Bei juristisch nicht vorgebildeten Erblassern besteht oft die Problematik, dass diesen der Unterschied zwischen einer Erbeinsetzung einerseits und einem Vermächtnis andererseits nicht geläufig ist, also diese Begrifflichkeiten oft (zu Unrecht) synonym verwendet oder aber miteinander vermengt werden. Daher muss oft im Wege der Auslegung ermittelt werden, was der Erblasser in seinem Testament tatsächlich gewollt hat.
So hat das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 27.03.2015 (I-3 Wx 197/14) entschieden, dass bei einem Testament in dem der Erblasser formuliert hatte
„Testament
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich vermache sämtliche Sachgüter in dieser Wohnung H., mein gesamtes Bargeld ebenso. Sie weiß, wo dieses zu finden ist. Die Summe beläuft sich auf 49.000 €.“
entgegen dem Wortlaut kein Vermächtnis, sondern eine Einsetzung zu Alleinerbin gewollt war.
Der bloße, auf ein Vermächtnis hindeutende Wortlaut der letztwilligen Verfügung steht diesem Ergebnis, so das Gericht, nach dem Rechtsgedanken des § 2084 BGB umso weniger entgegen, als der Erblasser nicht juristisch vorgebildet war. Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB findet im vorliegenden Fall deshalb keine Anwendung, weil der Erblasser den Nachlass zwar gegenständlich aufgliederte, ihn aber erschöpfte und der Beteiligten zu 1 zuwandte. Sodann spricht angesichts des Mietvertrages wie auch des Umstandes, dass es um einen bloßen Garagenstellplatz – nicht um ein selbständiges Garagengebäude – ging, nichts dafür, dass der Erblasser zwischen Wohnung und Unterbringungsmöglichkeit für den Pkw unterschied und den Begriff „Wohnung“ nicht, wie umgangssprachlich weithin üblich, als gleichbedeutend mit dem Ort des Lebensmittelpunktes verstand; dann umfasst die Zuwendung an die Beteiligte zu 1 auch den Pkw.
Vor allem ist der Begriff „Bargeld“ im Testament des Erblassers zu verstehen als Geld oder Geldanlagen, mithin nach betriebswirtschaftlicher Sichtweise im Sinne liquider Vermögenswerte. Zwar handelt es sich bei dem Erblasser um einen Studenten der Informatik, der nach der Rechtsmittelbegründung nur über eine geringe Lebenserfahrung im Allgemeinen verfügte. Die Erörterungen und Ermittlungen im Senatstermin haben indes ergeben, dass er speziell beim Umgang mit Geld und Finanzwerten eine deutliche Gewandtheit zeigte und in einem auf den Namen seiner Großmutter lautenden Depot neben Anteilen an einem offenen Immobilienfonds auch ein Finanzprodukt für eher erfahrene Anleger hielt. Darüber hinaus musste dem Erblasser bei Abfassung seiner letztwilligen Verfügung, die dem Freitod unmittelbar voraus ging, klar sein, dass zwischen der von ihm ausdrücklich angegebenen Summe und dem tatsächlich vorhandenen Bargeld im engeren Sinne ein eklatanter Widerspruch bestanden hätte. Dem Umstand schließlich, dass sich nach den Ermittlungen des Senats das Geldvermögen des Erblassers – auf eigenen und auf fremden Namen lautend – eher auf 27.000 € als auf 49.000 € belaufen haben dürfte, kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Zum einen bleibt nach den Erkenntnissen zum Hintergrund des Freitods des Erblassers die Möglichkeit offen, dass er über weitere Geldwerte auf im Senatstermin nicht behandelten Konten und Depots auf eigenen Namen verfügte. Zum anderen und vor allem muss davon ausgegangen werden, dass, wenn der Erblasser der Beteiligten zu 1 Geldwerte von knapp 50.000 € zuwenden wollte, er dies bezüglich einer Summe von unter 30.000 € „erst recht“ wollte; zweifelhaft wäre lediglich der – nicht gegebene – Fall, dass Ermittlungen zutage gefördert hätten, der Erblasser sei Inhaber von Geldwerten deutlich über 49.000 € gewesen.
Anmerkung:
Während der Erbe aufgrund seiner Stellung als Erbe bereits kraft Gesetzes Eigentum am Nachlass erwirbt, erhält der so genannte Vermächtnisnehmer lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben, der durchgesetzt werden muss. Dieser Anspruch unterliegt der 3-jährigen Verjährung. Der Vermächtnisnehmer muss sich also aktiv darum bemühen, notfalls unter Einschaltung der Gerichte, seinen Anspruch gegen den Erben durchzusetzen, bevor dieser verjährt ist.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.