An dieser Stelle haben wir mehrfach davon berichtet, dass landauf und landab in Unternehmen beschäftigte Freelancer von der Rentenversicherung als abhängig Beschäftigte sog. Scheinselbständige eingestuft werden und damit die Auftraggeber nachträglich wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge gehörig zur Kasse gebeten werden. Die Beträge, die nachgezahlt werden müssen, sind erheblich, weil die Zahlungen, die auf die Rechnungen des „Scheinselbständigen“ gezahlt worden sind als Nettolohnabreden verstanden werden. Unter Zugrundelegung der Steuerklasse VI werden dann für die Auftraggeber die Nachzahlungen berechnet. Diese können schnell, weil auch noch Verspätungs- und Säumniszuschläge draufgeschlagen werden, schnell mehrere 100.000 € betragen und damit existenzvernichtend sein. Besonders ärgerlich aus Arbeitgebersicht ist, dass kein Auftraggeber derart hohe Zahlungen, wie er sie an den Freelancer bezahlt hat, an einen Arbeitnehmer geleistet hätte. Ein Rückgriff auf die vormaligen Freelancer, wenn diese nachträglich als Scheinselbständige eingestuft werden, ist auf Ebene des Sozialversicherungsrechts nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.
Änderung im Status führt zu erheblichen Überzahlungen für die Vergangenheit
Ist der Scheinselbständige Arbeitnehmer, dann hat er grds. nicht mehr Anspruch auf sein vormaliges Honorar, sondern nur noch auf die übliche Vergütung. Bei der Differenz handelt es sich um eine Überzahlung, die vom Arbeitgeber zurückgefordert werden kann.
Wer so als Arbeitgeber arg gebeutelt worden ist, der sollte unbedingt weiterlesen, denn auf Ebene des Arbeitsrechts lässt sich, abgesegnet vom Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 26.06.2019, 5 AZR 178/18), ein auf § 812 Abs. 1 BGB gestützter bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch konstruieren. Stellt sich nämlich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, dann kann nach Auffassung der obersten Arbeitsrichter nicht davon ausgegangen werden, dass die für die freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer vereinbart gewesen wäre. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn dafür besondere Anhaltspunkte bestehen, für die der Arbeitnehmer die Darlegungslast trägt. Andernfalls ist nach § 612 Abs. 2 BGB lediglich die übliche Vergütung geschuldet. Der Arbeitgeber kann dann die Differenz zur tatsächlichen Zahlung auch bei beendetem Arbeitsverhältnis verlangen. Er muss sich lediglich die im Arbeitsverhältnis geschuldete Bruttovergütung und den hierauf entfallenden Arbeitgeberanteil am Gesamtsoll Fertigungsauftrag anrechnen lassen. Das Ganze gilt übrigens gleichgültig, ob Ihnen der Scheinselbständige den Ärger eingebrockt hat, weil er eine Statusverstellung beantragt hat oder aber eine Prüfung der Rentenversicherung oder des Zolls zur Statusänderung des Mitarbeiters geführt hat.
Auch Ansprüche des Arbeitgebers, die viele Jahre zurückliegen, sind oft nicht verjährt
Sollten also auch Sie als Arbeitgeber von der Sozialversicherung zur Kasse gebeten worden sein, dann haben Sie gute Chancen einen Teil des Geldes zurückzubekommen, auch wenn dies schon Jahre zurückliegt, denn die 3-jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst im Zeitpunkt der rechtsbeständigen gerichtlichen Feststellung des Arbeitnehmerstatus oder einer abschließenden außergerichtlichen Klärung. Wenn Sie also vor dem Sozialgericht gegen die Nachforderungen der Rentenversicherung klagen, dann kommt es maßgeblich auf die Rechtskraft der Entscheidung des Landessozialgerichts für den Verjährungsbeginn an. Nach Auffassung der Richter am BAG ist nämlich einem Arbeitgeber eine frühere Inanspruchnahme des Mitarbeiters nicht zumutbar, weil er dann, gegen seinen eigenen Vortrag im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem er die Selbständigkeit behauptet, argumentieren müsste.
Wir helfen! Haben auch Sie Probleme mit Scheinselbstständigkeit? Wir beraten und unterstützen Sie gerne, sowohl im Umgang mit der Rentenversicherung, dem Zoll, der Staatsanwaltschaft oder eben bei der Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern.