Auch Großfirmen wie die Apple Inc. können vor Gericht scheitern, wie die höchstrichterliche Bestätigung der Nichtigkeit eines Patents hinsichtlich des besonderen Handy-Entsperrungsvorgangs durch Fingerwischbewegungen zeigt. Mit großem Interesse wurde rund um den Globus mitverfolgt, wie die deutschen Richter dem iPhone-Hersteller den Patentschutz verweigerten (BGH, Urteil vom 25.08.2015, Az.: X ZR 110/13). Überall in den internationalen Medien wird davon berichtet, dass die „Slide-to-Unlock“-Funktion der Apple-Smartphones den Anforderungen der Deutschen an einer Patentwürdigkeit nicht genüge. Hinsichtlich der vielseitigen Kommentare lohnt sich eine müßige Internet-Suche.
Damit bestätigte der Bundesgerichtshof im Ergebnis die vorinstanzliche Entscheidung des Bundespatentgerichts (Urteil vom 04.04.2013, Az.: 2 Ni 59/ 11 (EP), 2 Ni 64/11 (EP)). Doch was steckt wirklich dahinter?
Gegen das streitgegenständliche europäische Patent, das am 10.03.2010 in englischer Sprache veröffentlicht wurde und die Bundesrepublik Deutschland als Bestimmungsland benennt, sind mehrere Nichtigkeitsklagen erhoben worden. Im vorliegenden Falle war Motorola Mobility Germany GmbH die Klägerin. Betroffen ist eine Maßnahme zum Entsperren eines Handys mit Touchscreen durch eine Wischbewegung mit einem Finger. Da den meisten Lesern diese Art der Bildschirmentsperrung vor allem bei Apple-Smartphones bekannt sein dürfte, wird an dieser Stelle auf trockene, technische Ausführungen verzichtet. Es sei lediglich erläutert, dass man hierbei zur Aktivierung, also zur Aufhebung der Bildschirmsperre, mit dem Finger einem bestimmten Pfad wischend folgen muss. Dadurch, dass der spezielle Pfad verfolgt werden muss, wird eine Entsperrung durch zufälliges Wischen am Bildschirm verhindert.
Diese Möglichkeit besaßen jedoch schon Smartphones anderer Firmen, insbesondere das vom BPatG genannte Mobiltelefon N1 des schwedischen Herstellers Neonode. Das Patent von Apple beruhte darauf, dass zusätzlich zu den Vorgängerfunktionen auf dem Bildschirm ein Muster angezeigt wírd, welches sich im Einklang mit der Fingerbewegung auf dem vorgegebenen Pfad auf dem Bildschirm bewegt.
Nach Ansicht des BPatG sei dieser Gegenstand des Patents gemäß Art. 52 Abs. 1 EPÜ nicht patentfähig, weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Das Merkmal des zusätzlich angezeigten Musters sei bei der Beurteilung der Patentfähigkeit nicht zu berücksichtigen, weil es kein technisches Problem löse, sondern lediglich durch grafische Maßnahmen die Bedienung des Geräts vereinfache.
Der BGH hat zwar dementgegen berücksichtigt, dass die Funktion insofern über den Stand der Technik des Mobiltelefons N1 hinausgeht. Eine solche benutzerfreundlichere Anzeige sei dem Fachmann jedoch durch den Stand der Technik nahegelegt. Es werde durch das Wischen ein Verschieben eines grafischen Objekts ausgelöst, und somit die Betätigung eines Schiebereglers imitiert. Auch nach Auffassung des BGH beruht das Patent daher nicht auf erfinderischer Tätigkeit.