Wir hatten an dieser Stelle bereits des Öfteren von einem sog. AGG-Hopper, also einer Person, die sich nur zum Schein auf fehlerhafte Stellenanzeigen bewirbt, um anschließend Entschädigungsansprüche wegen vermeintlicher Diskriminierung nach dem AGG geltend zu machen, berichtet. Zahlt der Arbeitgeber nicht freiwillig, dann zieht der streitlustige Scheinbewerber munter vor Gericht. Während uns mit schöner Regelmäßigkeit dieser Bewerber in der Vergangenheit nur vor dem Arbeitsgericht München begegnet ist, hat sich offensichtlich sein Geschäftsmodell als so lukrativ herausgestellt, dass der gelernte Bankkaufmann seinen „Tätigkeitsbereich“ ausgeweitet und nun sogar eine in Berlin ansässige und von unserer Kanzlei vertretene Firma, bei der er sich auf eine für 60 Monatsstunden befristete Teilzeittätigkeit beworben hatte, vor dem Arbeitsgericht Berlin verklagt. Die Bewerbung war deshalb erfolgt, weil die Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral, sondern weiblich formuliert war, und der Kläger dadurch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts gerügt hat. Diesmal hat der Kläger, der offensichtlich aufgrund seines boomenden Geschäftsmodells unvorsichtig geworden ist, die Rechnung ohne die Berliner Richter gemacht, die seine Klage kurzerhand mit Urteil vom 19.02.2018 (19 Ca 3687/17) abgewiesen haben. Die Vorgehensweise des Klägers war bislang so, dass er zunächst den potentiellen Arbeitgeber angeschrieben und von diesem eine Zahlung dafür verlangt hat, dass er von einer Klage Abstand nimmt. Meist hatte dabei gleich darauf verwiesen, dass eine Zahlung an ihn kostengünstiger sei, als wenn der Arbeitgeber einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragt, weil im arbeitsgerichtlichen Verfahren in erster Instanz keine Kostenerstattung stattfindet, so dass der Arbeitgeber auf jeden Fall dann Anwaltskosten zu bezahlen habe. Ist ein Arbeitgeber darauf nicht eingegangen, dann hat der Kläger regelmäßig darauf spekuliert, dass in dem Gütetermin, in dem kein Urteil ergehen kann, das Arbeitsgericht einem unwillige Arbeitgeber eine Lästigkeitszahlung nahelegt, um einen unwirtschaftlichen Rechtsstreit zu vermeiden. Hat sich dann ein Arbeitgeber auch hierdurch nicht ins Bockshorn jagen lassen, dann hoffte der Kläger darauf, dass im Kammertermin ein Gericht nochmals dem Arbeitgeber ins Gewissen redet, ob er nicht doch bereit sei, dem Kläger einige 100 € zu bezahlen, um sofort Rechtsfrieden zu haben. Hat das Arbeitsgericht dann nicht in diesem Sinne reagiert, sondern musste der Kläger befürchten, dass nun seine Klage abgewiesen wird, dann hat er dies regelmäßig dadurch verhindert, indem er kurzfristig die Klage zurückgenommen hat. Beim Arbeitsgericht besteht nämlich die Besonderheit, dass bei einer Klagerücknahme für den Kläger keine Gerichtskosten anfallen. Nachdem der Kläger sich stets selbst vertreten hat hatte auch keine Anwaltskosten, sodass das Ganze für ihn kostenneutral war. Hier hatte offensichtlich nicht gewusst, dass in Berlin eine solche Trennung zwischen Gütetermin und Kammertermin nicht stattfindet, sondern wie im normal Zivilprozess der Gütetermin nahtlos in den Kammertermin, also die streitige Verhandlung, übergeht, so dass eine Klageabweisung noch im Anschluss an die mündliche Verhandlung erfolgt ist.
