Im Fall eines Betriebsübergangs gehen nach § 613a BGB bestehende Arbeitsverhältnisse auf den Übernehmer über. In der Praxis der Unternehmenssanierung und Unternehmensinsolvenz wird manchmal versucht diese Regelung zu umgehen. Investoren sehen nämlich oft nur dann eine Chance, wenn sie nicht das gesamte Unternehmen, sondern nur Teile und die dafür erforderlichen Mitarbeiter übernehmen. Nach dem Motto „Die Guten ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen“ erhalten die Leistungsträger Angebote zum Abschluss neuer Arbeitsverträge; nicht mehr benötigte Mitarbeiter erhalten dagegen die Kündigung. Die Arbeitsgerichte haben sich daher oft mit der Frage zu beschäftigen, ob die Übernahme eines Unternehmensteils oder einer Mehrheit von Mitarbeitern einen Betriebsübergang darstellt, so dass die Kündigungen einzelner Mitarbeiter unwirksam sind.
Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 21.06.2012 (8 AZR 181/11) , mit der Frage befasst, ob ein Betriebsübergang vorliegt, wenn mehr als die Hälfte der in einem IT-Service-Betrieb beschäftigten IT-Servicetechniker, EDV-Servicemitarbeiter und Führungskräfte übernommen worden ist, und dies im Ergebnis bejaht.
Die Orientierungssätze des Gerichts lauten:
- In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen.
- Im Falle der Veräußerung ist die Wahrung der Identität dieser wirtschaftlichen Einheit anzunehmen, wenn der Erwerber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, welches der Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Es hängt dann von der Struktur des Betriebs oder Betriebsteils ab, welcher nach Zahl und Sachkunde zu bestimmende Teil der Belegschaft übernommen werden muss, um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB anzunehmen. Entscheidend ist, ob der weiterbeschäftigte Belegschaftsteil, insbesondere aufgrund seiner Sachkunde, seiner Organisationsstruktur und nicht zuletzt auch seiner relativen Größe im Grundsatz funktionsfähig bleibt.
- Werden mehr als die Hälfte der in einem IT-Service-Betrieb beschäftigten IT-Servicetechniker, EDV-Servicemitarbeiter und Führungskräfte übernommen, so kann dies aufgrund des hohen Qualifikationsgrades dieser Mitarbeiter die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals darstellen.
Tipp:
Um die Folgen des § 613a BGB ausschließen zu können ist es aus Sicht eines Unternehmens zwingend erforderlich zuvor qualifizierten anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen, da ansonsten die Gefahr besteht, dass die gesamte Belegschaft übernommen werden muss. Dies lässt sich oft durch die richtige Strategie umgehen.
Besteht dagegen Veranlassung zu der Annahme, dass die Kündigung eines Arbeitnehmers durch einen Betriebsübergang motiviert sein kann, dann empfiehlt es sich als Arbeitnehmer regelmäßig gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage einzureichen, da nur so verbindlich geklärt werden kann, ob die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs erfolgt und damit unwirksam ist.
Alternativ dazu besteht auch die Möglichkeit in bestimmten Fällen aufgrund des Betriebsübergangs eine Wiedereinstellung bei Gericht zu erstreiten.