Die Formulierung von Arbeitszeugnissen ist eine Wissenschaft für sich. Da nach den Vorgaben des Gesetzgebers ein Zeugnis stets wohlwollend formuliert sein muss, ist manchmal das, was auf den ersten Blick positiv klingt für den fachkundigen Leser ein Indiz dafür, dass der Arbeitgeber damit genau das Gegenteil zum Ausdruck bringen wollte. Deshalb gibt es, insbesondere dann, wenn ein Arbeitsverhältnis nicht im Guten beendet wird, oft Streit über einzelne Formulierungen in Arbeitszeugnissen, die nicht selten vor Gericht landen. So auch im vorliegenden Fall, den das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatte. Der Arbeitgeber hatte seinem Arbeitnehmer bescheinigt hatte, er habe ihn als „sehr interessierten und hoch motivierten Mitarbeiter kennen gelernt.“
Die in einem Arbeitszeugnis enthaltene Formulierung „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt“ erweckt aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, der Arbeitgeber attestiere dem Kläger in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation. Es handele sich bei der Wortwahl nicht um eine dem Gebot der Zeugnisklarheit widersprechende verschlüsselte Formulierung (Geheimcode), so das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 15.11.2011, Az: 9 AZR 386/10.
Der Kläger war in der Zeit vom 1. April 2004 bis zum 28. Februar 2007 als Mitarbeiter im „SAP Competence Center“ der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte erteilte ihm unter dem Beendigungsdatum ein Zeugnis. Dieses enthielt auszugsweise folgenden Absatz:
„Wir haben den Kläger als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Der Kläger war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“
Der Kläger wendete sich gegen die Formulierung „kennen gelernt“, da nach seiner Auffassung diese Formulierung in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden werde. Damit bringe der Arbeitgeber verschlüsselt zum Ausdruck, dass gerade das Gegenteil der jeweiligen Aussage zutreffe. Dies sahen sowohl die Vorinstanzen als auch das Bundesarbeitsgericht nicht. Mit der Wendung „kennen gelernt“ bringe der Arbeitgeber nicht zum Ausdruck, dass die im Zusammenhang angeführten Eigenschaften tatsächlich nicht vorliegen.
Hintergrund:
Ein Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch, wenn das von ihm erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen des § 109 GewO entspricht. Auf Verlangen des Arbeitnehmers muss sich das Zeugnis auf Führung (Verhalten) und Leistung erstrecken (qualifiziertes Zeugnis), § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO. Dabei richtet sich der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses nach den mit ihm verfolgten Zwecken. Es dient dem Arbeitnehmer regelmäßig als Bewerbungsunterlage und ist insoweit Dritten, insbesondere möglichen künftigen Arbeitgebern, Grundlage für ihre Personalauswahl. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistung beurteilt. Daraus ergeben sich als inhaltliche Anforderungen das Gebot der Zeugniswahrheit und das in § 109 Abs. 2 GewO auch ausdrücklich normierte Gebot der Zeugnisklarheit. Genügt das erteilte Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer die Berichtigung des Arbeitszeugnisses oder dessen Ergänzung verlangen