Heute berichten wir an dieser Stelle mal ausnahmsweise über eine kleine Episode aus dem Anwaltsalltag, bei der der Laie staunt und sich der Fachmann wundert und zwar das sog.e Abhilfeverfahren bzw. die Nichtabhilfeentscheidung eines Gerichts. Entscheidet ein Gericht nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss, dann steht als Rechtsbehelf regelmäßig die sofortige Beschwerde zur Verfügung. Dies bedeutet, dass aufgrund der Beschwerde dann das Gericht die angegriffene Entscheidung im Wege des sog. Abhilfeverfahrens nochmals zu überprüfen hat. Will das Gericht nicht abhelfen (sog. Nichtabhilfeentscheidung), dann muss es diese neuerliche Entscheidung unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens begründen und erst dann die Akte dem nächsthöheren Gericht zur Entscheidung vorlegen. Dies ist in § 572 Abs. 1 ZPO so geregelt.
Abhilfeverfahren dient der Selbstkontrolle
Nun ist es in der Praxis aber leider manchmal so, dass Richter, deren Entscheidungen mit einer sofortigen Beschwerde angegriffen werden, dies als „lästig“ empfinden. Deshalb lassen sie das Abhilfeverfahren mehr oder weniger ausfallen und schieben die Akte in die nächst höhere Instanz, ohne die ihnen vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit zur Selbstkontrolle ernsthaft wahrzunehmen.
Streit um Festsetzung eines Ordnungsgelds wegen nicht genügendem notariellem Nachlassverzeichnis
Dass diese Herangehensweise an eine sofortige Beschwerde aber nicht immer dazu führt, die Akte mit möglichst wenig Aufwand vom Schreibtisch zu bekommen, verdeutlicht eine Verfügung des OLG München vom 06.12.2019 (19 W 1492/19). Wir hatten in einem Erbschaftsstreit, nachdem zugunsten der von uns vertretenen Partei, einer Pflichtteilsberechtigten, ein Teilanerkenntnisurteil auf Erteilung eines notariellen Nachlassverzeichnisses ergangen war, die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen die Erbin beantragt, weil nach unserem Verständnis das vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis im Allgemeinen weder den Vorgaben entsprochen hat, die die Rechtsprechung an notarielle Nachlassverzeichnisse stellt noch im Besonderen mit dem Tenor des Anerkenntnisurteils im Einklang stand. Nachdem das Gericht zunächst schon mehrere Monate nicht über den Antrag auf Festsetzung des Ordnungsgeldes entschieden hatte, hatte es dann mit einer nach unserer Meinung unzutreffenden Begründung die Festsetzung eines Ordnungsgelds abgelehnt.
Gegen die Ablehnung haben wir dann sofortige Beschwerde eingelegt und auf 7 Seiten begründet, warum die Ablehnung unseres Antrags zu Unrecht erfolgt ist, also das vorgelegte Nachlassverzeichnis ungenügend war. Da erfahrungsgemäß sich Richter oft sehr schwer damit tun, eine einmal gefasste Entscheidung nochmals zu hinterfragen, haben wir zwar damit gerechnet, dass im Rahmen des Abhilfeverfahrens das Gericht seine eigene Entscheidung nicht korrigieren wird. Etwas sprachlos waren wir dann allerdings doch über die Art und Weise, dass das Gericht sich nicht im Ansatz mit unserer Argumentation befasst, sondern stattdessen einfach die Akte an das OLG weitergeschoben hat. Die vorliegende Richterin, bei der sich übrigens nicht um eine Berufsanfängerin, wie man meinen könnte, sondern um eine Vorsitzende handelt, hatte zuvor ihren Nichtabhilfebeschluss lediglich folgendermaßen begründet:
„Der sofortigen Beschwerde der Klägerin zu 1) (Bl. 184/190 d. A.) gegen den Beschluss vom 16.10.2019 (Bl. 179/181 d. A.) wird nicht abgeholfen, § 572 Abs. 1 ZPO.
Gründe:
Der sofortigen Beschwerde wird aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen.“
OLG rügt mangels hinreichender Begründung ordnungsgemäßes Abhilfeverfahren
Das war dann aber doch zu viel des Guten oder besser gesagt zu wenig, denn das OLG hat die Akte nicht angenommen, sondern postwendend wieder an das Landgericht zurückgeschickt und der Richterin zur Durchführung des Abhilfeverfahrens folgendes mit auf den Weg gegeben:
„zur Durchführung des Abhilfeverfahrens § 572 Absatz 1 ZPO.
Der erfolgten Vorlage der sofortigen Beschwerde ging kein ordnungsgemäß durchgeführtes Abhilfeverfahren voraus. Eine auch nur ansatzweise Auseinandersetzung mit der Beschwerdebegründung ist der Vorlage nicht zu entnehmen. Stattdessen wird eine formelhafte Wendung bemüht.
Dies wiegt um so schwerer, als bereits der angegriffene Beschluß eine inhaltlich ergiebige Begründung vermissen läßt und sich auf Schlußfolgerungen beschränkt.“
Genau genommen bescheinigt das OLG hier der Kollegin am Landgericht Arbeitsverweigerung.
Eine Beschwerde ernst zunehmen ist nicht nur von Rechts wegen geboten, sondern auch eine Frage des Umgangs mit den Beteiligten eines Rechtsstreits
Also liebe Richterinnen und Richter, bitte immer daran denken, dass dann, wenn wir als Anwälte eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung einlegen, wird dies nicht machen, um Euch zu ärgern oder weil wir nichts besseres zu tun hätten, sondern weil wir oder jedenfalls unsere Mandantschaft, für die wir tätigt werden, Eure angegriffene Entscheidung für unrichtig halten. Wenn wir uns die Mühe machen, so wie hier, in einem Schriftsatz über 7 Seiten darzulegen, weswegen wir Eure angegriffene Entscheidung für unrichtig halten, dann gebietet es an sich bereits die Höflichkeit, dass nicht mit einem „Zweizeiler“ abzutun. Dies erst recht, wenn schon Eure Ausgangsentscheidung nicht so begründet war, dass die Entscheidung über jegliche Zweifel erhaben wäre.
Wir als Anwälte können zwar dagegen eine solche Verweigerungshaltung nichts machen, gleichwohl ärgert es uns trotzdem, weil auch wir Organe der Rechtspflege sind und für die Rechtsfindung Zeit aufgewendet haben. Dies wird manchmal, so jedenfalls könnte man meinen, vergessen. dem juristischen Laien, also unseren Mandanten aus dem Volk, in deren Namen ihr Recht sprecht, und die dafür auch in Form von Gerichtskosten (und Steuern)bezahlen, können wir eine solche Arbeitsweise ohnehin nicht vermitteln.