Die in München ansässige jameda GmbH, eine 100-prozentige Tochter der Burda Digital GmbH, wirbt damit für sich Deutschlands größte Arztempfehlung zu sein. Patienten könnten, so die Werbung, unter allen niedergelassenen Ärzten Deutschlands den passenden Arzt für ihre Bedürfnisse finden. Dabei würden die Empfehlungen anderer Patienten, aber auch die von Ärzten bereitgestellten Informationen, helfen. Das, was auf den ersten Blick aus Patientensicht verlockend und vielversprechend klingt, ist auf den zweiten Blick nichts anderes als ein Geschäftsmodell, weil derjenige Arzt, der besonders hervorgehoben werden möchte einen kostenpflichtigen Premiumeintrag, für den er monatlich einen bestimmten Betrag bezahlt, buchen muss. Die Preise dafür liegen derzeit monatlich zwischen 59 € für den Silbereintrag und 139 € für den Platineintrag. Es wird auch damit geworben, dass sich ein solcher Eintrag ab der Stufe Gold auch positiv auf die Google-Positionierung der einzelnen Arztpraxis auswirken soll.
Das Geschäftsmodell besteht aber nicht nur darin, dass sich zahlende Ärzte mit einem erweiterten Profil zukünftigen Patienten darstellen können, sondern beim Aufruf eines Profils eines nicht zahlenden Arztes werden zugleich mit als „Anzeige“ gekennzeichnet die Profilbilder unmittelbarer Konkurrenten gleicher Fachrichtung im örtlichen Umfeld mit Entfernungsangaben und Noten eingeblendet. Demgegenüber blendet die Beklagte bei Ärzten, die sich bei ihr kostenpflichtig registriert und ein „Premium-Paket“ gebucht haben, keine Konkurrenten auf deren Profil ein.
Eine Dermatologin aus Köln, die in dem Portal ohne ihr Zutun gelistet war, sah darin ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt und klagte auf vollständige Löschung. Während noch die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hat sie nun vor dem BGH mit Urteil vom 20.02.2018 (VI ZR 30/17) Recht bekommen.
Wettbewerbsverzerrung unter niedergelassenen Ärzten durch Bewertungsportal jameda
Niedergelassene Ärzte sind nicht nur Halbgötter in Weiß, sondern auch Unternehmer. Der Kampf um Patienten, insbesondere Privatpatienten, ist daher groß und wird mit harten Bandagen geführt. Zur Patientenbindung bezahlen manche Ärzte ihren Arzthelferinnen pro Privatpatient quartalsweise Prämien, damit diese die Privatpatienten besonders höflich und zuvorkommend behandeln, so dass sie dauerhaft in der Praxis verbleiben. Aber auch der Kampf um neue Patienten ist hart. Die Klägerin sah deshalb eine Verzerrung des Wettbewerbs dadurch, dass zahlende Ärzte nicht nur besser behandelt wurden, sondern sogar noch die unfreiwilligen Einträge der nichtzahlenden Ärzte dazu verwendet wurden, Premium Mitglieder möglichen Patienten besonders anzupreisen und so den Patientenverkehr umzuleiten. Bereits im Jahr 2015 hatte sie insgesamt 17 abrufbare Bewertungen auf ja Mieder beanstandet. Nachdem diese gelöscht worden waren, war ihre Gesamtnote von 4,7 auf 1,5 angestiegen.
Mit der hier verfolgten Klage wollte sie nicht länger „Steigbügelhalter“ für die zahlende Konkurrenz sein. Sie verlangte daher von jameda vollständige Löschung ihres Eintrags in www.jameda.de, die Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröffentlichten Daten, auf Unterlassung der Veröffentlichung eines sie betreffenden Profils auf der genannten Internetseite. Da jameda dem Verlangen nicht nachkam, landete der Rechtsstreit vor Gericht und die Klägerin unterlag sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht.
jameda hat Daten unzulässig gespeichert
Obwohl der 6. Senat des BGH bereits mit Urteil vom 23.09.2014 (VI ZR 358/13) im Grundsatz entschieden hatte, dass eine Speicherung der personenbezogenen Daten mit einer Bewertung der Ärzte durch Patienten zulässig sei, ist der Senat im vorliegenden Fall von seiner eigenen Rechtsprechung abgewichen und hat einen Löschungsanspruch nach § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG bejaht.
Dies deshalb, weil sich nach Auffassung der Richter der nunmehr zur Entscheidung anstehende Rechtsstreit in einem ganz entscheidenden Punkt von dem Verfahren aus dem Jahr 2014 unterschieden hat. jameda hat nämlich dadurch, dass Ärzte, die einen Premiumeintrag gebucht haben, anders behandelt wurden als die nichtzahlenden Ärzte mit bloßen Basisdaten seine Stellung als neutraler Informationsmittler verlassen.
Während jameda bei den nichtzahlenden Ärzten dem ein Arztprofil aufsuchenden Internetnutzer die „Basisdaten“ nebst Bewertung des betreffenden Arztes anzeigt und ihm mittels des eingeblendeten Querbalkens „Anzeige“ Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten bietet, lässt sie auf dem Profil ihres „Premium“-Kunden – ohne dies dort dem Internetnutzer hinreichend offenzulegen – solche über die örtliche Konkurrenz unterrichtenden werbenden Hinweise nicht zu. Nimmt sich die Beklagte aber in dieser Weise zugunsten ihres Werbeangebots in ihrer Rolle als „neutraler“ Informationsmittler zurück, dann kann sie ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber dem Recht der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) auch nur mit geringerem Gewicht geltend machen, so die Richter. Das führt hier zu einem Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin, so dass ihr ein „schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung“ ihrer Daten (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG) zuzubilligen ist.
jameda hat bereits reagiert
Wer nun meint Ende gut alles gut, der irrt, denn jameda hatte sich offensichtlich schon hinreichend darauf vorbereitet in diesem Verfahren zu unterliegen. Da der BGH nämlich in seiner Pressemitteilung unter Bezugnahme auf seine vorangegangene Rechtsprechung im Grundsatz den Informationsanspruch des Patienten bestätigt hat, also nunmehr nur die bisherige Geschäftspraxis von jameda beanstandet wurde, ist dem Urteil bereits entsprochen, wenn die beanstandeten Anzeigen der konkurrierenden, zahlenden Ärzte gelöscht werden. Dann würde nach den Vorgaben des BGH eine Grundrechtsabwägung wohl wieder zugunsten von jameda ausfallen.
Deshalb hat das Bewertungsportal auch rasch seine Einträge entsprechend angepasst, sodass eine Löschung unterbleiben konnte. Solange sich aus dem bislang noch nicht vorliegenden Urteilsgründen nichts anderes ergibt, kann also jameda weiter damit werben, dass Patienten dort alle in Deutschland niedergelassenen Ärzte finden, weil diese sich nach wie vor nicht aus dem Portal löschen lassen können.
Das, was also auf den ersten Blick als Sieg für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aussieht, ist auf den zweiten Blick ein zahnloser Papiertiger, da nunmehr ein Gericht wieder in jedem Einzelfall prüfen muss, ob die Veröffentlichung zulässig ist. An Rechtssicherheit ist damit nichts gewonnen.