Wer als Berufsbetreuer seine „Schützlinge“ nicht gegen Covid 19 impfen lässt bzw. von der Impfung abhält, der riskiert seine Entlassung durch das Betreuungsgericht. Dies hat nun das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 31.05.2021 (1 BvR 1211/21) im Ergebnis bestätigt.
Coronaschutzimpfung sei russischem Roulette vergleichbar
Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, der vom Amtsgericht Frankfurt als Berufsbetreuer bestellt wurde, war von diesem wegen mangelnder Eignung entlassen worden, weil er eine 93 Jahre alte, demente Frau und zwei weitere Betreute von der Coronaschutzimpfung abhalten wollte, indem er die dazu erforderliche Einwilligung verweigert hat. Begründet hat er dies damit, dass wegen der noch nicht zu überblickenden Nebenwirkungen die Risiken einer Impfung größer als deren Nutzen seien. Er empfand das Impfen daher wie „Russisch Roulette“.
Verweigerte Zustimmung zur Impfung der Betreuten zieht Entlassung als Betreuer nach sich
Nachdem auch das Landgericht seine Entlassung bestätigt hatte, wandte er sich ans Bundesverfassungsgericht, fand aber dort kein Gehör. Dieses nahm nämlich seine Verfassungsbeschwerde schon gar nicht zur Entscheidung an, weil keine Annahmegründe nach § 93a BVerfGG vorlägen und nach Auffassung der Verfassungsrichter auch sonst kein Grund für eine Annahme ersichtlich sei. Die Richter rügten weiter, dass die Beschwerde schon mangels hinreichender Begründung unzulässig sei und bereits deshalb keine Erfolgsaussichten habe. Gleichwohl ließen sie sich nicht nehmen, dass auch in der Sache ein Berufsbetreuer, der eine Coronaschutzimpfung für seine Schützlinge verweigert, entlassen werden könne, weil ihm die Eignung zum Berufsbetreuer fehlen würde.
Zur Begründung haben die Richter ausgeführt:
„Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, ein System der Hilfe und des Schutzes für betreute Menschen vorzusehen, welche die Erforderlichkeit einer medizinischen Behandlung zur Abwehr erheblicher Erkrankungen nicht erkennen oder nicht danach handeln können (vgl. BVerfGE 142, 313 <338 Rn. 71>). Nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung (vgl. §§ 1901 ff. BGB) ist der Wille einer betreuten Person wegen ihres grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrechts für den Betreuer und die staatlichen Organe handlungsleitend (vgl. BVerfGE 142, 313 <339 f. Rn. 74>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 2021 – 1 BvR 413/20 -, Rn. 30 f.).
Die Ersetzung des Willens der Betreuten durch den Betreuer und das Betreuungsgericht kommt unter den Voraussetzungen des § 1904 BGB überhaupt nur subsidiär in Betracht, wenn ihr tatsächlicher oder mutmaßlicher Wille nicht festzustellen ist. Wenn die ärztliche Maßnahme – wie hier möglicherweise die Impfung – medizinisch angezeigt ist und bei ihrer Unterlassung eine begründete Gefahr für Leben oder Gesundheit des Betreuten besteht, muss das Betreuungsgericht gemäß § 1904 Abs. 2 BGB die Nichteinwilligung des Betreuers in den Eingriff genehmigen. Ansonsten ist der Betreuer in Erfüllung seiner besonderen Verantwortung für die betreute Person zur Einwilligung in die Maßnahme verpflichtet. Die dauerhafte Nichterfüllung dieser Verpflichtung kann die Entlassung eines Betreuers gemäß § 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB rechtfertigen.“