Nachdem wir an dieser Stelle bereits des Öfteren von Klageverfahren berichtet haben, bei denen die Volkswagen AG dazu verurteilt worden war vom Abgasskandal betroffene Dieselfahrzeuge mit Schummel-Software zurückzunehmen, berichten wir heute von einem Urteil des Landgerichts Köln vom 21. Dezember 2017 (2 O 137/17) in dem das Gericht einen Audi-Vertragshändler dazu verurteilt hat, einen gebrauchten PKW Audi A6 2,0 TDI zurückzunehmen. Eine darüber hinaus auch gegen die Volkswagen AG erhobene Feststellungsklage auf Feststellung einer Schadenersatzpflicht wegen befürchteter weiterer Schäden hat das Gericht dagegen mangels Feststellungsinteresse zurückgewiesen.
Streit um gebrauchten PKW Audi A6 2.0 TDI
Der Kläger hatte im Juni 2015 bei der Beklagten, einem Audi-Vertragshändler, einen Audi A6 2.0 TDI mit einer Laufleistung von 62.945 km zum Preis von 30.000 € erworben. Das Fahrzeug war mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet. Die zur Motorsteuerung aufgespielte Software verfügt über zwei Modi: im Modus 1, der automatisch auf Prüfständen aktiviert wird, ist der Stickoxidausstoß erheblich reduziert und erfüllt die Vorgaben der Norm Euro 5; im Modus 0, der in allen anderen Situationen, also auch im Straßenverkehr, automatisch eingestellt ist, wird der Stickoxidausstoß weniger stark reduziert.
Obwohl das Kraftfahrtbundesamt am 10.08.2016 eine vom Volkswagenkonzern entwickelte Software mit welcher der Motor von PKW des streitgegenständlichen Typs so gesteuert werden kann, dass der Stickoxidausstoß auch im Straßenverkehr die Vorgaben der Euro-5-Norm erfüllt und das Update von einer Vertragswerkstatt in weniger als 1 Stunde aufgespielt werden kann, erklärte der Käufer im Dezember 2016 die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und erklärte hilfsweise den Rücktritt vom Vertrag.
Der Audi-Vertragswerkshändler dachte aber gar nicht daran das Fahrzeug zurückzunehmen, sondern verwies auf das zur Verfügung stehende Software Update. Daraufhin reichte der Käufer Klage ein. Mit dieser klagte er aber nicht nur gegen seinen Vertragspartner, also den Audi Vertragswerkhändler auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, das mittlerweile über 80.000 km an Laufleistung hatte, sondern er klagte auch gegen die Volkswagen AG als Konzernmutter der Audi AG und verlangte die Feststellung einer Schadenersatzpflicht. Zur Begründung dieser Forderung trug er vor, dass ihm durch die Schummel-Software nicht nur Steuernachforderungen drohen würden, sondern auch Stilllegungsschäden und Körperschäden, deren Höhe noch nicht bezifferbar seien.
Audi-Vertragshändler muss Fahrzeug zurücknehmen
Nach Auffassung des Gerichts konnte der Käufer zwar nicht wirksam den Kaufvertrag anfechten, weil er nicht hinreichend dargelegt hatte, dass die Beklagte Vertragshändlern zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon Kenntnis hatte, dass in dem Fahrzeug eine Schumi Software verbaut war. Dagegen nahm das Gericht an, dass der Kläger wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei.
Kaufsache mangelhaft, da Euro-5-Abgasnorm nicht erfüllt
Einen Sachmangel sah das Gericht darin, dass das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe jedenfalls im Bezug auf den Stickoxidausstoß die Euro-5-Abgasnorm nicht erfüllt hat. Die Einhaltung dieser Norm war geschuldet, weil es der üblichen Beschaffenheit entspricht, dass ein Pkw-Motor die Abgasvorschriften einhält, die in den technischen Daten der Prospekte angegeben sind.
Dass das Fahrzeug die Vorgaben der Norm nicht einhielt, folgt schon aus dem Umstand, dass die Abgasbehandlung in zwei verschiedenen Modi vorgenommen wurde, von denen einer für die Situation auf Prüfständen galt. In diesem Modus war der Stickoxidausstoß so stark reduziert, dass die Vorgaben der Norm erfüllt wurden. Eine solche differenzierte Motorsteuerung je nach Situation war aus Sicht der Entwickler nur dann nötig, wenn das Fahrzeug im anderen Modus – auf der Straße – die Euro-5-Norm in Bezug auf Stickoxid nicht einhielt.
Die Argumentation der Beklagten Audi-Vertragshändlern, dass es rechtlich nur auf die Situation auf dem Prüfstand ankomme, bezeichnete das Gericht als abwegig. Zwar müssten Abgas- und Verbrauchswerte auf dem Prüfstand nicht mit denen im Straßenbetrieb übereinstimmen; letztere sind höher. Jedoch muss die Motorsteuerung in beiden Situationen gleich sein, damit die Werte auf dem Prüfstand und auf der Straße zumindest korrelieren (so auch LG Krefeld, Urteil vom 14. September 2016 – 2 O 72/16, Rn 25).
