Noch läuft die deutsche Wirtschaft auf Hochtouren und die Steuereinnahmen sprudeln. Dies sind jedenfalls die Meldungen, die die Tagespresse gerne verbreitet. Doch die Anzeichen dafür, dass auch der Motor der Wirtschaftskraftmacht Deutschland bald ins Stottern geraten könnte, mehren sich. Erst unlängst haben Pressemitteilungen aufhorchen lassen, wonach das Einrichtungshaus Möbel Mahler hier in der Region in Wolfratshausen im Januar 2016 schließen wird und damit rund 260 Mitarbeiter ihren Job verlieren werden.
Damit Sie gut vorbereitet sind und Bescheid wissen erklären wir Ihnen nachfolgend worauf Sie achten müssen, wenn Sie eine betriebsbedingte Kündigung erhalten.
1. Schriftform der Kündigung
Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen. Mündliche ausgesprochene Kündigungen oder aber auch Kündigungen per E-Mail sind unwirksam. Die Kündigung muss auch von einem Vertretungsberechtigten unterschrieben worden sein. Bestehen Zweifel an der Vertretungsmacht, weil kein kraft Gesetzes zur Vertretung berechtigtes Organ (z.B. Vorstand, Geschäftsführer, Prokurist) unterschrieben hat oder aber wird bei einer Einzelvertretung dem Kündigungsschreiben keine schriftliche Originalvollmacht beigefügt, so sollte jedenfalls im Rahmen eines Rechtsstreits die Vertretungsmacht gerügt bzw. nach Erhalt der Kündigung diese mangels Vollmachtvorlage zurückgewiesen werden.
Gerade dann, wenn die Kündigung kurz vor Ablauf eines Monats zugegangen ist, kann durch eine unverzügliche Zurückweisung gegebenenfalls erreicht werden, dass die nächste Kündigung erst zu Beginn des nächsten Monats ausgesprochen werden kann und damit das Arbeitsverhältnis faktisch auf jeden Fall einen Monat länger besteht. Die richtige Taktik kann hier also bares Geld bedeuten.
2. Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung
Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, so muss dieser vor Ausspruch jeder Kündigung gehört werden. Ist die Anhörung nicht erfolgt, dann hat dies die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.
3. Massenentlassungsanzeige bei Massenentlassung
Liegt eine Massenentlassung vor, dann muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassungsanzeige machen, also die Bundesagentur für Arbeit informieren. Versäumt er dies, kann auch deshalb eine Kündigung unwirksam sein. Von Massenentlassung spricht man, wenn der Arbeitgeber innerhalb von 30 Kalendertagen eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern, die nach Betriebsgröße gestaffelt ist, entlässt. Hat beispielsweise ein Betrieb über 20 und unter 60 Arbeitnehmern spricht man bereits bei 5 gekündigten Arbeitnehmern von einer Massenentlassung. Bei 60 Arbeitnehmern bis weniger als 500 Arbeitnehmern müssen, damit eine Massenentlassung vorliegt 10 % oder mehr als 25 Arbeitnehmer gekündigt werden. Außerordentliche Kündigungen, also fristlose Kündigungen, spielen bei der Berechnung keine Rolle, werden also nicht berücksichtigt.
4. Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt
Bei der Kündigung von Schwerbehinderten muss vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden. Wurde dies versäumt ist die Kündigung aus diesem Grund unwirksam. Der Arbeitgeber muss also zunächst die Zustimmung einholen und dann erneut kündigen. Selbst, wenn das Integrationsamt dann zustimmt, so kann hierdurch, wenn der Arbeitgeber dies übersehen hat, was in der Praxis durchaus vorkommt, erreicht werden, dass das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall mehrere Monate weiter fortbesteht. Für den Arbeitnehmer bedeutet dies wiederum bares Geld.
5. Unwirksamkeit der Kündigung wegen eines Betriebsübergangs
Besteht der Verdacht, dass ein Betriebsübergang vorliegt, dann sollte gerügt werden, dass die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs erfolgt ist. Trifft dies nämlich zu, dann ist die Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam. Gerade bei (schlecht vorbereiteten) Betriebsübergängen kommt es vor, dass der alte Arbeitgeber noch vor dem Übergang versucht diejenigen Arbeitnehmer loszuwerden, die der Übernehmer nicht übernehmen möchte. Im Fachjargon spricht man auch davon, dass „die Braut geputzt werden soll“.
