Des einen Freud der anderen Leid. So misslich die Folgen des Dieselabgasskandals für Volkswagen ist, so erfreulich ist das Ganze für einige Anwaltsstrukturen, die mit groß angelegten Werbekampagnen in Radio, Fernsehen und Internet bundesweit um Mandate von geschädigten Käufern werben, um dann deren Ansprüche, so jedenfalls die Werbeversprechen, erfolgreich durchzusetzen. Der Gedanke, der dahinter steckt, ist natürlich verlockend, nämlich viel Umsatz mit wenig Aufwand. Einmal einen Schriftsatz gefertigt und diesen immer wieder leicht abgewandelt verwenden, erscheint ein interessantes Erfolgsmodell, zumal für die Abwandlung dann oft nicht einmal mehr ein Anwalt, sondern eine Hilfskraft eingesetzt werden kann. Dass eine solche Vorgehensweise aber nicht mandantengerecht ist und im Extremfall sogar dazu führt, dass aufgrund formeller Fehler ein Rechtsstreit verloren geht, verdeutlicht ein Urteil des OLG Naumburg vom 21. Oktober 2019 (1 U 168/18). Die Richter haben die Berufungsbegründung, die überwiegend aus Textbausteinen zusammengesetzt war, als ungenügend angesehen und die Berufung als unzulässig abgewiesen.
Schadensersatzklage gegen die Volkswagen AG wegen Audi A6 Avant 3.0 TDI bleibt (wegen mangelhaften Vortrag) erfolglos
Der Kläger hatte im Frühjahr 2016 einen gebrauchten Audi A6 Avant 3.0 TDI als Gebrauchtwagen erworben. Im Klageweg wollte er von der Volkswagen AG die Erstattung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs, in dem ein vom Abgasskandal betroffene Dieselmotor verbaut war, in Anspruch nehmen.
Erstinstanzlich war er bereits unterlegen, weil er nach Auffassung des Gerichts die Herstellereigenschaft der Volkswagen AG hinsichtlich des Motors und eine fehlende Gesamtschuldnerschaft von Audi und VW nicht bewiesen hatte. Hiergegen legte er Berufung ein.
Die Aneinanderreihung von bloßen Textbausteinen ist keine ordnungsgemäße Berufungsbegründung, so dass die Berufung unzulässig ist
Während der also erstinstanzlich anhand von Beweisproblemen unterlegen war, was darauf rückschließen lässt, dass bereits dort der Rechtsstreit seitens der Klägervertreter nachlässig geführt worden war, erlebte der Kläger dann mit seiner Berufung ein Fiasko. Die Richter haben nämlich die Berufung kurzerhand als unzulässig zurückgewiesen, weil die Berufungsbegründung nicht ausreichend auf die angefochtene Entscheidung eingegangen war. Das Vorbringen des Klägers war nämlich, so die Richter, in beiden Rechtszügen davon geprägt, im Wesentlichen unter Verwendung von Textbausteinen lediglich abstrakte Ausführungen zu möglicherweise in Betracht kommen Anspruchsgrundlagen des Käufers eines Dieselfahrzeugs gegenüber einem Kfz Hersteller zu begründen. Ein solcher Prozessvertrag sei, so die Richter, bereits erstinstanzlich problematisch, angesichts der Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle aber (noch) hinnehmbar. Im Berufungsverfahren hingegen, sei dies nicht mehr hinnehmbar, und führe zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels, weil hierdurch keine individualisierte Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen ermöglicht wird.
Expertentipp:
Klasse statt Masse zahlt sich auch bei anwaltlicher Vertretung aus, denn bereits die Gründe, aus denen die Klage in erster Instanz abgewiesen worden ist, verdeutlicht, dass sie offensichtlich Anwälte am Werk waren, die das Verfahren im Schnelldurchlauf geführt haben, was meist ohnehin zum Scheitern verurteilt ist. Eine Berufungsbegründung zu fertigen, ist nicht ganz einfach und fällt Berufsanfängern zugegebenermaßen manchmal schwer. Gleichwohl ist es aber kein Hexenwerk, sodass jeder halbwegs passable Jurist zumindest soweit in der Lage sein muss, eine Berufungsbegründung zu fertigen, dass die Berufung wenigstens zulässig ist. Wird sie dagegen als unzulässig zurückgewiesen, dann deutet dies auf ein Totalversagen des Rechtsvertreters. Dies insbesondere auch deshalb, weil für gewöhnlich ein Gericht, bevor es zurückweist, im Rahmen seiner Hinweispflicht entsprechende Hinweis erteilt und so die Möglichkeit zur Nachbesserung bietet. Der Kläger, der hier gegen Volkswagen leer ausgeht, kann jetzt allenfalls versuchen sich mit Regressansprüchen gegen seine vormaligen Anwälte schadlos zu halten.