Stellenanzeige in einem Anzeigenblatt in Miesbach verleitet Kläger dazu sich bei einer Berliner Firma zu bewerben
Der Kläger durchsucht systematisch Tageszeitungen und Anzeigenblätter im Großraum München auf fehlerhafte Stellenanzeigen. Immer dann, wenn einem Unternehmen dahingehend ein Fehler unterlaufen ist, dass die Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert ist oder aber so formuliert ist, dass sich ältere Arbeitnehmer diskriminiert fühlen könnten (Stichwort: junges, dynamisches Team) bewirbt er sich zum Schein. Seine Bewerbungen sind meistens schon so verfasst, dass kein vernünftiger Arbeitgeber Interesse daran hat, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Manchmal verweist er sogar gleich in der Bewerbung darauf, dass er diskriminiert werde, wenn er nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird.
Er ist dann in einem Anzeigenblatt in Miesbach fündig geworden. Dort hatte ein Unternehmen eine Teilzeitstelle für maximal 60 Stunden/ Monat ausgeschrieben, ohne anzugeben, wo der Arbeitsort sein soll. Zu besetzen war eine Stelle in einem Laden in Rottach-Egern. Dies ging aber aus der Anzeige nicht hervor. Der Kläger bewarb sich umgehend bei der Berliner Firma. Er hatte auch nicht etwa vorher Kontakt aufgenommen, um nachzufragen, was für eine Stelle es sich überhaupt handeln würde.
Kläger erhebt 3 Wochen nach Eingang der Bewerbung Klage zum Arbeitsgericht und behauptet Diskriminierung wegen des Geschlechts nach dem AGG
Der Kläger, der in früheren Verfahren oft unmittelbar Kontakt mit den potentiellen Arbeitgebern aufgenommen und Geld dafür gefordert hat, dass er von einer Klage Abstand nimmt, hatte es diesmal offenbar sehr eilig, denn bereits 3 Wochen nach Eingang der Bewerbung und noch bevor er eine Absage erhalten hat, hat er Klage zum Arbeitsgericht Berlin eingereicht.
Was der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass die Stellenanzeige gar nicht von der Firma, die er verklagt hatte, geschaltet worden war, sondern von einer weiteren Firma, in der das Personal ausgegliedert ist. Obwohl diese dem Kläger dann zu einem Vorstellungsgespräch mittels E-Mail vom 08.05.2017 nach München eingeladen hatte, hat der Kläger darauf nicht reagiert, sondern stattdessen die Klage mit Schriftsatz vom 19.06.2017 erweitert.
Wie auch in allen übrigen Verfahren in denen wir bisher mit dem gelernten Bankkaufmann zu tun hatten, bestand die Klageschrift auch hier aus wild zusammengewürfelten Textbausteinen, die schwerpunktmäßig aus arbeitsgerichtlichen Urteilen entnommen wurden, und die aus sich heraus selbst kaum verständlich waren. In der Sache behauptet er hier wieder, er habe sich ernsthaft um die ausgeschriebene Stelle beworben und aufgrund der lediglich in der weiblichen Form gewählten Ausschreibung sei ein Indiz dafür gesetzt, dass sich seine Nichtberücksichtigung auf sein Geschlecht Gründe.
Weiter behauptete er, er habe sich fernmündlich über den Arbeitsort informiert und die Einladung zum Personalgespräch habe er nicht erhalten.
Während er in München die Gerichtstermine stets selbst wahrnimmt, hat er sich die Reise nach Berlin gespart hat. Stattdessen hat er sich anwaltlich vertreten lassen. Besonders kurios war dabei, dass er bestritten hatte, die per E-Mail versandte Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten zu haben. Zum Beweis dafür hatte sein Anwalt dann angegeben, der Kläger habe ihm Zugang zu seinem E-Mail-Postfach gewährt und er konnte sich in den Posteingängen davon überzeugen, dass eine solche E-Mail nicht vorhanden war …
Insgesamt forderte der Kläger die Zahlung von 2.700 €.
