Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament bietet Ehepaaren die Möglichkeit, ihre Erbfolge gemeinsam und verbindlich zu regeln. Doch was passiert, wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig ist? In diesem Artikel werden die rechtlichen Konsequenzen einer solchen Situation beleuchtet, insbesondere unter Bezugnahme auf eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle. Wir untersuchen, ob es einen Unterschied macht, ob der testierfähige Ehegatte das Testament geschrieben hat und der testierunfähige Ehegatte nur unterschrieben hat oder umgekehrt.
Testierfähigkeit
Die Testierfähigkeit ist gemäß § 2229 Abs. 4 BGB die Fähigkeit, ein Testament zu errichten. Ein Testament kann nicht von Personen errichtet werden, die wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage sind, die Bedeutung ihrer Willenserklärung zu verstehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Diese Vorschrift schützt die Willensfreiheit und stellt sicher, dass Testamente nur von Personen erstellt werden, die in der Lage sind, die Tragweite ihrer Entscheidungen zu überblicken.
Gemeinschaftliches Testament
Das gemeinschaftliche Testament wird in den §§ 2265 bis 2272 BGB geregelt. Nach § 2267 BGB können Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichten, indem einer der Ehegatten das Testament eigenhändig schreibt und beide Ehegatten es unterschreiben. Diese Formerleichterung dient der Praktikabilität, birgt jedoch bei Testierunfähigkeit eines Ehegatten erhebliche rechtliche Probleme.
Entscheidung des OLG Celle
Das OLG Celle hat in einem Beschluss vom 14. März 2024 (6 W 106/23, BeckRS 2024) klargestellt, dass ein gemeinschaftliches Testament unwirksam ist, wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war. Eine Umdeutung des unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament ist nicht möglich, wenn der testierfähige Ehegatte das Testament nicht eigenhändig geschrieben hat.
Sachverhalt
Im zugrundeliegenden Fall hatten die Eheleute im Jahr 2018 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Die Ehefrau hatte das Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben, während der Ehemann es nur unterschrieben hatte. Nach dem Tod des Ehemanns beantragte die Ehefrau einen Erbschein als Alleinerbin. Der Sohn des Ehepaares bestritt die Testierfähigkeit beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Das Amtsgericht stellte die Testierunfähigkeit der Ehefrau fest, während es keine Beweise für die Testierunfähigkeit des Ehemanns fand. Das Amtsgericht deutete die Testamente in Einzeltestamente des Ehemanns um.
Entscheidung und Begründung
Das OLG Celle entschied, dass die Testamente unwirksam seien, da die Testierunfähigkeit eines Ehegatten die Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments ausschließt. Die Formerleichterung des § 2267 BGB kann nur für gemeinschaftliche Testamente angewendet werden, die von beiden testierfähigen Ehegatten errichtet wurden. Eine Umdeutung in ein Einzeltestament des testierfähigen Ehegatten ist nicht möglich, wenn dieser den Testamentstext nicht eigenhändig geschrieben hat.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Celle verdeutlicht die strengen Anforderungen an die Testierfähigkeit bei der Errichtung gemeinschaftlicher Ehegattentestamente. Ist einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig, so ist das gemeinschaftliche Testament unwirksam. Eine Umdeutung in ein Einzeltestament des testierfähigen Ehegatten kommt nur dann in Betracht, wenn dieser den Testamentstext eigenhändig verfasst hat. Diese Rechtsprechung schützt die Integrität und Willensfreiheit der testamentarischen Verfügungen und stellt sicher, dass nur rechtlich wirksame Testamente umgesetzt werden.
Für Ehepaare ist es daher ratsam, frühzeitig Vorsorge zu treffen und gegebenenfalls rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sicherzustellen. So können spätere rechtliche Auseinandersetzungen vermieden und der letzte Wille beider Ehegatten respektiert werden. Bei bestehenden Zweifeln über die Testierfähigkeit ist bei einem Ehegattentestament dann ratsam, dass derjenige, der voraussichtlich noch testierfähig ist, nicht nur unterschreibt, sondern auch den gesamten Text verfasst, um so zumindest die Möglichkeit der Umdeutung nicht auszuschließen. Auch die Errichtung von 2 Einzeltestamenten anstatt eines Ehegattentestaments kann von Vorteil sein.
In solchen Fällen kann es auch hilfreich sein, statt eines privatschriftlichen Testaments ein notarielles Testament zu errichten, weil Notare aufgrund ihrer Amtsstellung grundsätzlich nicht ein Testament beurkunden, wenn sie Zweifel an der Testierfähigkeit haben. Wenn also mit Streit zu rechnen ist, dann ist dieser Weg auf jeden Fall besser. Wer ganz auf Nummer sicher gehen soll, der sollte sich zusätzlich von einem Facharzt für Psychiatrie die Geschäftsfähigkeit und damit auch die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bescheinigen lassen. Dies erschwert es auf jeden Fall einem Testament mit der Behauptung, es habe Testierunfähigkeit vorgelegen, anzugreifen.
Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.