Scheiden tut bekanntlich Weh. Dies gilt nicht nur bei der Beendigung von Ehen, sondern auch bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen endet die Beziehung, die so hoffnungsvoll begonnen hat, oft im Streit vor dem Kadi. Geht es nicht gleich um die Frage, ob eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber überhaupt berechtigt war, so dass ein Kündigungsrechtsstreit erfolgt, sind scheidende Arbeitnehmer oft auch anderer Meinung als ihr Arbeitgeber, wie ihre Arbeitsleistung im Arbeitszeugnis zu beurteilen sei. Der Gesetzgeber schweigt sich hierzu aus. Nach dessen Vorgaben in § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO hat ein Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf ein wohlwollendes und qualifiziertes Arbeitszeugnis.
Bislang hat sich in der Rechtsprechung der Grundsatz herausgebildet, dass darunter ein Zeugnis mit der Leistungsbeurteilung „befriedigend“, also der Note 3, gemeint sei. Will der Arbeitgeber schlechter bewerten, muss er dies beweisen. Ist wiederum der Arbeitnehmer der Meinung, dass seine Arbeitsleistung mit „gut“ oder „sehr gut“ zu beurteilen sei, so trägt er hierfür die Beweislast.
Da einzelne Arbeitsgerichte diesem Grundsatz für zwischenzeitlich antiquiert hielten, weil sich im wirtschaftlichen Wettbewerb eine gute Leistungsbeurteilung als Standardbeurteilung durchgesetzt habe, landete neuerlich ein Rechtsstreit, bei dem eine Arzthelferin lediglich mit „zur vollen Zufriedenheit“, also befriedigend, bewertet wurde, vor dem Bundesarbeitsgericht. Dieses hat mit Urteil vom 18.11.2014 (9 AZR 584/13) allerdings bestätigt, dass die Beurteilung „befriedigend“ eben einer durchschnittlichen Arbeitsleistung entspreche, also genau das sei, was der Arbeitnehmer beanspruchen könne. Die Richter halten an ihrer Linie fest, wonach die Formulierung „zu unserer vollen Zufriedenheit“ eine durchschnittliche Leistung beschreibt. Wolle ein Mitarbeiter eine bessere Bewertung, müsse er genaue Gründe dafür darlegen, so die Richter.
Die vom Landesarbeitsgericht zur Ermittlung einer durchschnittlichen Bewertung herangezogenen Studien, nach denen fast 90 % der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut“ oder „sehr gut“ aufweisen sollen führen nach Auffassung des Gerichts nicht zu einer anderen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nicht auf die in der Praxis am häufigsten vergebenen Noten an. Ansatzpunkt ist die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Zufriedenheitsskala. Begehrt der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala, muss er darlegen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Im Übrigen lassen sich den Studien Tatsachen, die den Schluss darauf zulassen, dass neun von zehn Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen, nicht entnehmen. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchungen eingegangen sind, die dem Wahrheitsgebot des Zeugnisrechts nicht entsprechen. Der Zeugnisanspruch nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO richtet sich auf ein inhaltlich „wahres“ Zeugnis. Das umfasst auch die Schlussnote. Ein Zeugnis muss auch nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.