Der Erbe muss die Erbschaft nicht aktiv annehmen. Er muss vielmehr das Erbe ausschlagen, wenn er nicht automatisch Erbe werden möchte.
Wird die sechswöchige Frist zur Ausschlagung der Erbschaft versäumt, weil beispielsweise der Erbe erst danach Kenntnis davon erlangt, dass der Nachlass überschuldet ist, dann kann unter bestimmten Voraussetzungen die (automatische) Annahme durch Anfechtung beseitigt werden. Die wirksame Anfechtung gilt dann als Ausschlagung.
In einem nun letztinstanzlich vom BGH (Beschluss vom 10.06.2015, IV ZB 39/14) entschiedenen Fall hatte eine Erbin zunächst die Annahme mit der Begründung wirksam angefochten, sie habe erst nach Verstreichen der Ausschlagungsfrist davon Kenntnis erhalten, dass der Nachlass überschuldet sei.
Später hat sie dann die Anfechtung der Ausschlagung selbst angefochten, weil sie nunmehr Kenntnis davon erlangt hatte, dass der Nachlass doch nicht überschuldet gewesen ist, weil im Nachlass die Beteiligung an einer anderen Erbschaft lag, die die Vermögenssituation in einem anderen Licht erscheinen ließ. Da sowohl das Nachlassgericht als auch das Beschwerdegericht der Meinung waren, eine Anfechtung der Anfechtung komme infolge Zeitablaufs nicht mehr Betracht, landete der Rechtsstreit schließlich vor dem BGH, der ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt ist, dass sich die Frist nach § 121 BGB bemisst, so dass infolge Verfristung die grundsätzlich mögliche Anfechtung der Anfechtung wirkungslos ist. Die Beschwerdeführerin sei daher infolge der vorangegangenen wirksamen Ausschlagung nicht bei der Verteilung des Nachlasses zu berücksichtigen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass die zweite Anfechtungserklärung vom 26.08.2013 unwirksam ist und daher nicht gemäß § 142 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit der ersten Anfechtungserklärung geführt hat.
Anerkannt ist allerdings, dass auch eine Anfechtungserklärung gemäß §§ 1954, 1956 BGB ihrerseits angefochten werden kann. Der Anfechtungsgrund ergibt sich aus dem Irrtum der Beteiligten zu 1 über die – tatsächlich nicht gegebene – Überschuldung des Nachlasses, der die verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB darstellt.
Die Anfechtungserklärung ist indessen verfristet. Die Frage, nach welchen Bestimmungen sich die Frist für die Anfechtung einer Anfechtungserklärung richtet, wird unterschiedlich beurteilt.
Die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass die allgemeine Regelung des § 121 BGB Anwendung findet, die Anfechtung mithin ohne schuldhaftes Zögern erfolgen muss (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) und ausgeschlossen ist, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung 10 Jahre verstrichen sind. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Auf dieser Grundlage war die Anfechtungsfrist hier jedenfalls gemäß § 121 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 4 und Abs. 5 EGBGB nicht gewahrt, da die 10-Jahresfrist am 31.12.2011 abgelaufen war.
Eine unmittelbare Anwendung von § 1954 Abs. 1 BGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil hier nicht die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung, sondern die Anfechtung der Anfechtungserklärung in Rede steht.
Da diese in den §§ 1954, 1956 f. BGB nicht geregelt ist, gelten für sie die allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB. Für eine entsprechende Anwendung von § 1954 BGB besteht keine Veranlassung.“
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Rechtsanwalt Graf ist auch Testamentsvollstrecker sowie Kooperationsmitglied im DVEV (Deutsche Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge e. V.). und DIGEV (Deutsche Interessengemeinschaft für Erbrecht und Vorsorge e. V.)
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