Wird ein zivilrechtliches Urteil mit der Berufung angegriffen, dann muss der Berufungsführer darlegen aus welchen Gründen er das angegriffene Urteil für falsch hält. Die Berufungsbegründung muss zwingend die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.
Dies heißt aber nicht, dass sich die Berufungsbegründung auch mit solchen Gründen auseinander setzen muss, die das Urteil zwar tragen könnten, die aber vom Erstgericht nicht hinreichend deutlich zur Stützung der Entscheidung herangezogen worden sind. Andernfalls werden die Anforderungen an eine Berufungsbegründung überspannt. Dies hat nunmehr der BGH in seinem Beschluss vom 30.01.2013 (III ZB 49/12) ausdrücklich klargestellt.
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Rechtsstreit nahm der Kläger den Beklagten unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung von Beteiligungen als atypisch stiller Gesellschafter (mittelbarer Kommanditist) an der C. IV AG & Co. KG auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger eine fehlerhafte Beratung durch den Beklagten nicht nachgewiesen habe. Soweit es um den Vorwurf gehe, der Beklagte habe nicht darüber aufgeklärt, dass mehr als 15 % des aufzubringenden Kapitals für Provisionen gezahlt worden sei, habe der Kläger den nötigen Beweis für einen solchen Provisionsumfang nicht führen können. Bei dem diesbezüglichen Vorbringen des Klägers handele es sich um eine bloße Behauptung „ins Blaue hinein“, so dass sich das von ihm angebotene Zeugnis des Vorstands der C. AG, E. B. , als unzulässiger Ausforschungsbeweis darstelle, dem nicht nachzukommen gewesen sei.
Das Oberlandesgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers, die sich in ihrer Begründung ausschließlich mit der unterbliebenen Aufklärung über Provisionen von mehr als 15 % befasst hat, als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt, dass die Berufungsbegründung den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO nicht genüge. Die Berufungsbegründung gehe nur auf die unterlassene Beweiserhebung zur Provisionshöhe ein, nicht aber auf die weitere Argumentation des Landgerichts, dem einzelnen Vermittler, dem die Gesamthöhe der Vertriebsprovision nicht bekannt sei, könne nicht vorgeworfen werden, dass er den Kunden darauf nicht hingewiesen habe; eine Pflichtverletzung falle insoweit lediglich der Firma F. F. zur Last. Mit letztgenannter Begründung habe das Landgericht eine Pflichtverletzung des Beklagten auch für den Fall verneint, dass die Gesamtprovision 15 % überstiegen haben sollte. Mit dieser selbständig tragenden Begründung setze sich Berufungsbegründung des Klägers indes nicht auseinander.
Dieser Begründung ist der BGH nicht gefolgt und hat dazu ausgeführt:
„1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Das Berufungsgericht hat die in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO beschriebenen Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung überspannt und hierdurch dem Kläger den Zugang zur Berufungsinstanz in unzulässiger Weise versagt.
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser – zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich – diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 26. Juni 2003 – III ZB 71/02, NJW 2003, 2532, 2533; vom 30. Oktober 2008 – III ZB 41/08, NJW 2009, 442, 443 Rn. 12 und vom 13. September 2012 – III ZB 24/12, NJW 2012, 3581 f Rn. 8 mwN; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2012 – XI ZB 25/11, BeckRS 2012, 22810 Rn. 10 mwN).
Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 – I ZR 195/01, NJW-RR 2004, 1002; Beschlüsse vom 18. Oktober 2005 – VI ZB 81/04, NJW-RR 2006, 285; vom 28. Februar 2007 – V ZB 154/06, NJW 2007, 1534 Rn. 11; vom 15. Juni 2011 – XII ZB 572/10, NJW 2011, 2367 f Rn. 10 und vom 23. Oktober 2012 aaO Rn. 11). Der Grund hierfür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist (BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2005 aaO).
b) Hiernach hat die Berufungsbegründung des Klägers den Erfordernissen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügt.
aa) In seiner Berufungsbegründung hat der Kläger ausgeführt, dass die Annahme des Landgerichts, er habe den Beweis, dass vorliegend Provisionen von mehr als 15 % gezahlt worden seien, nicht führen können, rechtsfehlerhaft sei. Er hat hierzu vorgebracht, das Landgericht sei zu Unrecht von einem Vorbringen „ins Blaue hinein“ und einem „Ausforschungsbeweis“ ausgegangen. Es handele sich um ein Internum der Vertriebsseite, zu dem er, der Kläger, nur Vermutungen anstellen könne. Die von ihm für den C. V-Fonds mitgeteilten Presseangaben träfen mutmaßlich in gleicher Weise für den C. IV-Fonds zu. Zudem habe der Beklagte bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Landgericht selbst zugestanden, dass Provisionen in Höhe von insgesamt 15,9 % geflossen seien.
bb) Damit hat der Kläger, was das Berufungsgericht nicht anders sieht, die Begründung des Landgerichtsurteils, er habe den Beweis dafür nicht geführt, dass tatsächlich Provisionen von mehr als 15 % gezahlt worden seien, in zureichender Weise angegriffen.
cc) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste die Berufungsbegründung sich darüber hinaus nicht auch zu der Frage äußern, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, darüber aufzuklären, dass die Provisionen tatsächlich über die Grenze von 15 % hinausgingen. Denn das erstinstanzliche Urteil enthält keine Ausführungen, die mit hinreichender Deutlichkeit erkennen ließen, dass das Erstgericht eine solche Pflichtverletzung mangels Kenntnis oder Kennenmüssens des Beklagten überhaupt – also gerade auch im Falle einer Überschreitung der 15 %-Grenze – verneinte.
Mit seinen Formulierungen hat das Landgericht nicht in der gebotenen Klarheit erkennen lassen, dass es den Vorwurf des Klägers, der Beklagte habe seine Pflicht verletzt, über eine Provisionshöhe von mehr als 15 % aufzuklären, auch dann für unbegründet halte, wenn tatsächlich Provisionen in einem solchen Umfang gezahlt worden sein sollten. Im Vordergrund stand die Erwägung des Landgerichts, der Kläger habe nicht ausreichend und nicht mit zulässigem Beweisangebot vorgetragen, dass tatsächlich mehr als 15 % des Kapitals für Provisionen aufgebracht worden seien. Die Ausführungen zu einer diesbezüglichen Kenntnis des Beklagten knüpften ohne erkennbare Zäsur an diesen Erwägungen an, insbesondere an den Satz, dass auch der Beklagte den klägerischen Vortrag nicht bestätigt habe. Damit entstand, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, insgesamt der Eindruck, es gehe im Grunde allein um den fehlenden Nachweis der Überschreitung der 15 %-Grenze, nicht aber (auch) darum, dass der Beklagte (mangels Kenntnis oder Kennenmüssens) ohnehin nicht zu einer diesbezüglichen Aufklärung verpflichtet gewesen wäre. Dieser Eindruck erfährt dadurch eine Bestätigung, dass die Parteien in der ersten Instanz allein um die Frage gestritten haben, ob der Gesamtumfang der Provisionen 15,9 % betragen habe oder nicht, nicht hingegen über eine diesbezügliche Kenntnis oder vorwerfbare Nichtkenntnis des Beklagten.
Geht aus dem erstinstanzlichen Urteil – wie hier – indes nicht hinreichend deutlich hervor, dass das Erstgericht seine Klageabweisung (in dem betreffenden Punkt) auch auf eine weitere selbständig tragende rechtliche Erwägung gestützt hat, so muss die Berufungsbegründung diese auch nicht gesondert angreifen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2003 aaO für einen bloßen „Hinweis“ im Ersturteil).
3. Nach alledem durfte das Berufungsgericht die Berufung nicht als unzulässig verwerfen, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, damit es über die Begründetheit der Berufung befindet (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).“