Besteht gegen einen Arbeitnehmer der Verdacht gegen Compliance-Vorschriften verstoßen zu haben, dann ist der Arbeitgeber grundsätzlich auch berechtigt zur Aufklärung eine spezialisierte Anwaltskanzlei zu beauftragen und, wenn sich der Verdacht bestätigt, die dafür angefallenen Kosten vom Arbeitnehmer ersetzt zu verlangen. Dies hat das LAG Baden-Württemberg mit Urteil vom 21.04.2020 (19 SA 46/19) entschieden und einen Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits zur Zahlung von 66.500 € verurteilt.
Anonyme Anzeige führt zu Ermittlungen wegen Verstoß gegen Compliance Regeln
Der Kläger war Mitglied der Geschäftsleitung und seit 2009 Leiter des Zentralbereichs Einkauf. Er bezog zuletzt ein Jahreseinkommen von rund 450.000 €. Durch anonyme Meldungen erlangte der Arbeitgeber davon Kenntnis, dass der Kläger auf Kosten des Arbeitgebers sich neben zahlreichen Geschäftsessen auch Geschäftsreisen nach New York mit Theater- und Baseballspiel besuchen sowie diverse Reisen zu Champions-League-Spielen leistete. Hierdurch entstanden dem Arbeitgeber Kosten in Höhe von mehreren 100.000 €. Der Arbeitgeber entschloss sich daher zunächst eine darauf spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei zum Stundensatz von 350 € netto zu beauftragen, die das Ausmaß des Fehlverhaltens des Arbeitnehmers ermitteln sollte. Nach Erhalt des Ermittlungsberichts, für den die Kanzlei rund 200.000 € in Rechnung stellte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos.
Arbeitgeber macht im Rahmen der Widerklage 200.000 € Schadenersatz geltend
Nachdem der Kläger gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage eingereicht hatte machte der Arbeitgeber im Rahmen der Widerklage die Kosten für die Ermittlungsarbeit in Höhe von 200.000 € geltend. Der Widerklage wurde in Höhe von 66.500 € stattgegeben.
Arbeitgeber kann grundsätzlich bei Verdacht gegen vorsätzliche Vertragsverletzung Ermittlungskosten ersetzt verlangen
Zunächst haben die Richter klargestellt, dass die Beauftragung einer auf Unternehmensstrafrecht spezifizierten Anwaltskanzlei durch den Arbeitgeber nicht zu beanstanden sei, wenn gegen einen Einkaufsleiter aufgrund von anonymen Meldungen der Verdacht bestehe, er habe in erheblicher Weise gegen interne Compliance-Regeln verstoßen. Es sei dabei auch nicht zu beanstanden, dass der Arbeitgeber mit den Anwälten eine Honorarvereinbarung abgeschlossen habe, wonach diese ihre Tätigkeit zum Stundensatz von 350 € berechnen würden. Dies deshalb, weil nach der Rechtsprechung des BAG bereits geklärt sei, dass ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer auch die Kosten der Einschaltung eines Detektivs ersetzt verlangen kann, wenn aufgrund konkreten Verdachts überprüft werden solle, ob dieser vorsätzlich gegen Vertragsverpflichtungen verstoßen würde und der Stundensatz sich im Rahmen des Üblichen bei größeren Anwaltskanzleien mit Spezialisierung bewegen würde.
Aus dem Tätigkeitsbericht der Kanzlei habe sich ergeben, dass diese eine Vielzahl von elektronischen Dokumenten sichten und auswerten mussten. Es sei im Rahmen der Aufklärung auch darum gegangen, den Arbeitnehmer mit dem Sachverhalt zu konfrontieren. Der Kläger habe sich dabei unkooperativ verhalten. Es macht im Übrigen keinen Unterschied, ob die Kosten durch Einschaltung eine Detektei, von Wirtschaftsprüfern oder sonstigen forensischen Experten, wie hier der Anwaltskanzlei, entstanden seien. Entscheidend seien vielmehr die aus der Pflichtenstellung der Geschäftsleitung abgeleiteten Ziele bei dem Verdacht auf Compliance-Verstößen: Bei konkreten Hinweisen den Sachverhalt unverzüglich aufzuklären, festgestellte Verstöße abzustellen und ein festgestelltes Fehlverhalten zu sanktionieren. Ansonsten hätte sich die Geschäftsleitung wegen einer eigenen Pflichtverletzung zu verantworten. Damit würde sie sich gegebenenfalls selbst schadenersatzpflichtig machen.
Der Verdacht gegen den Kläger habe sich auch erhärtet, weil die Ermittlungen zutage gebracht hatten, dass dieser mehrfach Champions-League-Spiele des FC Bayern auf Kosten von Geschäftspartnern besucht habe, also der Verdacht eines Compliance-Verstoßes auch bestätigt wurde.
Kosten zur Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen nicht erstattungsfähig
Soweit die Kosten für weitergehende Ermittlungen entstanden sind, die darauf gerichtet waren, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüche vorzubereiten, besteht ein solcher Anspruch dagegen nicht. Dem stünde die Regelung, so die Richter, von § 12a Abs.1 S. 1 ArbGG wird entgegen, wonach auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ausgeschlossen sei.
Anmerkung:
Compliance ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann, gerade auf Führungsebene schnell den Arbeitsplatz kosten. Ein Unrechtsbewusstsein ist hier nach wie vor nicht weit verbreitet. Gleichgültig, ob der Einkäufer dem Geschäftspartner seines Arbeitgebers gleich ganz offen mitteilt, was er als Weihnachtsgeschenk erwarten würde oder ansonsten Geschenke und Vergünstigungen angenommen werden, ohne den Arbeitgeber darüber zu informieren. Wer hier Vorteile in Anspruch nimmt, der kann sich schnell juristischen Ärger einhandeln.