In zivilrechtlichen Streitigkeiten werfen sich die Parteien und ihre Rechtsvertreter regelmäßig (oft wechselseitig) vor, der Vortrag sei unschlüssig oder unsubstantiiert. Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass der Vortrag so unpräzise und lückenhaft ist, dass er vom Gericht bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigt werden darf.
Grundsätzlich ist es so, dass die Parteien sich vollständig und umfassend erklären müssen. Machen Sie das nicht oder nicht richtig, dann kann der Rechtsstreit allein durch unzureichenden Vortrag verloren werden. Stuft allerdings ein Gericht einen Parteivortrag als unsubstantiiert ein, obwohl dieser objektiv betrachtet gar nicht unsubstantiiert war, so liegt darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, so dass das Urteil an einem Rechtsfehler leidet und angreifbar ist. Dies hat der BGH nunmehr mit Beschluss vom 10. Juli 2012 (II ZR 212/10) ausdrücklich klargestellt und dazu ausgeführt:
„Die nicht näher begründete Annahme des Berufungsgerichts, der Vortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 28. September 2010 und vom 7. Oktober 2010 zu der fehlenden insolvenzrechtlichen Überschuldung der Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung sei unsubstantiiert, verletzt die Beklagten in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass Vortrag einer Partei dann hinreichend substantiiert ist, wenn sie Tatsachen anführt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Der Pflicht zur Substantiierung ist nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2009 – II ZR 77/08, WM 2009, 1154 Rn. 4; Beschluss vom 21. Mai 2007 – II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 Rn. 8; Urteil vom 25. Juli 2005- II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848 m.w.N.).
Überspannt das Gericht die Anforderungen an die Substantiierung und erhebt deshalb nicht die von der Partei angebotenen Beweise, verletzt es den Anspruch auf rechtliches Gehör (BVerfG, WM 2012, 492 Rn. 20 f.; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2009 – II ZR 77/08, WM 2009, 1154 Rn. 4).
So liegt der Fall hier. Die Beklagten haben ausführlich unter Vorlage von zahlreichen Unterlagen und unter Beweisantritt vorgetragen, dass zwar eine bilanzielle, nicht jedoch eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Insolvenzschuldnerin vorgelegen habe.“
Tipp:
Auch Richter sind nur Menschen und machen Fehler (in der Praxis oft mehr Fehler, als so mancher glauben würde). Deshalb kann es durchaus sinnvoll sein, ein auf solch grundlegenden Fehlern basierendes Urteil nicht als gottgegebenes Fehlurteil zu akzeptieren, sondern darauf zu hoffen, dass die nächste Instanz sich mehr Mühe und den Fehler korrigiert. Sicher ist dies – auch das zeigt leider die Praxis – allerdings nicht, da auch in der Rechtsmittelinstanz wiederum nur Menschen am Werk sind und diese machen bekanntlich Fehler…