Pflichtverletzung ist auch erheblich
Auch der Argumentation des Autoverkäufers, dass es sich um eine lediglich unerhebliche Pflichtverletzung handeln würde, vermochte das Gericht nicht zu folgen. Dies deshalb, weil nicht nur auf die Kosten des Software-Updates in Relation zum Kaufpreis abzustellen sei, sondern es sei eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nötig. Bei dieser fallen weitere Faktoren ins Gewicht, wie sie in den Urteilen des Landgerichts Köln vom 2. März 2017 (2 O 317/16) und vom 18. Mai 2017 (2 O 422/16) dargelegt worden sind:
„a) Die Erheblichkeit wird indiziert, wenn der Mangel einen für den Gläubiger wesentlichen Qualitätsaspekt betrifft. Dies ist anzunehmen, denn die Einordnung in die Euro-5-Norm ist auch Voraussetzung für die möglichst weitgehende räumliche Benutzbarkeit des Autos, da der Betrieb von umweltschädlichen Pkw jedenfalls im Zentrum von Großstädten in den letzten Jahren eingeschränkt wurde und anzunehmen ist, dass weitere Einschränkungen folgen werden.
b) Arglist des Vertragspartners führt in der Regel dazu, dass die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist. Arglistig gehandelt hat vorliegend der Volkswagen-Konzern, nicht die Beklagte zu 1. Jedoch spielt die Arglist der Herstellerin auch in dieser Konstellation eine Rolle: Ein Software-Update kann der Kläger nicht von der Beklagten zu 1 beziehen, sondern nur von der Herstellerin (über die Beklagte zu 1 oder eine andere Vertragswerkstatt). Der Kläger hat wenig Anlass, der Herstellerin in Bezug auf Motorsoftware zu vertrauen, nachdem diese sowohl die Behörden als auch ihre Kunden über Jahre hinweg systematisch irregeführt hat.
c) Die Motorsteuerung ist ein besonders sensibler Bereich eines Autos. Nicht ohne Grund erlischt die Hersteller-Garantie, wenn im Wege des sogenannten Chip-Tunings die Software eines nicht autorisierten Drittanbieters aufgespielt wird. So wie der Hersteller beim Chip-Tuning befürchtet, dass es zu Spätschäden am Motor kommt, hat vorliegend der Kläger Grund zur Sorge, das Software-Update könne bislang unbekannte Folgen für seinen Motor haben, die erst nach längerem Betrieb zu Tage treten.
d) Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass das Fahrzeug auch nach Aktualisierung der Software mit einem Makel behaftet ist, der den Wiederverkaufswert mindert. Dem steht nicht entgegen, dass bisherige Marktuntersuchungen keinen Wertverfall von Pkw mit EA-189-Motor ergeben haben. Es ist allgemein bekannt, dass in ganz Deutschland eine Vielzahl von Klagen, die auf Rückabwicklung gerichtet sind, anhängig ist. Dies indiziert, dass eine Vielzahl von Käufern die Absicht hat, sich – vorzeitig – von ihrem Fahrzeug zu trennen. Dieses zusätzliche Angebot ist derzeit noch nicht auf dem Markt, weil die Käufer zunächst den Ausgang ihrer Prozesse abwarten.“
Ein möglicherweise verbleibender Makel sowie ein möglicher späterer Motorschaden konnte nach Auffassung des Gerichts auch nicht deswegen außer Betracht bleiben, weil es sich insoweit nur um eine „Spekulation“ handeln würde. Dies deshalb, weil es insoweit nicht um die Frage geht, ob ein Sachmangel vorliegt oder nicht, sondern darum, ob der Mangel mehr als nur unerheblich ist. Unter diesem Blickwinkel fallen auch solche künftigen Umstände ins Gewicht, die nicht sicher prognostiziert werden können, aber jedenfalls nicht fernliegen.
Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich
Nach Auffassung des Gerichts war auch keine Fristsetzung zur Nacherfüllung erforderlich. Dies deshalb, weil eine Nacherfüllung nur durch ein Software-update in Betracht käme, dieses aber dem Kläger aus den oben genannten Gründen nach § 440 S. 1 Fall 3 BGB nicht zumutbar sei. Ein arglistiges Handeln der Vertragshändlerin als Verkäuferin sei dabei nicht erforderlich; es genüge vielmehr dass die Volkswagen AG als Herstellerin arglistig gehandelt habe. § 440 S. 1 Var. 3 BGB geht weiter als § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der eine Abwägung der beiderseitigen Interessen verlangt. § 440 S. 1 Var. 3 BGB erfasst darüber hinaus alle Fälle, in denen das Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien erheblich gestört ist; dazu zählt auch ein Vertrauensverlust, der primär aus dem früheren Verhalten der Herstellerin folgt, aber auf das Verhältnis der Vertragsparteien durchschlägt. Dies wiederum ist vorliegend der Fall, weil die Nachbesserung zwar von der Beklagten zu 1 vorgenommen werden kann, aber nur unter Verwendung eines von der Herstellerin entwickelten Software-Updates.
Feststellungsklage gegen die Volkswagen AG dagegen unzulässig
Mit der Feststellungsklage gegen die Volkswagen AG hatte der Kläger dagegen kein Glück. Das Gericht hat die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen.
Soweit der Kläger nämlich Vermögensschäden geltend gemacht hatte, hatte er nicht dargelegt, dass diese wahrscheinlich sind; soweit er sich auf körperliche Schäden berufen hatte, hatte er schon nicht dargelegt welche durch das streitgegenständliche Fahrzeug hervorgerufen werden sollten.