Nahezu jeder Kündigungsschutzklage, die nicht im Gütetermin durch Vergleich erledigt wird, ist ein Folgethema immanent, dass für Arbeitgeber nur schwer zu kalkulieren ist: „Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzugslohn“. Gerade dann, wenn ein Rechtsstreit über viele Monate, manchmal auch mehrere Jahre geht, handelt es sich dabei um eine Position, die Arbeitgeber stets in ihrer wirtschaftlichen Kalkulation berücksichtigen müssen. Nachdem augenblicklich in Deutschland die Zahl der Kündigungen und damit auch die Zahl der Kündigungsrechtsstreitigkeiten zunimmt, und die stärkere Belastung der Arbeitsgerichte auch zu längeren Laufzeiten bei Kündigungsschutzverfahren führen wird, gewinnt diese Thematik, zunehmend wieder an Brisanz. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer aktuellen Entscheidung vom 24. Januar 2024 (Urt. v. 24.1.2024 – 5 AZR 331/22) wesentliche Klarstellungen zum Thema Vergütung bei Annahmeverzug des Arbeitgebers getroffen. Der Fall beleuchtet die Verpflichtungen des Arbeitgebers und die Rechte des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Diese Entscheidung ist vor allem im Hinblick auf § 615 BGB und § 11 KSchG von Bedeutung und hat weitreichende Implikationen für die Praxis. Im Folgenden wird der Sachverhalt erörtert und die juristischen Feinheiten dieser Entscheidung beleuchtet.
Der Sachverhalt
Im Kern ging es in dem Fall darum, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kündigte und sie von der Arbeit freistellte, woraufhin die Klägerin sich arbeitslos meldete. Trotz der Kündigung bestand das Arbeitsverhältnis aufgrund gerichtlicher Entscheidungen im Kündigungsrechtsstreit weiter, was zu einem Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs führte. Die Klägerin gründete später eine GmbH und nahm eine Geschäftsführerposition ein, ohne dafür ein regelmäßiges Gehalt zu erhalten, sondern lediglich eine Gewinnbeteiligungszusage.
Der Grundsatz des Annahmeverzugs
§ 615 Satz 1 BGB regelt die Folgen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers. Wenn der Arbeitgeber die angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt, behält der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Arbeitsentgelts, auch wenn er nicht gearbeitet hat. Der Arbeitgeber trägt das Betriebsrisiko und muss die Vergütung zahlen, es sei denn, er kann beweisen, dass der Arbeitnehmer anderweitig Verdienst erzielt hat, der auf den Lohnanspruch anzurechnen ist.
Anrechnung anderweitigen Verdienstes gemäß § 11 KSchG
Das BAG hat klargestellt, dass die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht nur auf Entgelte aus einer abhängigen Beschäftigung beschränkt ist, sondern auch Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit oder freiberuflicher Arbeit umfasst. Entscheidend ist, dass der Verdienst kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft des Arbeitnehmers ermöglicht wurde. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer nicht für eine Tätigkeit vergütet werden kann, die er aufgrund der Freistellung durch den Arbeitgeber aufgenommen hat, wenn diese Tätigkeit nicht mit seiner bisherigen Tätigkeit vergleichbar ist.
Böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs
Eine weitere wichtige Komponente der Entscheidung betrifft das böswillige Unterlassen anderweitigen Erwerbs gemäß § 11 Nr. 2 KSchG. Ein Arbeitnehmer handelt böswillig, wenn er trotz der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer anderweitigen Tätigkeit diese nicht aufnimmt. Das BAG betont, dass es nicht auf eine Schädigungsabsicht ankommt, sondern darauf, ob der Arbeitnehmer vorsätzlich keine zumutbare Arbeit annimmt.
Fazit
Die Entscheidung des BAG veranschaulicht die Komplexität der Regelungen um den Annahmeverzug und die damit verbundenen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast beider Parteien. Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie genaue Nachweise führen müssen, wenn sie behaupten, dass der Arbeitnehmer anderweitig Verdienst hätte erzielen können. Für Arbeitnehmer wiederum ist es wichtig, transparent zu machen, dass und wie sie versucht haben, anderweitigen Erwerb zu generieren, um ihren vollen Vergütungsanspruch zu wahren. Letztlich unterstreicht die Entscheidung die Bedeutung einer fairen und gerechten Abwicklung von Arbeitsverhältnissen, auch in schwierigen Kündigungsphasen.