Ehegatten, die sich im Rahmen von sogenannten Ehegattentestamenten im Rahmen des ersten Erbfalls als Alleinerben einsetzen und damit ihre Kinder enterben versuchen oft Pflichtteilsansprüche der Kinder dadurch zu entgehen, dass im Testament zusätzlich eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen wird. In einer solchen wird regelmäßig geregelt, dass dasjenige Kind, das bei Eintritt des ersten Erbfalls vom überlebenden Ehegatten den Pflichtteil verlangt, auch beim zweiten Erbfall lediglich den Pflichtteil erhalten soll.
Was aber ist, wenn ein Kind zunächst, ohne dass es Kenntnis von der Pflichtteilsstrafklausel hat, dem Pflichtteil fordert, nach Kenntnis dann aber vom Pflichtteilsanspruch Abstand nimmt. Reicht hier bereits die formale Geltendmachung des Anspruchs aus, damit die Sanktion der Pflichtteilsstrafklausel eintritt oder aber wirkt eine Abstandsname von der Forderung befreiend. Diese Frage wurde letztinstanzlich bei einem Rechtsstreit um die Erteilung eines Erbscheins vom OLG Rostock mit Beschluss vom 11.12.2014 (3 W 138/13) im letztgenannten Sinne entschieden und eine anderslautende Entscheidung des Nachlassgerichts entsprechend korrigiert.
Gestritten hatten 2 Geschwister nach dem Tod des letztverstorbenen Vaters. Die Eltern hatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben und ihre beiden Kinder als Schlusserben eingesetzt. Das Testament enthielt dabei folgende Pflichtteilsstrafklausel:
„Sollte eines unserer Kinder nach dem Erstversterbenden den Pflichtteil fordern, soll es auch nach dem Letztversterbenden auf den Pflichtteil beschränkt sein.“
Nach dem Tod der Mutter hatte sich für die Tochter, noch bevor dieser seitens des Nachlassgerichts das Testament nebst Eröffnungsprotokoll zugestellt worden war, ein Rechtsanwalt gemeldet und unter Berufung auf das Pflichtteilsrecht den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht sowie Auskunft über Bestand und Höhe des Nachlasses erteilt. Der Vater hatte daraufhin Auskunft erteilt und die Höhe des Pflichtteils berechnet. Die Bewertung der in die Berechnung eingeflossen Gegenstände hatte der Rechtsanwalt der Tochter dann noch in verschiedenen Punkten beanstandet. Einen Zahlungsanspruch hat die Tochter dann aber gegen den Vater nicht mehr geltend gemacht.
Der Vater errichtete einige Jahre später ein neues Testament und bestimmte seinen Sohn zum Alleinerben. Nachdem dann der Vater verstorben war, beantragte die Tochter die Erteilung eines Erbscheins, der sie und ihren Bruder als gemeinschaftliche Erben ausweist. Der Bruder dagegen beantragte den Erlass eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Das Nachlassgericht hat dem Antrag entsprochen und einen Alleinerbschein erteilt. Die dagegen von der Schwester erhobene Beschwerde zum OLG war dann aber erfolgreich.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die sofortige Beschwerde ist zulässig und führt in der Sache zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Das zu bezeugende Erbrecht ergibt sich aus dem Ehegattentestament. Dieses hat seine Wirksamkeit nicht verloren, denn die Wirkung der Pflichtteilsstrafklausel ist durch die Beteiligte zu 2 nicht ausgelöst worden. In objektiver Hinsicht erfordert die Verwirkung der in Ziffer 3 des Testaments enthaltenen Pflichtteilsstrafklausel ein Fordern des Pflichtteils gegenüber dem Erblasser durch die Beteiligte zu 2. In Anbetracht des bekannten Sachverhalts und des Umstandes, dass der Bevollmächtigte des Erblassers bereits eine Pflichtteilsberechnung vorgenommen und um die Übermittlung einer Bankverbindung gebeten hatte, durfte seitens des Erblassers der Eindruck entstehen, dass die Beteiligte zu 2 es nicht mit der Auskunftserteilung bewenden, sondern die ernsthafte Verfolgung von Zahlungsansprüchen in Betracht ziehen würde. Abschließend entscheiden braucht der Senat indes nicht.
Subjektiv erfordert die Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel, dass die Beteiligte zu 2 ihren Anspruch auf den Pflichtteil bewusst in Kenntnis der Strafklausel geltend gemacht hat. Dies ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.
Bei Abfassung des Schreibens vom 13.11.2003 war der Beteiligten zu 2 eine Abschrift des Testaments noch nicht übersandt, da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffnet war. Es ist nicht ersichtlich, dass dieses Testament der Beteiligten zu 2 anderweitig bekannt geworden war. Insbesondere sind die Beteiligten zu 1 und 2 anlässlich des Erbfalles der R unstreitig nicht über den Inhalt des Testaments unterrichtet worden. Es sei lediglich bekannt gegeben worden, dass die Eltern ein Berliner Testament errichtet hätten, in Folge dessen die Kinder erst nach dem Ableben auch des zweiten Elternteils Erben würden. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Pflichtteilsstrafklausel durch die Eltern sei nicht erfolgt. Insofern der Beteiligte zu 1 vorträgt, dass derartige Klauseln in Testamenten üblich seien, trägt dies eine positive Kenntnis der Beteiligten zu 2 nicht.
Auch zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens des Anwalts der Beteiligten zu 2 vom 22.12.2003, welches ernsthafte Verfolgungsabsichten betreffend den Pflichtteil noch erkennen lässt, war die subjektive Komponente zur Überzeugung des Senats nicht gegeben. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 2) am 22.12.2003 über das Wissen um die Existenz der Strafklausel verfügte. Der Nachweis einer förmlichen Zustellung des Testaments nebst Eröffnungsniederschrift existiert nicht. Somit ist davon auszugehen, dass unter Zugrundelegung einer Postlaufzeit von 3 Tagen der Beteiligten zu 2 das Testament am 19.12.2003 vorlag. Da dies ein Freitag war, war nicht zu erwarten, dass sie bis zum 22.12.2003 ihren Bevollmächtigten anweisen würde, keine weiteren Tätigkeiten zu entfalten. Es ist auch nichts ersichtlich dafür, dass es ihr bekannt gewesen wäre, dass ihr Rechtsanwalt gerade am 22.12.2003 ein weiteres Schreiben verfassen würde. Weitere Feststellungen können hierzu nicht getroffen werden, da der Rechtsanwalt bereits schriftlich angegeben hat, sich nicht mehr erinnern zu können und seine Handakte vernichtet zu haben.
Vielmehr ist subjektiv zugunsten der Beteiligten zu 2 zu bewerten, dass diese nach dem Schreiben vom 22.12.2003 und in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklausel nichts mehr unternommen hat, einen möglichen Pflichtteilsanspruch zu verfolgen.“
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Ansprechpartner zum Erbrecht:
Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
Rechtsanwalt Detzer wird regelmäßig von den Amtsgerichten Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen als Nachlasspfleger bestellt.