Bewertungserpressung ist bekanntermaßen ein zunehmendes Phänomen im Onlinehandel, mit dem sich Verkäufer, aber auch Dienstleister, herumschlagen müssen. Erstaunlich ist, dass manche Käufer/Kunden (und manchmal auch dann deren Rechtsanwälte) nicht einsehen, dass dann, wenn etwas gefordert wird, worauf kein Rechtsanspruch besteht und die Nichterfüllung dieser Forderung dann mit einer negativen Bewertung quittiert bzw. mit einer solchen gedroht wird, der Erpressungstatbestand bereits erfüllt sein kann. Wenn der Bewertete hier keinen Spaß versteht, dann droht nicht nur ein Schreiben vom Anwalt, sondern auch Post vom Staatsanwalt.
Streit um die Rücknahme einer Garderobe
Im heutigen Fall hatte eine Käuferin aus Berlin bei einem Händler in Köln eine Garderobe über die Plattform etsy bestellt. Achteinhalb Wochen nach dem Kauf, also weit nach Ablauf der gesetzlichen Widerrufsfrist, hat sie sich dann per E-Mail an den Verkäufer gewandt und mitgeteilt, dass sie nun 2 Monate mit dem Versuch verbracht hätte die Garderobe an der Wand anzubringen. Details wollte sie ersparen. Die Wand sei jetzt jedenfalls kaputt, die Garderobe noch heile. Sie habe jetzt so viele Löcher in der Wand, dass sie die Garderobe dort nicht mehr aufhängen könne und wolle sie daher zurückgeben.
Nachdem der Verkäufer mit Verweis auf die abgelaufen Widerrufsfrist die Rücknahme abgelehnt hat und er sich zugleich auch nicht vorstellen könne, dass jemand über 2 Monate benötigen würde, um eine Kleiderstange aufzuhängen, schrieb die Käuferin, dass es ja doch anders sei, nämlich sie habe zunächst einen kleinen Welpen und anschließend Corona bekommen. Von daher habe sie es wirklich nicht geschafft, sich früher um die Montage zu kümmern. Sie empfinde es deshalb als nicht gerechtfertigt, dass die Rücknahme abgelehnt werde. Von daher könne sie leider auch keine positive Bewertung in dem Shop hinterlassen, was sie als sehr schade empfinde. Übersetzt bedeutet dies, dass für den Fall, dass der Verkäufer bereit ist, etwas zu machen, worauf die Kundin keinen Rechtsanspruch hat, sie dies mit einer positiven Bewertung “belohnen“ würde, er aber andernfalls mit einer negativen Bewertung zu rechnen haben.
Es kommt dann, wie es in derartigen Fällen immer kommt, nämlich es erfolgt postwendend eine Bewertung mit nur einem Stern. Im Bewertungskommentar gibt die Käuferin an, der Kundenservice sei eine Vollkatastrophe, weswegen sie mit nur einem Stern bewertet habe. Darauf, dass sie etwas verlangt hatte, worauf kein Rechtsanspruch besteht, hat sie nicht hingewiesen. Es wurde hier also zugleich eine unwahre Tatsachenbehauptung durch Unterlassen aufgestellt.
Verkäufer möchte dem Druck nachgeben und bietet Rücknahme gegen Löschung der Bewertung an
Der Verkäufer entschließt sich nun dazu die Ware zurückzunehmen, wenn die Käuferin dafür die negative Bewertung löscht.
Damit ist die Sache aber noch keinesfalls zu Ende, denn das genügt der Käuferin nicht mehr. Jetzt möchte sie noch zusätzlich, dass der Verkäufer auch die Kosten für die Rücksendung (auf die wie ausgeführt kein Rechtsanspruch besteht) übernimmt …
Der Verkäufer, der zwischenzeitlich, obwohl die Stange nicht zurückgeschickt wurde, den Kaufpreis erstattet hat, erklärt sich nun auch dazu bereit, möchte aber, dass die Käuferin dann in ihrer Bewertung erwähnt, dass die Stange aus Kulanz außerhalb der Widerrufsfrist zurückgenommen wurde.
Zur allgemeinen Überraschung teilt die Käuferin jetzt mit, dass sie es sich jetzt anders überlegt habe und die Stange nicht zurückschicken werde. Sie werde diese vielmehr jetzt über eBay Kleinanzeigen anderweitig verkaufen. Den bereits zurückgezahlten Kaufpreis erstattet sie zunächst nicht … Dieser wird erst zurückgezahlt, nachdem sie unser Anwaltsschreiben erhalten hat.
Bewertungserpressung ist kein Kavaliersdelikt
Bewertungserpressung ist kein Kavaliersdelikt, denn in § 253 StGB ist unmissverständlich geregelt:
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
Wer also seine „Bewertungsrecht“ dazu einsetzt, um vom Verkäufer etwas zu erlangen, worauf kein Rechtsanspruch besteht, und sei es nur wie hier, eine Rücknahme nach abgelaufener Widerrufsfrist und die Zahlung von Rücksendekosten, der verwirklicht den Tatbestand des Abs. 1 und macht sich strafbar und zwar unabhängig davon, ob der Verkäufer dann darauf eingeht oder nicht, denn nach Abs. 3 ist bereits der Versuch strafbar. Im geschilderten Fall kommt noch erschwerend hinzu, dass die Käuferin durch ihr Verhalten den Verkäufer sogar dazu veranlasst hat, den Kaufpreis zurückzuzahlen, sich dann aber entschlossen hat, die Ware nicht zurückzugeben, also plötzlich Kaufpreis und Ware, oder anders ausgedrückt Ware ohne Bezahlung hatte. Das ist nicht lustig, sondern hier kann sich die nächste Strafbarkeit wegen Betrugs aus § 263 StGB ergeben …
Anmerkung:
Auch die Bewertung ist zwischenzeitlich gelöscht.