Aufgrund der weiter anhaltenden Niedrigzinsphase ist der Immobilienmarkt derzeit ein Traum. Dies jedenfalls aus Sicht der Verkäufer. Billiges Geld einerseits und knappes Angebot am Markt andererseits verleiten Käufer dazu Preise zu bezahlen, die früher utopisch gewesen wären. Damit aber nicht genug. Selbst, wer bereit ist, einen überzogenen Preis zu bezahlen, muss sich oft auch noch rasch entscheiden, um überhaupt zum Zug zu kommen. Was allerdings viele Käufer dabei übersehen ist, dass der notarielle Vertrag viel mehr ist als reine Formsache. Gleichgültig mit welchen schönen Worten Verkäufer oder Makler die Immobilie angepriesen haben. Am Ende zählt nur das, was in der notariellen Vertragsurkunde Niederschlag gefunden hat.
Beschreibungen der Immobilie außerhalb der notariellen Urkunde stellen keine Beschaffenheitsvereinbarungen dar
Bereits mit Urteil vom 06.11.2015 (V ZR 78/14) hat sich der BGH mit der Frage befasst, ob durch eine außerhalb der notariellen Urkunde gemachte Größenangabe zur Wohnfläche eine Beschaffenheitsvereinbarung zu sehen ist, so dass trotz vertraglich vereinbarten Gewährleistungsanschluss Gewährleistungsrechte geltend gemacht werden können und dies im Ergebnis verneint.
Wohnfläche weicht um ca. 45 qm ab
In dem entschiedenen Rechtsstreit hatten die Beklagten zuvor in einem Exposé und auf ihrer Internetseite die Immobilie mit einer Wohnfläche von ca. 200 m² und einer Nutzfläche von ca. 15 m² angegeben und den Käufern Grundrisszeichnungen mit Angaben der Flächenmaße ausgehändigt, aus deren Addition sich eine Gesamtfläche von 215,3 m² ergab.
Da die Käufer nach ihrem Einzug dann doch Zweifel an der angegebenen Größe hatten, ließen sie von einem Architekten die Wohnfläche nachberechnen. Da diese nur auf 171,74 m² kam verlangten sie vom Verkäufer 66.411 € als Kaufpreisminderung, 2.324,48 € zu viel gezahlte Grunderwerbsteuer, 7.198,41 € zu viel gezahlte Bankzinsen und 2.594,20 € außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten.
Keine Durchbrechung des Gewährleistungsausschlusses
Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Letztinstanzlich hat der BGH entschieden, dass, da ihm notariellen Kaufvertrag keine bestimmte Grundstücksgröße zugesagt worden ist und auch nicht auf die außergerichtlich übergebenen Unterlagen Bezug genommen worden ist, keine Beschaffenheitsvereinbarungen, die zu einer Durchbrechung des Gewährleistungsausschlusses führen würde, getroffen worden ist.
Haftungsausschluss erfasst auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften der Immobilie
Mit Urteil vom 22.04.2016 (V ZR 23/15) hat der BGH seine Rechtsprechung fortgeführt und entschieden, dass ein im notariellen Vertrag vereinbarter Haftungsausschluss auch die nach öffentlichen Äußerungen des Verkäufers zu erwartenden Eigenschaften dem Mobile erfasst.
Unrichtige Altersangabe zu Gebäudewand
In dem entschiedenen Rechtsstreit war das Gebäude 1999/2000 am Standort einer ehemaligen Scheune errichtet worden. In die Außenwand wurde dabei eine vor 1999 in die Scheune eingebaute Rückwand integriert. Im Internet hatte der Verkäufer das Objekt folgendermaßen beschrieben:
„Das massive Architektenhaus wurde 1999/2000 errichtet, bis 2005 ausgebaut.“
Der Käufer beanstandet, dass das Haus wegen der Verwendung der Altbausubstanz mangelhaft sei, und verlangt Schadensersatz. Die Verkäufer berufen sich auf den vertraglich vereinbarten Haftungsausschluss.
OLG muss aufklären, ob vorsätzlich gehandelt wurde
Während das Landgericht die Klage abgewiesen hat, hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben, aber die Revision zugelassen. Der BGH hat dann das Urteil des OLG aufgehoben und den Rechtsstreit dort hin zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.
Da Grundstückskaufverträge notariell beurkundet werden müssen, kann der Vertrag nur wirksam zustande kommen, wenn die Vertragsurkunde alle Erklärungen enthält, die Inhalt der vertraglichen Regelungen werden sollen. Die Vertragsparteien können nicht davon ausgehen, dass im Vorfeld des Vertrags, etwa bei einer Besichtigung, erteilte Informationen zum Inhalt der vertraglichen Verpflichtungen werden, wenn die geschuldete Beschaffenheit im Kaufvertrag nicht erwähnt wird. Das gilt auch für Eigenschaften, die der Käufer an sich nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten könnte.
Erst die notarielle Urkunde ergibt, wofür der Verkäufer letztlich einstehen will. Wenn diese einen uneingeschränkten Haftungsausschluss enthält, bedeutet dies, dass der Verkäufer es gerade nicht bei der Haftung für Eigenschaften belassen will, die der Käufer wegen der öffentlichen Äußerungen des Verkäufers erwarten könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Verkäufer die Haftung für das Fehlen solcher Eigenschaften vollständig ausschließen will.
Da der Haftungsausschluss allerdings dann nicht eingreift, wenn der Verkäufer arglistig gehandelt hat, also Kenntnis von der Einbeziehung der älteren Wand in das Wohnhaus gehabt hatte und wusste oder es für möglich gehalten hat, dass dadurch ein durchschnittlicher Käufer die Angabe, dass das Haus 1990/2000 errichtet wurde für unzutreffend hält, ist der Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das OLG zurückverwiesen wurden.
Notariellen Vertrag nicht ungeprüft unterschreiben
Wer eine Immobilie erwirbt, der sollte den notariellen Vertrag nicht ungeprüft unterschreiben. Um unliebsame Überraschungen, wie sie hier die Käufer erlebt haben, zu vermeiden sollte deshalb, wenn es dem Käufer maßgeblich darauf ankommt, darauf geachtet werden, dass im Vorfeld getätigte Äußerungen oder übermittelte Informationen des Verkäufers im Kaufvertrag als Zusicherung oder Garantie aufgenommen werden. Weigert sich der Verkäufer eine solche Erklärung abzugeben, und kann die Thematik von Seiten des Käufers nicht vor vertraglich abschließend geklärt werden, dann kann noch versucht werden, deswegen einen angemessenen Abschlag auf den Kaufpreis zu verhandeln. Ist dies nicht möglich, dann ist das manchmal ratsamer von dem Vertrag ganz Abstand zu nehmen.
Da der Haftungsausschluss bei Vorsatz nicht greift, kann auch durch die gezielte Fragestellung der Haftungsausschluss durch arglistiges Verhalten des Verkäufers ausgehebelt werden, wenn dieser die Fragen bewusst falsch beantwortet hat. Hier ist wichtig, dass durch Zeugen bestätigt werden kann, dass die Fragen gestellt und unrichtig beantwortet wurden.
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