Ist eine Kaufsache mit erheblichen Mängeln behaftet und schafft der Verkäufer nicht durch Nachbesserung Abhilfe, dann kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten und den Kaufpreis gegen Rückgabe der Kaufsache zurückverlangen. Kommt der Verkäufer freiwillig dem nicht nach, dann muss der Anspruch mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden.
Da die Mühlen der Justiz bekanntlich langsam mahlen, wird so mancher Käufer versucht sein, zumal wenn sich die Gelegenheit bietet, während des laufenden Rechtsstreits die Kaufsache zu veräußern. Dies ist zwar grundsätzlich möglich. Es muss dann anstatt der Rückzahlung des Kaufpreises Wertersatz verlangt werden. Was bei einer solchen Veräußerung aber zwingend beachtet werden muss, damit der Rechtsstreit nicht verloren wird, ist dass bereits zuvor die Mangelhaftigkeit der Kaufsache beweissicher festgestellt worden sein muss. Ansonsten droht nämlich der Beweisnotstand und der Rechtsstreit geht verloren.
In einem vom OLG Hamm mit Urteil vom 22.03.2016 (28 U 44/15) entschiedenen Verfahren hatte die Klägerin ein Fahrzeug der Marke Bentley zum Kaufpreis von rund 200.000 € erworben und dann moniert, dass das verbaute Navigationssystem derart mangelhaft gewesen sei, dass es aufgrund falscher Routenführung nahezu unbrauchbar ist. Nach erfolgter Mängelrüge teilte der Verkäufer mit, dass nach Angaben des Herstellers ein Fehler in der Grundprogrammierung der Software vorliege, der mit einer Aktualisierung bis zum Jahresende behoben werden solle. Dies wollte die Käuferin nicht abwarten und erklärte im Mai 2014 den Rücktritt vom Vertrag. Da der Verkäufer das Fahrzeug nicht zurücknehmen wollte kam es zum Rechtsstreit. Der Verkäufer verteidigte sich damit, dass das Navigationssystem dem Stand der Technik entsprechen und fest eingebaute Navigationssysteme nie auf dem neuesten Stand sein und deshalb regelmäßig aktualisiert werden müssten. Im Übrigen sei der gerügte Mangel nicht erheblich.
Nachdem die Klägerin erstinstanzlich bereits unterlegen war, veräußerte sie im Laufe des Berufungsverfahrens das Fahrzeug und verlangte anstelle der Rückzahlung des Kaufpreises nunmehr 25.000 € Wertersatz. Während das Erstgericht zur Feststellung der Mangelhaftigkeit der Kaufsache kein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, weil es der Meinung war, der Mangel sei nicht erheblich, war das Berufungsgericht zwar der Meinung, dass grundsätzlich ein Sachverständigengutachten einzuholen sei. Gleichwohl hat es davon Abstand genommen, weil die Klägerin das streitbefangene Fahrzeug nach dem Verkauf nicht mehr für eine Begutachtung zur Verfügung stellen konnte. Die Klägerin blieb beweisfällig, so dass die Berufung zurückgewiesen wurde. Die Klägerin trägt nämlich als Antragstellerin die Beweislast dafür, dass das in dem Fahrzeug eingebaute Navigationssystem einen technischen Fehler aufgewiesen habe und deswegen vom Stand der Technik abgewichen sei. Auch, wenn die Beklagte außergerichtlich eingeräumt hatte, dass ein Fehler in der Grundprogrammierung vorliege, lasse sich ein derartiger Mangel nur mit Hilfe eines technischen Sachverständigengutachtens klären, so die Richter, wobei der Sachverständige zwingend das in dem verkauften Fahrzeug eingebaute Navigationssystem untersuchen müsse. Aufgrund der Veräußerung sei es aber nicht mehr möglich das zwingend erforderliche Gutachten einzuholen.
Anmerkung:
Wenn die Klägerin nicht „beratungsresistent“ war, dann ist der Rechtsstreit deswegen verloren gegangen, weil ihrem Rechtsanwalt zwei wesentliche Fehler unterlaufen sind. Zunächst hätte der Rechtsanwalt statt einfach Klage zu erheben, jedenfalls dann, wenn die Klägerin sich bereits mit dem Gedanken getragen hat, das Fahrzeug zu veräußern, besser ein selbständiges Beweissicherungsverfahren angestoßen. Bei einem solchen wird sozusagen als Vorstufe zu einem nachfolgenden Rechtsstreit bei Gericht ein Antrag gestellt einen Sachverständigen zur Begutachtung des behaupteten Mangels zu beauftragen. Hierdurch wird regelmäßig gewährleistet, dass das Sachverständigengutachten schneller vorliegt, als dies bei einem Klageverfahren der Fall ist. Solche Beweissicherungsverfahren sind deshalb immer dann zu empfehlen, wenn entweder die Beweislage sich durch Zeitablauf zum Nachteil der Klagepartei zu ändern zu droht oder gar nicht sicher ist, ob ein Mangel vorliegt oder erheblich ist und so eine Klage erfolgreich sein wird. Im Beweissicherungsverfahren gibt es nämlich keine Kostenerstattung, so dass die Partei, die das Verfahren angestoßen hat, nicht mit Kosten der Gegenseite belastet wird, wenn der Sachverständige nicht den für einen Rücktritt erforderlichen Mangel verstellt. Die Einholung eines privaten sachverständigen Gutachtens hätte dagegen nicht genügt, weil ein solches im Rahmen eines Rechtsstreits keinen Beweiswert hat, sondern lediglich wie Parteivortrag behandelt wird.
Der zweite Fehler ist dann mit der Veräußerung des Fahrzeugs passiert. Hier hätte die Klägerin, jedenfalls dann, wenn sie nicht ohne Rücksprache mit ihrem Anwalt gehandelt hat, zwingend darauf hingewiesen werden müssen, dass eine solche Veräußerung dazu führt, dass sie aus Beweislastgründen den Rechtsstreit verlieren wird.
Der Fall verdeutlicht, dass nicht nur bereits der Einstieg in einen Rechtsstreit darüber entscheiden kann, ob dieser erfolgreich ist, sondern dass auch bei Entscheidungen, die während des Rechtsstreits getroffen werden, immer vorausschauend geprüft werden muss, welche Konsequenzen dies für den laufenden Rechtsstreit haben könnte.