Wer im Rechtsstreit diese Karte erfolgreich spielt, setzt den Arbeitgeber erheblich unter Druck, so dass dieser regelmäßig bereit sein wird, sich im Rahmen einer zu verhandeln Abfindungen besonders großzügig zu zeigen.
6. Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz
Sind im Betrieb mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt und besteht das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate, dann greift allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz ein. Dies bedeutet dass die (betriebsbedingte) Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt ist, wenn sie dringend betrieblich bedingt ist und die Grundsätze der Sozialauswahl beachtet worden sind.
a) Besonderheit: Kündigung gegen Abfindung
Entgegen einer landläufig verbreiteten Meinung hat die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht auch automatisch einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Abfindung zur Folge. Ein Fall in dem dies ausnahmsweise gesetzlich geregelt ist § 1a Kündigungsschutzgesetz. Hier bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gleich bei Ausspruch der Kündigung ½ Bruttogehalt pro Beschäftigungsjahr als Abfindung an unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erhebt. Die Regelung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Kündigungsschutzklagen zwar dem Wortlaut nach auf den Erhalt des Arbeitsplatzes gerichtet sind, das Gericht soll also feststellen, dass die Kündigungen unwirksam war und das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. In der Praxis werden aber sicherlich 95 % aller Kündigungsschutzklagen so erledigt, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich darauf einigen, dass das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist endet und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Gegenzug für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung bezahlt. Der sogenannte „Haustarif“ des Arbeitsgerichts München, aber auch andere Arbeitsgerichte, beträgt ½ Bruttogehälter pro Beschäftigungsjahr, wobei Haustarif bedeutet, dass das Arbeitsgericht in seinem Bemühen im Gütetermin den Rechtsstreit durch Vergleich zu beenden regelmäßig Abfindungszahlungen in dieser Größenordnung vorschlägt. Um die Arbeitsgerichte zu entlasten hat also hier der Gesetzgeber versucht einen Ausgleich zwischen den Interessen des Arbeitgebers einerseits und des Arbeitnehmers andererseits zu schaffen, indem er dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt hat, dem Arbeitnehmer gleich mit Ausspruch der Kündigung eine Abfindung der Höhe nach gesetzlich bestimmt ist anzubieten, um einen Rechtsstreit, bei dem es nur um eine Abfindung geht, zu verhindern.
b) Kündigung aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt
Eine betriebsbedingte Kündigung kann aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen gerechtfertigt sein. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber im Arbeitsprozess erläutern muss, welche unternehmerische Entscheidung er getroffen hat und wieso und weshalb diese Entscheidung zu einem dauerhaften Wegfall von Arbeitsbedarf in seinem Betrieb führt. Auch, wenn die Unternehmerentscheidung nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfbar ist und es nicht darauf ankommt, ob dies auch wirtschaftlich sinnvoll ist, weil beispielsweise der Arbeitgeber sich entscheidet Tätigkeiten, die bislang in seinem Betrieb ausgeführt worden sind nach außen zu vergeben (sogenanntes Outsourcing) genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber zur Rechtfertigung seiner Kündigung pauschal Umsatzrückgang behauptet oder lediglich dazu vorträgt, dass Einsparungen notwendig wären. Der Arbeitgeber muss hier beispielsweise darlegen und beweisen, dass er sich wegen Umsatzrückgangs zu einem Personalabbau in einem näher bestimmten Umfang in bestimmten Abteilungen oder bei bestimmten Arbeitnehmergruppen entschlossen hat. Er muss dabei nicht nur die Zahlen auf den Tisch legen, sondern dem Gericht auch erläutern, wie er die verbleibenden Arbeitsaufgaben künftig erledigen lassen will.
Umsatzrückgang, beispielsweise ausgelöst durch den Verlust eines Großkunden, ist dabei ein außerbetrieblicher Grund.
