Kommt ein Kunde in einem Geschäft, beispielsweise einem Kaufhaus oder einem Möbelhaus, zu Fall, und verletzt sich dabei, dann kommt es immer wieder zu Streitigkeiten darüber, ob das Unternehmen auf Schadenersatz haftet. Knackpunkt ist dabei regelmäßig die Frage, ob das Unternehmen ein Verschulden trifft, weil es seiner Verkehrssicherungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist. Langwierige Beweisaufnahmen sind dabei oft die Regel, wobei immer wieder von Instanzgerichten die Beweislastverteilung zwischen Kunde und Betreiber verkannt wird. Der BGH hat nun in seinem Urteil vom 25. Oktober 2022 (VI ZR 1283/20) die Entscheidung der Vorinstanzen, die zulasten einer gestürzten Kundin entschieden hatten, aufgehoben und zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen, weil diese rechtsfehlerhaft der Auffassung waren, die klagende Kundin müsse beweisen, dass die von dem Beklagten dargelegten und für ausreichend erachteten Sicherungsmaßnahmen im Unfallbereich nicht erfolgt seien. Die obersten Bundesrichter rüffelten, dass der Beklagte hätte beweisen müssen, dass von ihm und seinem Personal alle Sorgfalt aufgewandt worden ist, um den objektiv verkehrswidrigen Zustand im Organisationsbereich zu vermeiden und Zweifel nicht zulasten des Kunden, sondern stets zulasten des Unternehmens gehen.
Sturz auf Weintraube landet vor Gericht
Die Klägerin kam in einem Ladenlokal zu Sturz, und zwar so schwer, dass ihr eine Hüftprothese eingesetzt werden musste. Sie behauptet dabei, sie sei auf einer Weintraube ausgerutscht, die am Boden gelegen habe und der Betreiber des Warenhauses habe es unterlassen den Schutzbereich hinreichend zu reinigen.
Der Beklagte hatte sich die Haftung widersetzt und zur Begründung ausgeführt, dass der Bereich jeden Morgen durch einen externen Dienstleister intensiv gereinigt und die Reinigung dokumentiert werde. Danach würden alle 60 Minuten intensive Sichtreinigung erfolgen. Auch in der Zwischenzeit stünde eine Reinigungskraft auf Zuruf jederzeit zur Verfügung.
Sowohl Landgericht als auch OLG haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass das Unternehmen nicht für Schäden nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten hafte, denn das Unternehmen habe nicht generell für glitschige Weintrauben o. ä. Essensreste auf dem Fußboden ihres Geschäfts zu haften. Es bestünde stets die Möglichkeit, dass Besucher etwas essen und dann Essensteile fallen ließen, die rutschig sein könnten. Die Klägerin hätte vielmehr beweisen müssen, dass die ergriffenen Sicherungsmaßnahmen wie Reinigungs- und Kontrollpflichten nicht erfolgt seien oder zusätzliche Waren- und Sicherungsmaßnahmen geboten gewesen wären.
Beweislast liegt nicht beim Kunden, sondern beim Unternehmen
Die Kundin dagegen gab nicht auf und zog schließlich vor den BGH. Diese erteilte den Vorinstanzen eine Rüge, dass kein Grund ersichtlich sei, weswegen diese an seiner bereits seit 60 Jahren bestehenden Rechtsprechung abgewichen sei. Es sei zwar nicht zu beanstanden, dass LG und OLG die vom Beklagten vorgetragenen Reinigungsmaßnahmen als ausreichend angesehen haben. Zu beanstanden sei aber, dass die Beweislast verkannt worden wäre. Die Klägerin müsse nämlich nicht beweisen, dass die von der Beklagten dargelegten und für ausreichend erachteten Sicherungsmaßnahmen im Unfallbereich nicht erfolgt seien. Vielmehr hätte die Beklagte beweisen müssen, dass von ihr und ihrem Personal alle Sorgfalt aufgewandt worden sei, um den objektiv verkehrswidrigen Zustand im Organisationsbereich zu vermeiden. Zweifel gingen zu ihren Lasten, weil die Verunreinigung des Fußbodens der Verkaufsfläche ihrem Gefahren- und Organisationsbereich zuzurechnen sei.
Anmerkung:
Nachdem ein solcher Nachweis seitens des Unternehmens in der Praxis kaum zu führen ist, bedeutet dies im Ergebnis, dass dann, jedenfalls wenn Anspruchsdarstellung konsequent aufgebaut ist, ein Kaufhaus, Möbelhaus oder Supermarkt kommende Lage ist, sich erfolgreich gegen derartige Ansprüche zur Wehr zu setzen. Aus Sicht der Klägerin zeigt sich wieder einmal mehr, dass derjenige, der zu Gericht geht, langen Atem haben muss und sich nicht von Instanzurteilen abschrecken lassen darf. Erschreckend ist dabei, dass selbst wenn gefestigte BGH-Rechtsprechung vorhanden ist, dies keine Garantie dafür ist, in den Unterinstanzen bei Gericht erfolgreich zu sein. Der Weg zu Gericht verkommt zum Lotteriespiel und ist letztlich auch eine Frage des Geldbeutels, wie viel Gericht man sich leisten möchte. Der Verfasser hat es schon bei einem der Münchener Landgerichte erlebt, dass ein Richter seinen Verweis darauf, dass die Rechtsprechung des BGH das Gegenteil von dem besorgt, was er gerade geäußert habe damit kommentiert hat, dass in seinem Gerichtssaal nur seine Meinung zählt und sonst nichts …-