnisse erfordert. Nämlich auch, wenn so wie hier auf den ersten Blick eine Äußerung angreifbar scheint, gibt es auf den zweiten Blick viele Hürden, die es zu überwinden gilt, bis tatsächlich ein Unterlassungsanspruch durchgesetzt werden kann.