Ist das Original eines Testaments nicht mehr auffindbar, dann kann im Einzelfall auch der Ausdruck einer eingescannten Bilddatei zum Nachweis des Erbrechts ausreichen. Dies jedenfalls dann, wenn das Nachlassgericht davon überzeugt ist, dass ein Testament mit dem vorgelegten Inhalt tatsächlich existiert hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 5.09.2019, 3 W 79/18).
Zweite Ehefrau streitet mit Kindern aus erster Ehe über Existenz eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments
Die Antragstellerin war mit dem Erblasser in zweiter Ehe verheiratet. Sie beantragte nach dessen Ableben die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweist. Zur Begründung ihres Erbrechts trug sie vor, sie habe mit dem Erblasser 1994 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in der sie sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt hätten. Das Testament im Original sei nicht mehr vorhanden, weil es entweder der Erblasser in einem Wutanfall vernichtet oder aber Dritte an sich genommen und entfernt hätten. Sie selbst habe aber im Jahr 2003 zur Sicherheit mit einem Scanner eine Bilddatei gefertigt und auf ihrem Computer gespeichert. Einen entsprechenden Ausdruck hatte sie dann zur Stützung ihres Erbrechts beim Nachlassgericht vorgelegt. Obwohl sie sich 2011 getrennt hätten und sie aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen sei, sei der beiderseitige Kontakt nie vollständig abgebrochen. Sie selbst hätte das Testament im Original noch im Jahr 2012 in der Wohnung des Erblassers in einem Buffetschrank vorgefunden.
Die Kinder des Erblassers aus erster Ehe machen dagegen als Antragsgegner gelten, dass das behauptete Testament nie im Original existiert habe und die vorgelegte Bildkopie gefälscht sei. Die darauf befindliche Unterschrift sei, wenn dies überhaupt echt sei, nachträglich mit technischen Mitteln eingefügt worden.
Das Nachlassgericht hat nach Anhörung der Parteien und Einholung eines EDV-Sachverständigengutachtens den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
Nachweis des Erbrechts ausnahmsweise auch mit Beweismitteln außerhalb des Testaments möglich
Die dagegen erhobene Beschwerde zum OLG war erfolgreich. Die Richter sind dabei nach einer erneuten Anhörung der Beteiligten und der ergänzenden Vernehmung einer Zeugin zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Zweifel bestünden, dass die vorgelegte Bildkopie einem nicht mehr auffindbaren Original entspräche. Aufgrund der Wechselbezüglichkeit sei der Erblasser an die Verfügung gebunden gewesen, so dass eine etwaige einseitige Vernichtung durch den Erblasser rechtlich ohne Belang sei.
Zunächst haben die Richter dazu ausgeführt, dass der Umstand, dass nur eine Bildkopie vorgelegt werden konnte, schon nicht den Schluss zuließe, die Verfasser hätten das Original vernichtet, weil sie an dessen Inhalt nicht mehr festhalten wollten. Nach § 352 Abs. 1 S. 1 FamFG sei zwar grundsätzlich zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts die Urschrift die Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird. Ist aber, so wie hier, die Urkunde nicht mehr auffindbar, kommt der allgemeine Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Wollen und Zutun des bzw. der Erblasser (s) vernichtet worden oder abhandengekommen ist. Vielmehr könnten in einem solchen Fall sowohl die Errichtung als auch der Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln – auch durch Vorlage einer Kopie – bewiesen werden. An den Nachweis sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen.
Richter sind von Identität der vorgelegten Kopie mit Originaltestament überzeugt
Unter diesen Voraussetzungen waren die Richter dann davon überzeugt, dass ein Ehegattentestament aus dem Jahr 1994 mit dem vorliegenden Inhalt tatsächlich existiert hat.
So habe das eingeholte Sachverständigengutachten ergeben, dass an den die Testamentsurkunde beinhaltenden, erstmals 2003 gespeicherten Dateien keine nachträglichen Veränderungen vorgenommen worden sind. Darüber hinaus habe die Antragstellerin nachvollziehbare Angaben über die Entstehung des Testaments gemacht und auch dazu, dass sie dieses selbst nach ihrem Auszug aus der gemeinsamen Ehewohnung noch des Öfteren gesehen habe. Das Original habe sie deshalb eingescannt, um etwas in der Hand zu haben, da der Erblasser stets die Hand darauf gehabt habe und aufgrund seines Charakters die Möglichkeit bestanden hatte, dass er es einfach in einem Wutanfall zerreißt. Diese charakterliche Eigenheit des Erblassers ist nach Auffassung der Richter auch von anderen Zeugen gestützt worden.
Greifbare Hinweise dafür, dass die Urkunde eine Fälschung sei, hätten die übrigen Beteiligten nicht geliefert. So hatte ein Beteiligter eingeräumt, die Unterschrift seines Vaters, die sich mit zunehmenden Alter verändert habe, nicht so genau zu kennen, er aber jedenfalls nicht ausschließen könne, dass die auf der Scankopie vorhanden Unterschrift vom Erblasser stammend würde. Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin die Unterschrift mit technischen Hilfsmitteln, nachträglich in die Urkunde eingefügt habe, seien nicht ersichtlich. Die Einwendungen der Beteiligten würden sich vielmehr in bloßen Vermutungen erschöpfen, was aber nicht ausreichend sei.
Was Sie zum gemeinschaftlichen Ehegattentestament sonst noch wissen sollten
1. Ein gemeinschaftliches Testament kann nicht ohne weiteres einseitig widerrufen werden. Ein lebzeitiger Widerruf einer wechselseitigen Verfügung ist nämlich erst dann wirksam, wenn dieser dem anderen Ehegatten in notariell beurkundeter Form zugeht, § 2271 BGB i.V.m. § 2296 Abs. 2 BGB.
2. Mit dem Tod eines Ehegatten erlischt dagegen das Recht wechselseitige Verfügungen zu widerrufen. Dies jedenfalls dann, wenn dem überlebenden Ehegatten nicht ausdrücklich das Recht eingeräumt worden ist, das Testament einseitig abzuändern. Wer also hier, ohne dass eine Abänderungsbefugnis vorhanden ist, ein neues Testament verfasst, dessen Testament ist, wenn es gegen die wechselbezüglichen Verfügungen verstößt, unwirksam.
3. Versucht der überlebende Ehegatte diese „Sperrwirkung“ des gemeinschaftlichen Testaments durch lebzeitige Schenkungen an Dritte zu umgehen, dann können die Schlusserben unter Umständen, wenn es sich um eine sog. beeinträchtigende Schenkung gehandelt hat, also der überlebende Ehegatte kein lebzeitiges Eigeninteresse hatte, gegen den Beschenkten eine Rückforderungsanspruch nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung haben.
4. Ist die Ehe dagegen geschieden worden oder lagen die Voraussetzungen für eine Scheidung vor und der Erblasser hatte Scheidungsantrag gestellt oder dem Scheidungsantrag des anderen Ehegatten zugestimmt, dann verliert ein gemeinschaftliches Testament grundsätzlich seine Wirkung, § 2077 Abs. 1 BGB.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.