Nach der Coronahilfe, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern steuerfrei bezahlen konnten, kam die Inflationsausgleichsprämie, nach der Arbeitgebern die Möglichkeit eingeräumt wird, ihren Arbeitnehmern bis Ende 2024 insgesamt 3.000 € steuer- und abgabenfrei zu bezahlen. Es handelt sich dabei um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, auf die grundsätzlich kein Rechtsanspruch besteht.
Da zwischenzeitlich jeder, nicht nur Niedriglohnempfänger, von den unter der Ampel stark gestiegenen Preisen, insbesondere für Energie- und Lebensmittel, betroffen ist, zahlen zwischenzeitlich ältliche Arbeitgeber mehr oder weniger „freiwillig“ ihren Arbeitnegmer ganz oder jedenfalls teilweise diese Leistung. Wer als Arbeitgeber zahlt, der muss allerdings darauf achten, dass er nicht doch plötzlich einen klagbaren Anspruch schafft, wie ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.11.2023 (3 Ca 2713/23) zeigt. Dort hatte der Arbeitgeber zu stark zwischen unbefristet Beschäftigten und befristeten Arbeitsverhältnissen unterschieden, und so die Büchse der Pandora geöffnet. Die Richter haben ihn kurzerhand dazu verurteilt, obwohl die von ihm vorgegebenen Kriterien nicht vorlagen, gleichwohl den Inflationsausgleich nun auch an einen befristet beschäftigten Arbeitnehmer zu bezahlen.
Hintergrund
Das Arbeitsgericht Stuttgart befasste sich mit einem Fall, in dem ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer eine Inflationsausgleichsprämie einforderte, die vom Arbeitgeber anlässlich der steigenden Verbraucherpreise zugesagt, aber aufgrund der Befristung des Arbeitsverhältnisses nicht ausgezahlt wurde. Im Dezember 2022 teilte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern in seinem Intranet mit, dass diese im Januar 2023 unabhängig vom Beschäftigungsgrad oder der Betriebszugehörigkeit eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1000 € erhalten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
„1. Wer erhält eine Inflationsausgleichsprämie im Januar 2023?
Jede/r Mitarbeiter/in erhält eine Inflationsausgleichsprämie im Januar 2023, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Es besteht ein aktives Beschäftigungsverhältnis im Dezember 2022
2. Es besteht ein ungekündigtes Beschäftigungsverhältnis zum Zeitpunkt der Gehaltsabrechnung im Januar 2023
3. Im Falle einer Befristung muss das Befristungsende am 31.12.2023 oder später liegen…“
Der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2023 befristet war, erhielt dementsprechend keine Zahlung. Obwohl es sich grundsätzlich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht, fühlte er sich hierdurch diskriminiert und zog vor Gericht.
Kern des Urteils
Das Arbeitsgericht Stuttgart stellte in seinem Urteil fest, dass die vom Arbeitgeber festgelegten Bedingungen für die Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie, insbesondere die Anforderung einer Beschäftigung bis zum 31.12.2023 für befristet Beschäftigte, eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen.
Laut § 4 Abs. 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) darf ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Gegen diesen gesetzlich normierten Gleichheitssatz habe der Arbeitgeber, so die Richter, verstoßen und verurteilten ihn zur Zahlung von 1.000 € an den Kläger.
Relevanz der Entscheidung
Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für die Praxis, da es verdeutlicht, dass bei der Gewährung von Sonderleistungen wie einer Inflationsausgleichsprämie der Gleichbehandlungsgrundsatz strikt einzuhalten ist. Arbeitgeber müssen daher sorgfältig prüfen, ob ihre Regelungen zur Auszahlung solcher Prämien nicht zu einer Diskriminierung von befristet Beschäftigten führen.
Anmerkung:
Der Ansatzpunkt des Arbeitgebers ist nachvollziehbar, im Ergebnis aber gleichwohl problematisch. Intention mag gewesen sein, dass er davon ausging, dass unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, die eine Inflationsausgleichsprämie erhalten, weiterhin dem Unternehmen erhalten bleiben, auch wenn sie die (theoretische) Möglichkeit haben, im Rahmen einer Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis Trotz Zahlung der Prämie innerhalb der geltenden Kündigungsfristen zu beenden. Beim Kläger dagegen war klar, dass das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2023 fortgeführt werden wird. Aus Sicht des Arbeitgebers also ein plausibler Grund zur Differenzierung. Aus Sicht von Gesetzgebung und Rechtsprechung dagegen nicht.
Was ist die Konsequenz daraus? Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern freiwillige Leistung gewähren, laufen stets Gefahr, am Ende dadurch Rechtsnachteile zu haben, weil hierdurch Präzedenzfälle entweder für andere nicht Begünstigte(sog. arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz), oder aber sogar für die gesamte Belegschaft für die Zukunft(sog. betriebliche Übung), gesetzt werden. Wer also nichts freiwillig bezahlt, der kann auch nichts falsch machen. Wer großzügig ist, den bestraft am Endevielleicht nicht das Leben, dafür aber die Arbeitsgerichtsbarkeit …
Von daher sind Coronahilfen, Insolvenzausgleichsprämien o. ä., was sich die Regierenden zulasten der Arbeitgeber ausdenken, um die Arbeitnehmerschaft, die zwischenzeitlich bis weit in die Mittelschicht hinein den Gürtel enger schnallen muss, vorübergehend noch ruhig zu stellen, stets arbeitsrechtlich problematisch. Dass Arbeitgeber in doppelter Hinsicht von der Inflation betroffen sind, weil nicht nur hierdurch Betriebsausgaben, wie Löhne, Energie, Einkauf etc. steigen, und daneben auch das eigene Privatleben deutlich teurer geworden ist, interessiert dabei nicht. Arbeitgeber selbst haben keinen Anspruch darauf, sich auch selbst einen steuerfreien Vorabgewinn von 3.000 € als Inflationsausgleich zu genehmigen, selbst wenn die gesamte Belegschaft eine Zahlung erhalten hat. Rechtlich betrachtet eine gesetzlich gewollte Diskriminierung von Arbeitgebern.