Das Bundesarbeitsgericht gibt Surrogatstheorie bei Urlaubsabgeltungsanspruch auf (Urteil vom 19.06.2012 – 9 AZR 652/10). Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch unterfällt jetzt als reiner Geldanspruch unabhängig von der Arbeitsfähigkeit oder -unfähigkeit des Arbeitnehmers nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes. Das hat das Bundesarbeitsgericht unter Aufgabe der Surrogatstheorie und mit Blick auf unionsrechtliche Vorgaben und der daraus resultierenden neueren Rechtsprechung des BAG entschieden (Urteil vom 19.06.2012, Az.: 9 AZR 652/10). Damit geht der Abgeltungsanspruch nicht unter.
Was war geschehen:
In dem vom BAG mitgeteilten Fall war der Kläger beim Beklagten seit dem 04.01.2008 als Operating-Manager beschäftigt. Im Kündigungsrechtsstreit der Parteien stellte das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 27.11.2008 fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.07.2008 endete. Dem Kläger standen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls 16 Tage Urlaub zu. Mit einem Schreiben vom 06.01.2009 verlangte er vom Beklagten ohne Erfolg, diesen Urlaub abzugelten. Auch die Vorinstanzen entschieden nicht im Sinne des Klägers. Erst die Revision brachte ihm den gewünschten Erfolg. Der Abgeltungsanspruch des Klägers sei entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht am 31.12.2008 untergegangen, befand der Neunte BAG-Senat.
Bisher galt ja die Befristung auch für Urlaubsabgeltungsanspruch!
Die Erfurter Richter wiesen zunächst darauf hin, dass gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden müsse. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr sei nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung müsse der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG). Diese Befristung galt bislang dem Senat zufolge grundsätzlich auch für den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs, weil der Abgeltungsanspruch als Ersatz (Surrogat) für den wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr realisierbaren Urlaubsanspruch verstanden wurde.
Das BAG gibt nun die sog. „Surrogatstheorie“ auf! Dieser Abgeltungsanspruch sei aber aufgrund unionsrechtlicher Vorgaben nach der neueren Rechtsprechung des BAG dann nicht ebenso wie der Urlaubsanspruch befristet, wenn der Arbeitnehmer über den Übertragungszeitraum hinaus arbeitsunfähig sei, erklärten die Erfurter Richter. Nach ihrer Ansicht gibt es aber auch keine sachlichen Gründe dafür, warum für einen arbeitsfähigen Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andere Regeln für den Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs gelten sollen als für einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer. Deshalb hält der erkennende Neunte BAG-Senat auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist, an der Surrogatstheorie nicht fest. Damit unterliege der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch unabhängig von der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers nicht dem Fristenregime des Bundesurlaubsgesetzes. Der Kläger habe daher die Abgeltung seines Urlaubs nicht im Urlaubsjahr 2008 verlangen müssen, so das BAG.