Vor Gericht geht es oft hoch her, wenn Parteien und ihre Rechtsanwälte darum streiten den Fall für sich zu entscheiden. Manchmal fallen auch Worte, die durchaus beleidigenden Charakter haben können. Im Äußerungsrecht unerfahrene Rechtsanwälte glauben daher gelegentlich sie könnten gegen Äußerungen, die nach ihrer Meinung beleidigend oder verleumderisch waren, gesondert mit Ehrschutzklagen oder Strafanzeigen vorgehen. Eine solche Vorgehensweise ist aber regelmäßig nicht erfolgreich, da sowohl Parteien als auch ihre Rechtsvertreter im Rahmen eines Rechtsstreits besonderen Schutz genießen. Ehrschutzklagen sind daher regelmäßig bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig.
Diese Erfahrung musste auch ein Kläger machen, dessen Ehefrau während eines Auslandsurlaubs auf ungeklärte Weise zu Tode kam, und der sofort die Leiche im Ausland einäschern ließ. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland, wollte er die Lebensversicherung seiner verstorbenen Ehefrau in Anspruch nehmen und sich rund 1,6 Millionen EUR auszahlen lassen. Obwohl das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt worden war, hat sich die Lebensversicherung damit verteidigt, dass sie nicht zahlungspflichtig sei, weil zahlreiche Indizien dafür sprechen würden, dass er seine Ehefrau getötet habe. Sie bezeichnete ihn als Mörder.
Da die Versicherung ihre Behauptungen im Zivilverfahren nicht beweisen konnte wurde sie zur Zahlung verurteilt. Dies genügte dem Ehemann aber nicht, sondern er klagte jetzt erneut gegen die Versicherung und verlangte nunmehr Entschädigung dafür, dass die Versicherung ihn im vorangegangenen Rechtsstreit einen Mörder genannt hatte.
Die Klage blieb auch vor dem BGH (Urteil v. 28.02.2012 – VI ZR 79/11) erfolglos, weil – wie eingangs ausgeführt – Äußerungen im Vorprozess nicht gesondert zum Gegenstand eines weiteren Verfahrens gemacht werden können. Zur Erklärung führten die Richter aus:
„Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis (Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, VersR 2008, 357 Rn. 12 mwN; vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2007, 840 f. mwN; BGH, Urteil vom 9. April 1987 – I ZR 44/85, WRP 1987, 627, 628 – Gegenangriff). Das sogenannte Ausgangsverfahren soll nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 – VI ZR 169/91, VersR 1992, 443 mwN; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, VersR 2005, 277 f.). Vielmehr müssen die Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Der von der ehrkränkenden Äußerung Betroffene kann weder Unterlassungs- noch Widerrufsansprüche geltend machen (vgl. Senatsurteile vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503 mwN.; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, aaO, S. 278; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 13). Dies trägt dem Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung (vgl. BVerfG, NJW 1991, 29; NJW-RR 2007, 840, 841; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17, jeweils mwN). Die Rechte des Betroffenen werden hinreichend dadurch gewahrt, dass ihm bereits im Ausgangsverfahren prozessual wie materiellrechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereitstehen; er kann schon in diesem Verfahren die Behauptung des Prozessgegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, NJW 1962, 243, 244; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 13, 16).“
Gleichzeitig haben die Richter klargestellt, dass auch Äußerungen, die gegenüber Strafverfolgungsbehörden im Rahmen einer Strafanzeige getätigt werden, grundsätzlich nicht angegriffen werden können und dazu ausgeführt:
Diese Grundsätze gelten entsprechend für Äußerungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden (Senatsurteile vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, NJW 1962, 243, 245; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vgl. auch BVerfGE 74, 257, 258, 262 f.; BVerfG, NJW 1991, 29, 30; Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17). Wer der Staatsanwaltschaft oder der Polizei seinen Verdacht mitteilt, dass ein anderer eine strafbare Handlung begangen habe, berührt zwangsläufig die Ehre des anderen. Das kann ihm nicht verwehrt werden; denn mit der Erstattung der Anzeige übt er ein jedem Staatsbürger zustehendes Recht aus. Die Strafanzeige eines Bürgers liegt darüber hinaus grundsätzlich im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; der Rechtsstaat kann darauf bei der Strafverfolgung nicht verzichten (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, aaO; BVerfGE 74, 257, 262). Aus diesen Gründen muss der Anzeigende im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren grundsätzlich das vorbringen dürfen, was er nach seinem Ermessen zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält. Den berechtigten Belangen des in seiner Ehre Betroffenen ist durch die Bestimmung des § 164 StGB (falsche Verdächtigung), die Kostenregelung in § 469 StPO für den Fall einer vorsätzlich oder leichtfertig erstatteten unwahren Anzeige sowie die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens hinreichend Rechnung getragen. Für zivilrechtliche Abwehransprüche ist dagegen in aller Regel kein Raum (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, aaO; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, aaO; BVerfGE 74, 257, 262; Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, aaO).“
Fazit:
Wer vor Gericht streitet,sollte nicht zart besaitet sein, denn er muss auch hinnehmen, dass er (ungesühnt) härter angepackt werden darf, als dies im normalen Leben der Fall ist.