Jeder Jurastudent lernt bereits im ersten Semester den Grundsatz pacta sunt servanda (lat.; dt. Verträge sind einzuhalten) kennen. Es handelt sich bei dem Prinzip der Vertragstreue um den wichtigsten Grundsatz im deutschen Vertragsrecht. Wer einen Vertrag abschließt und sich hinterher nicht mehr daran halten möchte, der hat meist schlechte Karten. Der Jurist spricht hier von unbeachtlicher Vertragsreue. Eine Beendigung kann regelmäßig nur dann erfolgen, wenn gesetzlich oder vertraglich ein Kündigungsgrund oder ein Rücktrittsrecht vorhanden ist oder vereinbart wurde, oder aus anderen Gründen der Vertrag unwirksam ist. Eine sofortige Beendigung ist deshalb nicht die Regel, sondern eine Ausnahme. Dafür bedarf es meist besonderer, nämlich wichtiger, Gründe.
Obwohl also der Grundsatz der Vertragstreue sozusagen das kleine Einmaleins der Juristerei ist, hat sich heute der BGH in einem Urteil vom 18.02.2016 (III ZR 126/15) mit der Frage befasst, ob für Krippenverträge etwas anderes gelten würde. Im entschiedenen Fall hatte ein Vater seinen Sohn nach 10 Tagen aus der Krippe im Raum München genommen. Zur Begründung hat er angegeben, dass es dort seinem Sohn nicht gefallen würde. Gleichzeitig verlangte er deshalb sofortige Vertragsauflösung ohne Einhaltung der vertraglich vereinbarten 2-monatigen Kündigungsfrist und Rückzahlung einer geleisteten Kaution in Höhe von 1.000 €.
Da im Vertrag eine kurze Kündigungsfrist geregelt war (gekündigt werden konnte zum Ablauf des übernächsten Monats) haben die Richter den Kläger auf die ordentliche Kündigung des Vertrags verwiesen, sodass er bis dahin auch die Gebühren für die Kinderkrippe, in Summe rund 1400 €, bezahlen musste. Ein Anspruch darauf, dass den Eltern für die Dauer der Eingewöhnungsphase ein Recht zur folgenlosen Vertragsauflösung eingeräumt wird, wurde seitens der Richter verneint. Bedenken hat das Gericht allerdings gegen die verlangte Kaution in Höhe von 1.000 €, bei der sich aus Sicht der Richter um ein Darlehen handeln würde, so dass die Eltern unangemessen benachteiligt worden seien. Hier konnte der Vater sofortige Rückzahlung verlangen.