Im modernen Geschäftsleben ist kostengünstige und schnelle Kommunikation per E-Mail nicht mehr wegzudenken. Was aber ist, wenn Sie eine E-Mail verschickt und keinen Fehlerbericht erhalten haben, der Empfänger aber gleichwohl behauptet, er habe die E-Mail nicht erhalten? Im Normalfall ist dies kein Problem. Man schickt die E-Mail erneut. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen der Zugang eines E-Mail Schreibens mit Rechtsfolgen verknüpft ist, wie dies beispielsweise bei einer Mahnung, die den Zahlungsverzug auslösen soll oder bei der Abgabe von Willenserklärungen jegliche Art. Genügt für den Zugang der Nachweis, dass die E-Mail verschickt wurde, so dass ein Anscheinsbeweis dafür besteht, dass diese beim Empfänger auch zugegangen sein muss, oder muss der Absender im Streitfall den Nachweis dazu führen, dass die E-Mail den Empfänger auch so erreicht hat, dass er die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte?
Rechtlicher Rahmen
Nach § 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Ein Zugang ist dann erfolgt, wenn die Erklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass die Kenntnisnahme unter normalen Umständen möglich wäre. Bei physischen Dokumenten, wie einem Brief oder einem Einschreiben, ist dies relativ eindeutig feststellbar. Die digitale Kommunikation, speziell einfache E-Mails, stellt jedoch eine Herausforderung für dieses Rechtsverständnis dar. Die Frage, ob dieser Grundsatz auch auf einfache E-Mails anwendbar ist, führt zu diversen juristischen Diskussionen.
Die gerichtliche Praxis zeigt ein differenziertes Bild: Während einige Gerichte einen Zugang bereits dann als erfolgt sehen, wenn die E-Mail in den elektronischen Posteingang des Empfängers gelangt, verlangen andere konkretere Beweise für die tatsächliche Kenntnisnahme.
Kein Anscheinsbeweis für den Zugang einer einfachen E-Mail
Das OLG Rostock hat in seinem Beschluss vom 03.04.2024 (7 U 2/24) klar dargelegt, dass für den Zugang einer einfachen, ohne Empfangs- oder Lesebestätigung versendeten E-Mail kein Anscheinsbeweis angenommen werden kann. Das Gericht argumentiert, dass die bloße Absendung der E-Mail und das Ausbleiben einer Unzustellbarkeitsmeldung nicht ausreichen, um den Anscheinsbeweis zu begründen. Diese Auffassung steht im Einklang mit der überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur.
Die Begründung des Gerichts stützt sich auf die technische Realität des E-Mail-Verkehrs, bei dem zahlreiche Unsicherheitsfaktoren wie Spam-Filter, technische Störungen oder einfach das Nicht-Öffnen der E-Mail durch den Empfänger den tatsächlichen Zugang beeinträchtigen können. Das Gericht weist darauf hin, dass die E-Mail-Kommunikation unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen noch nicht in einem Maße typisch und zuverlässig ist, dass eine Beweiserleichterung gerechtfertigt wäre.
Praktische Konsequenzen
Für die Praxis bedeutet diese Entscheidung, dass Absender von wichtigen Mitteilungen per E-Mail, insbesondere im geschäftlichen und rechtlichen Kontext, nicht davon ausgehen können, dass ihre Nachrichten allein durch den Versand als zugegangen gelten. Es empfiehlt sich, zusätzliche Maßnahmen wie die Verwendung von Lesebestätigungen zu ergreifen oder auf sicherere Übermittlungswege zurückzugreifen, um den Zugang rechtssicher zu dokumentieren.