Die Verlagerung von bisher im Betrieb geleisteten Arbeiten nach außen auf einen Drittanbieter, weil sich der Arbeitgeber hierdurch eine größere Effektivität und damit Kostenersparnis verspricht, wäre ein Beispiel für eine innerbetriebliche Entscheidung.
c) Dringlichkeit der Kündigung
Hat der Arbeitgeber hinreichend dargelegt, dass die Kündigung betriebsbedingt ist, also seine Entscheidung zum Wegfall von Arbeitsbedarf führt, so müssen die betrieblichen Erfordernisse noch dringlich sein. Dies bedeutet, dass im Betrieb oder Unternehmen kein anderer freier und vergleichbarer Arbeitsplatz vorhanden sein darf, der dem Arbeitnehmer angeboten werden könnte. Ein Arbeitsplatz ist dann frei, wenn er zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits umgesetzt war, oder aber voraussichtlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist frei werden wird. Vergleichbar ist ein Arbeitsplatz dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Weisungsrechts auf diesen Arbeitsplatz umsetzen könnte, also nicht zuvor eine Änderungskündigung ausgesprochen werden müsste.
Während ein Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf hat, dass ihm ein höher qualifizierter Arbeitsplatz angeboten wird, es sei denn eine solche Qualifizierung wäre mit zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen zu erreichen, muss der Arbeitgeber grundsätzlich auch geringwertigere Arbeitsplätze im Rahmen einer Änderungskündigung anbieten. Dies gebietet nämlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wonach eine Beendigungskündigung erst dann wirksam ausgesprochen werden kann, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht.
Ein minderwertigerer Arbeitsplatz braucht nur dann nicht angeboten zu werden, wenn der Arbeitnehmer das Angebot als Beleidigung empfinden müsste, also beispielsweise der Assistentin der Geschäftsleitung würde eine freie Stelle als Raumpflegerin angeboten werden.
d) Korrekte Sozialauswahl durchgeführt
Sozialauswahl bedeutet dabei, dass nur derjenige Arbeitnehmer gekündigt werden kann, der sozial am wenigsten schutzbedürftig ist. Als Kriterien für die Schutzbedürftigkeit nennt das Gesetz dabei die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers und Schwerbehinderungen. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass der Arbeitgeber jüngere Mitarbeiter mit kurzer Betriebszugehörigkeit und ohne Unterhaltspflichten vorrangig zu kündigen hat.
Sie sollten deshalb bei einer betriebsbedingte Kündigung stets verlangen dass der Arbeitgeber die Gründe angibt, die zu der von ihm getroffenen Sozialauswahl geführt haben. Gerade die Sozialauswahl ist oft für Arbeitgeber sehr fehleranfällig, weil nicht klar ist welche Arbeitnehmer mit einzubeziehen und wie die vom Gesetz vorgegebenen Parameter im einzelnen zu gewichten sind. Vom Grundsatz her sind bei der Sozialauswahl alle Arbeitnehmer die miteinander horizontal vergleichbar, also aufgrund ihrer Qualifikation und Tätigkeit untereinander austauschbar sind, mit einzubeziehen. Arbeitnehmer die unkündbar oder wegen besonderer Kenntnisse oder Qualifikationen für den Betrieb besonders wichtig sind, können dabei im Einzelfall ausgenommen werden.
7. Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht
Wichtig: Wollen Sie eine Kündigung angreifen, dann müssen Sie innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht erheben. Wird diese Frist versäumt, dann ist die Kündigung grundsätzlich wirksam.
Beim Arbeitsgericht besteht kein Anwaltszwang, so dass grundsätzlich jeder selbst eine solche Klage, jedenfalls zur Fristwahrung, erheben kann. Empfehlenswert ist dies aber nicht, weil ohne fachkundigen Rechtsbeistand kaum richtig vorgetragen werden kann, um im Prozess erfolgreich zu sein. Auch, wenn es darum geht Abfindungen zu verhandeln ist es regelmäßig sinnvoller sich von einem versierten Rechtsanwalt vertreten zu lassen.
Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung, dann ist regelmäßig Arbeitsrechtsschutz mitversichert, so dass die Versicherung die Kosten übernimmt.
Falls nicht, und Sie sich keinen Rechtsanwalt leisten können, gibt es im Arbeitsrecht auch gute Chancen, dass Ihnen auf Antrag Prozesskostenhilfe bewilligt wird, also die Staatskasse die Kosten ganz oder teilweise übernimmt. In diesem Fall müssen Sie allerdings offen legen, wie Ihre Vermögensverhältnisse aussehen, damit das Gericht überprüfen kann, ob Sie im Sinne der Prozesskostenhilfevorschriften bedürftig sind.
Haben auch Sie eine Kündigung erhalten? Unsere Anwälte helfen Ihnen gerne Ihre Ansprüche mit Nachdruck durchzusetzen.