In einer Welt, in der digitale Kommunikation immer mehr an Bedeutung gewinnt, stellt sich auch im Arbeitsrecht die Frage, wie moderne Technologien in herkömmliche Rechtsstrukturen integriert werden können. Ein aktuelles Beispiel ist der Umgang mit sog. Turboklauseln in Aufhebungsverträgen oder arbeitsrechtlichen Vergleichen, also Regelungen, bei denen dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt wird, durch einseitige Erklärung das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden, um im Gegenzug ganz oder teilweise das durch den Arbeitgeber ersparte Gehalt als (zusätzliche) Abfindung zu erhalten, und die Frage ihrer formwirksamen Auslösung durch elektronische Mittel. Dass eine solche Klausel nicht wirksam per E-Mail oder WhatsApp ausgeübt werden kann, leuchtet ein. Was aber ist, wenn der Rechtsvertreter des Arbeitnehmers, der den arbeitsgerichtlichen Vergleich geschlossen oder den Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitgeberanwalt verhandelt hat, später mittels einer über das besondere elektronische Anwaltspostfachs (kurz: beA) übermittelten Erklärung für den Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden möchte?
Wer nun meint, dies müsste möglich sein, weil schließlich der gesamte Rechtsstreit, der zum Abschluss des Vergleichs geführt hat, mittels elektronischer Kommunikation geführt wurde und diese für Rechtsanwälte im Arbeitsgerichtsverfahren sogar verpflichtet ist, der irrt, denn das Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 23.5.2023 – 2 Sa 146/23) hat eben dies verneint, weil mit einem solchen Schreiben die Schriftform des § 623 BGB nicht gewahrt ist, so dass das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig beendet werden konnte. Pech für den Arbeitnehmer, weil dieser nun keinen erhöhten Abfindungsanspruch erlangt hat und Glück für den Arbeitgeber, der sich aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses weitere Gehaltszahlungen gespart hat.
Was ist eine Turboklausel?
Eine Turboklausel ermöglicht es einer Partei eines Arbeitsvertrags, mit einer bestimmten Ankündigungsfrist vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden. Solche Klauseln sind insbesondere in Abwicklungsverträgen zu finden, bei denen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses einigen.
Der Fall vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern
Im konkreten Fall des LAG Mecklenburg-Vorpommern ging es um die Frage, ob eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine elektronische Erklärung, die durch das besondere elektronische Anwaltspostfach mit qualifizierter elektronischer Signatur übermittelt wurde, formwirksam ist. Das LAG verneinte dies und stellte fest, dass für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 623 BGB die Schriftform erforderlich ist und nicht durch elektronische Form ersetzt werden kann.
Rechtliche Einordnung
Die Entscheidung des LAG knüpft an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) an, insbesondere an das Urteil vom 17.12.2015 (6 AZR 709/14), welches ebenfalls das Schriftformerfordernis bei Kündigungen hervorhebt. Dies unterstreicht, dass trotz der fortschreitenden Digitalisierung und der Einführung der qualifizierten elektronischen Signatur im Prozessrecht die strengen Formvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) weiterhin Gültigkeit besitzen.
Praktische Konsequenzen
Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Gestaltung von Aufhebungs- und Abwicklungsverträgen sowie gerichtlichen Beendigungsvergleichen besondere Sorgfalt auf die Einhaltung der Schriftform gelegt werden muss. Das Urteil gibt einen wichtigen Hinweis darauf, dass der Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln im Arbeitsrecht Grenzen hat, insbesondere wenn es um die Beendigung von Arbeitsverhältnissen geht.
Ausblick und Fazit
Die aktuelle Entscheidung zeigt, dass das Arbeitsrecht in einigen Bereichen noch Nachholbedarf hat, um mit der digitalen Realität Schritt zu halten. Interessant ist in diesem Zusammenhang das vom Bundeskabinett beschlossene Bürokratieentlastungsgesetz (30.8.2023), das eine Vereinfachung und Digitalisierung von Formvorschriften anstrebt. Bis dahin bleibt jedoch das Schriftformerfordernis nach § 623 BGB für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen maßgeblich.
Dieser Artikel unterstreicht die Notwendigkeit, in der arbeitsrechtlichen Praxis aktuelle Rechtsprechung und gesetzliche Entwicklungen stets im Blick zu behalten, um die Rechtskonformität von Vereinbarungen zu gewährleisten. In einer sich ständig wandelnden digitalen Welt bleibt das Arbeitsrecht eine dynamische und herausfordernde Disziplin. Pech hat am Ende auch der Rechtsanwalt, der hier das Arbeitsverhältnis nicht formwirksam vorzeitig beendet hat, weil diesem nun durch den Arbeitnehmer, dem zusätzliche Abfindung durch die Lappen gegangen ist, ein Regressanspruch droht.