Keine ernsthafte Bewerbungsabsicht des Klägers
Das Arbeitsgericht Berlin ist dann allerdings vollumfänglich unserer Argumentation gefolgt, dass keine Diskriminierung des Klägers vorgelegen hatte, weil er schon keine ernsthafte Bewerbungsabsicht hatte. Im Einzelnen hat das Gericht dazu ausgeführt:
„1. Der Kläger ist nicht diskriminiert worden, da er von vornherein keine ernsthafte Bewerbungsabsicht hatte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er sich bei der Beklagten zu 1) in Berlin beworben hat. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger, in München ansässig, sich um eine Stelle in Berlin bewirbt, die lediglich mit 60 Monatsstunden ausgeschrieben ist. Die behauptete fernmündliche Erkundigung ist unsubstantiiert vorgetragen worden. Gestützt wird diese Feststellung dadurch, dass der Kläger bereits knapp drei Wochen nach dem Datum der Bewerbung Klage eingereicht hat, ohne vorher eine Absage erhalten zu haben.
2. Darüber hinaus hat er die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch in München nicht angenommen. Die Behauptung, er habe die elektronische Mitteilung nicht erhalten, ist nicht näher substantiiert worden.“
Richter setzen sich auch kritisch mit der Prozessführung des Klägers auseinander
Für die Berliner Richter war auch bereits die Klageschrift des Klägers ein Indiz dafür, dass es ihm nicht ernsthaft um die Kompensation einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung gegangen war:
„Das es ist dem Kläger nicht ernsthaft um die Kompensation einer geschlechtsbezogenen Benachteiligung geht, zeigt schließlich auch die vorliegende Klageschrift. Es handelt sich um eine Aneinanderreihung von Textbausteinen, die kaum einen Sinnzusammenhang ergeben und eine willkürliche Anfügung aller möglichen Dokumente ohne Bezug zum konkreten Fall. In ähnlicher Weise sind im Übrigen auch die Anlagen zu seiner Bewerbung sortiert.
Mithin ist offenkundig, dass es dem Kläger niemals um eine ernsthafte Bewerbung auf die ausgeschriebene Stelle ging, sondern von vornherein nur um die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruches wegen einer formal fehlerhaften Stellenanzeige. Nicht ernsthaft gemeinte Bewerbungen werden aber weder vor der EU-Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie noch vor den Vorschriften des AGG geschützt (EuGH vom 28.07.2016, C-423/15).“
Kläger war zuletzt auch vor dem Amtsgericht München mit Entschädigungsklage nach dem AGG gescheitert
Der Kläger ist unvorsichtig geworden. Nachdem er nach den Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit ihm gemacht haben, zahlreiche Prozesse beim Arbeitsgericht München geführt hat, hat er parallel dazu sich offensichtlich auch auf Stellenanzeigen beworben, bei denen nach seiner Einschätzung keine Stelle als Arbeitnehmer, sondern als freier Mitarbeiter ausgeschrieben war und dem inserierenden Unternehmen bei der Anzeigenschaltung ein Fehler unterlaufen war. Deshalb hatte zuletzt das Amtsgericht München mit Urteil vom 24.11.2016 (173 C 8860/16) seine Klage abgewiesen. Obwohl auch seine hiergegen gerichtete Berufung vom Landgericht München I abgewiesen worden war, hatte der Kläger, nachdem wir das Urteil des Amtsgerichts dem Arbeitsgericht Berlin vorgelegt hatten noch die Dreistigkeit besessen, zu behaupten, dass das Urteil falsch und nicht rechtskräftig und deshalb zu erwarten sei, dass es aufgrund seiner Berufung abgeändert werden würde. Zum Beweis dafür hatte er noch seine Berufungsbegründung vorgelegt. Auch dieser Versuch das Gericht zu täuschen war letztlich mitursächlich dafür, dass die Berliner Richter seinem Vortrag keinen Glauben geschenkt haben und dies in der Gesamtschau ihre Bewertung haben einfließen lassen, um die Bewerbung des Klägers als Scheinbewerbung zu qualifizieren.